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Wehrbeauftragte sieht Personalprobleme: Högl gegen Wiedereinführung der alten Wehrpflicht | ABC-Z

Berlin epd/dpa/afp | Die Wehrbeauftragte des Bundestags, Eva Högl (SPD), hält eine Wiedereinführung der alten Wehrpflicht für nicht umsetzbar. „Das würde die Bundeswehr überfordern“, sagte Högl bei der Vorstellung ihres Jahresberichts am Dienstag in Berlin. Es gebe aktuell nicht genügend Stuben sowie Ausbilderinnen und Ausbilder. Es sei daher „keine gute Idee“, die 2011 ausgesetzte Wehrpflicht für junge Männer wieder einzuführen. Högl wiederholte ihren Vorschlag, ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr für Frauen und Männer einzuführen, das bei den Streitkräften, aber auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen absolviert werden könnte.

Unterstützung für Pistorius

Gleichzeitig lobte sie den vor der Bundestagswahl nicht mehr beschlossenen Vorschlag von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) für ein Wehrdienstmodell, das junge Männer dazu verpflichten soll, über ihre Bereitschaft für einen Dienst in der Bundeswehr Auskunft zu geben. Man müsse erst einmal bei der Erfassung weiterkommen, sagte Högl. Es sei dann richtig, in einer Größenordnung von 5.000 neuen Rekrutinnen und Rekruten pro Jahr zu beginnen. Damit wäre gewährleistet, dass sie eine gute Ausbildung bekommen, sagte sie.

Wie aus Högls Bericht hervorgeht, ist der Personalbestand der Bundeswehr, der eigentlich wachsen soll, im vergangenen Jahr erneut geschrumpft. Ende 2024 gab es dem Bericht zufolge 181.174 aktive Soldatinnen und Soldaten, gut 300 weniger als im Jahr zuvor. Zudem altert die Truppe weiter. Das Durchschnittsalter stieg Högl zufolge auf 34 Jahre. „Leider weiterhin verschlechtert hat sich die sehr hohe Anzahl unbesetzter Dienstposten“, schreibt die SPD-Politikerin in ihrem in Berlin vorgelegten Jahresbericht für 2024.

Unbesetzte Dienstposten

Im Jahr 2020 – dem Beginn ihrer Amtszeit – seien rund 18 Prozent des militärischen Personals in den Laufbahnen oberhalb der Mannschaften unbesetzt gewesen. Ende 2024 seien es sogar knapp 20 Prozent gewesen. Bei den Mannschaften waren im vergangenen Jahr sogar rund 28 Prozent aller Dienstposten unbesetzt gewesen. Ursachen seien neben dem allgemeinen Personalmangel auch Vakanzen – wie durch Ausbildung, Elternzeit, Krankheit oder Freistellung. Die Streitkräfte liefen aber Gefahr, dass die personelle Einsatzbereitschaft erheblich leide, wenn fast jede fünfte Kraft bei Unteroffizieren und Offizieren und mehr als jede vierte Kraft bei den Mannschaften fehle.

„Genügend und vollständig einsatzbereites Personal ist der Schlüssel zur Verteidigungsfähigkeit. Dem ursprünglich bis zum Jahr 2025 gesteckten, jedoch später zeitlich angepassten Ziel, eine Personalstärke von 203.000 Soldatinnen und Soldaten bis zum Jahr 2031 zu erreichen, ist die Bundeswehr im Berichtsjahr erneut nicht nähergekommen“, stellt Högl fest. Die Zahl der Männer und Frauen in der Bundeswehr sei auf 181.174 sogar leicht gesunken. Högl warnt: „Gleichzeitig wird die Bundeswehr immer älter. Während das Durchschnittsalter Ende 2019 noch 32,4 Jahre betrug, ist es bis Ende 2024 auf 34 Jahre gestiegen.“

Wehrbeauftragte mahnt bessere Ausstattung an

„Die personelle, materielle und infrastrukturelle Ausstattung der Bundeswehr muss schnell besser werden“, schreibt Högl in ihrem am Dienstag veröffentlichten Jahresbericht 2024. „Ungeduld ist geboten und Erwartungen sind gerechtfertigt.“ Die Bundeswehr müsse „vollständig einsatzbereit sein“, schreibt Högl vor dem Hintergrund der neuen sicherheitspolitischen Herausforderungen Deutschlands. Högl sieht aber, dass es „überall (…) endlich Bewegung“ gebe.

