“Radatouille” von Jean-Marie Magro: Ein lesenswertes Buch über Frankreich – Sport | ABC-Z

Auf ihren 21 Etappen quer durchs Land bekommen die Teilnehmer der Tour de France eine Menge von Frankreich zu sehen – das meiste nur aus dem Augenwinkel. Die Radsport-Aficionados an den TV-Geräten sehen da schon etwas mehr: Diese Sonnenblumenfelder! Diese alten Dorfkirchen! Diese Kreisverkehre!
Aber Frankreich sehen ist eben das eine, Frankreich verstehen etwas ganz anderes. Insofern ist es ein Glücksfall, dass der Reporter Jean-Marie Magro, 33, Hörfunkkorrespondent für den Bayerischen Rundfunk und auch gelegentlich als Radsport-Autor für die SZ im Einsatz, seine eigene Tour de France geradelt ist, ebenfalls über 21 Etappen und circa 3000 Kilometer. Und dass er über diese Reise ein liebevolles und kluges Buch geschrieben hat, eine Reise in die französische Gegenwart.
:Wenn die Hexe mit den grünen Zähnen den Blinker setzt …
… dann führt der Franzose ein Fachgespräch über die Tour de France. Ein Glossar der wichtigsten Radsport-Redewendungen unter Berücksichtigung von Unterhosen, Küchenmixern und abbiegenden Kathedralen.
„Radatouille“, der Titel spielt noch mit den Klischees, der Autor hinterfragt sie dann. Man ist dabei, als Magro sich in Paris auf den Sattel schwingt, begleitet von Peter, seinem Gefährten und Mechaniker im alten Familienvan, dem Materialwagen. Über die Kopfsteinpflaster bei Roubaix im Norden, vorbei am Mont-Saint-Michel, geht es den Atlantik entlang bis ins Baskenland, dann durch Auvergne und Burgund bis in die Alpen und die Provence.
Es sind ein paar legendäre Tour-Gipfel dabei wie der Mont Ventoux sowie jede Menge Tour-Historie. Doch seine Tiefe zieht das Buch aus den Ruhetagen, die Magro für unzählige Gespräche genutzt hat, sei es mit Prominenten wie dem ehemaligen Premierminister und Bürgermeister von Bordeaux, Alain Juppé, oder mit Gastwirten, Cognacbrennern, Atomkraftwerk-Fans. Warum auch die Franzosen drauf und dran sind, sich einer rechtspopulistischen, Europa-feindlichen Partei auszuliefern, ist eine wiederkehrende Leitfrage der Reise – aber ehe es zu schwer werden kann, muss es dann ja auch weitergehen, die nächste Etappe, das nächste Ziel, die nächste Geschichte.
Jean-Marie Magro: „Radatouille – Meine Tour de France zu Burgund, Baguette und Banlieues.“ dtv-Verlag, 320 Seiten, 15 Euro.