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Applaus nach der geglückten Landung eines Flugzeugs: Ist das nicht peinlich? – Reise | ABC-Z

Unter uns grantelnden Bayern gilt: Ned gschimpft is globt gnua. Für Nichtmuttersprachler: Wenn man nicht getadelt wird, dann hat man alles richtig gemacht und erfährt dementsprechend das Maximum an Wertschätzung.

Für diese höchste Form des Lobes, das Nichtgeschimpftwerden, gibt es allerdings nur selten Anlass. An der Supermarktkasse trödeln sämtliche Kunden, der Bus kommt nicht pünktlich, und im Büro spinnen sie sowieso mal wieder alle. Wen sollte man also loben? Und wofür? Etwa dafür, dass der eine oder die andere einem ausnahmsweise nur halb so sehr zur Last fällt wie gewöhnlich?

Wir neigen nun einmal zum Motzen und Mosern. Beschweren und beklagen uns gerne, wenn die Dinge nicht in unserem Sinn laufen. Und wann tun sie das schon? Unser Anspruchsdenken kennt schließlich selten Grenzen, entsprechend schnell werden wir ungnädig. Wahrscheinlich sagen wir mittlerweile seltener „Guten Tag“ als „Geht gar nicht!“. Und was alles nicht geht: Dass die Lehrerin zum Kind dieses gesagt hat und der blöde Nachbar jenes gemacht hat, ist noch das Geringste. Im Grunde nämlich ist inzwischen alles eine einzige Zumutung. Tagein, tagaus.

Entsprechend kann man es uns auch gar nicht recht machen. Wir lästern zum Beispiel – natürlich vollkommen zu Recht – über die vielen maroden Brücken im Land. Wenn dann aber mal eine saniert wird, nehmen wir die Baustelle mindestens als Schikane, meistens sogar als persönliche Beleidigung wahr. Wir jammern über den bürokratischen Apparat, aber wehe, es ist kein Ansprechpartner zur Hand, wenn wir mal einen brauchen.

Wir nehmen, seien wir ehrlich, die Dinge viel zu oft für selbstverständlich. Dass jemand hinter uns herputzt, uns auch spätabends mit der Tram nach Hause fährt oder gut gelaunt das Frühstücksbuffet im Urlaubshotel auffüllt, auch wenn wir es schneller leer essen, als man ein Ei auch nur aufschlagen, geschweige denn zubereiten kann – das darf man doch bitte schön erwarten. Wir zahlen schließlich dafür.

Wir erwarten Perfektion. Auch wenn wir sie selbst in den seltensten Fällen liefern können

Dass jemand die Dinge besonders gut macht, gilt als normal. Alles unterhalb der Perfektion wird indessen sehr schnell als unerträglich wahrgenommen. Deshalb empfinden es etliche Menschen beispielsweise auch als peinlich, wenn andere im Flugzeug nach geglückter Landung Beifall klatschen. Der Pilot macht schließlich bloß seinen Job, mehr nicht. Also weshalb ihn dafür umjubeln? Man selbst bekommt ja auch keine Standing Ovations, wenn man Steuererklärungen prüft, eine kaputte Heizung repariert oder Pumpkin Spice Cream Frappuccinos ausschenkt. Abgesehen davon: Wieso dauert das eigentlich schon wieder so lange, bis die Gangway ans Flugzeug angedockt ist und man die Maschine endlich verlassen kann?

Es ist höchste Zeit, dass wir uns wieder häufiger gelassen zurücklehnen. Nicht nur im Flugzeug, aber dort könnten wir ja mal beginnen. Warum belächeln wir eigentlich dieses eine Drittel von uns, das klatscht? Denn das hat die Erhebung einer Billig-Fluglinie ergeben: Rund 30 Prozent der Passagiere an Bord applaudieren. Aus Erleichterung, wieder sicher gelandet zu sein. Aus Dankbarkeit der Crew gegenüber. Aus Höflichkeit. Je jünger die Passagiere, desto eher klatschen sie übrigens. Nehmen wir uns ein Beispiel an der Jugend und freuen uns, wenn die Dinge funktionieren. Denn das ist eben nicht selbstverständlich.

Der Autor neigt selbst oft zum Meckern. Gelobt aber Besserung.
Der Autor neigt selbst oft zum Meckern. Gelobt aber Besserung. (Foto: Bernd Schifferdecker (Illustration))
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