Die Bundeswehr erhalte mehr Geld und Waffen, auch gebe es Initiativen zur Personalgewinne und Strukturreformen zur Fokussierung auf den Kernauftrag. „Diese Anstrengungen waren enorm, die Ergebnisse jedoch (noch) nicht überall sichtbar, spürbar oder messbar“, schreibt Högl. Sie verglich die Bundeswehr mit einem Tankschiff, das lange Zeit zum Kurswechsel braucht. „Zeit, die wir nicht haben“, mahnte Högl.

Ihr Bericht bescheinigt der Bundeswehr in den zurückliegenden fünf Jahren „die wechselvollsten Jahre ihrer fast 70-jährigen Geschichte“. In diesen fünf Jahren habe sich der Kernauftrag der Bundeswehr vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs in der Ukraine hin zur Landes- und Bündnisverteidigung verändert. Die Bundeswehr sei „bereit, durch Stärke potenzielle Aggressoren abzuschrecken“. Nun werde „mit Hochdruck“ daran gearbeitet, „die gegenwärtigen und künftigen Herausforderungen zu bewältigen, die nicht selten auch auf Versäumnissen in der Vergangenheit beruhen“.

Hoher Investitionsbedarf

Damit die deutschen Streitkräfte ihre „vielfältigen neuen Aufgaben“ erfüllen können, mahnt Högl eine „auskömmliche finanzielle Grundlage“ der Bundeswehr an. Im vergangenen Jahr seien nur 50,3 Milliarden Euro aus dem insgesamt 52 Milliarden Euro umfassenden regulären Verteidigungshaushalts genutzt worden. „Das Ministerium sollte in Zukunft sicherstellen, dass zur Verfügung stehende Gelder auch ausgegeben werden“, schreibt Högl. Zudem seien rund 19,8 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen bereitgestellt worden.

Das Verteidigungsministerium von Högls Parteigenosse Boris Pistorius könnte künftig noch deutlich mehr Geld zur Verfügung gestellt bekommen. Union und SPD hatten in den Sondierungen über eine mögliche neue Bundesregierung zuletzt die Aussetzung der Schuldenbremse für Wehrausgaben über einem Prozent der Wirtschaftsleistung beschlossen. Unklar ist noch, ob die dafür nötige Grundgesetzänderung im Bundestag eine Zweidrittelmehrheit bekommt.

Das Geld würde laut Högl dringend benötigt. Allein im Bereich der Infrastruktur habe der Gesamtinvestitionsbedarf Ende 2024 bei rund 67 Milliarden Euro gelegen. Kasernen und Liegenschaften seien „immer noch teilweise in einem desaströsen Zustand“. Es mangele aber auch an funktionstüchtigem Großgerät und Ersatzteilen, „was zum Teil auch aus der so wichtigen Abgabe von Material an die Ukraine resultiert“, schreibt Högl.

Rechtsextreme Vorfälle

Högl berichtet in ihrer Jahresbilanz auch von rechtsextremistischen Vorfällen bei der Truppe, die aber nur „eine kleine Minderheit“ der Soldatinnen und Soldaten betreffe. So habe es „diverse“ Vorfälle gegeben, bei denen Soldatinnen und Soldaten das umgedichtete Lied „L’amour toujours“ mit der Parole „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus“ gesungen haben – nachdem im Sommer ein ähnliches Video von Urlaubern auf Sylt bekannt geworden war. Die Bundeswehr sei dagegen mit Disziplinarmaßnahmen wie Geldbußen bis zu Entlassungen vorgegangen. Zudem werden einzelne Vorfälle von Bundeswehrangehörigen aufgeführt, die den Hitlergruß zeigten.

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