Komödie „#SchwarzeSchafe“: Als Kafka ein Zeh amputiert wurde | ABC-Z

Summer in the city, Hitze, Trockenheit, schimmernder Dunst über Berlin. Die Kamera blickt von oben aufs Geschehen, auf der Tonspur gibt die dunkle Erzählstimme von Katharina Thalbach ihren Senf dazu. Dann geht es ab und hinab.
In ein Café in Neukölln, hier wird auf dem Klo einem Mann namens Kafka (Marc Hosemann) ein Zeh amputiert. Anflug auf ein Hochhaus, sieht fast so aus wie das in Tom Tykwers „Das Licht“ – der Berlinfilm und das Begehren nach Überblicksperspektiven. Diesmal aber nicht Erlösung und Mystik, sondern recht unverdünnt Quatsch: auf dem Balkon bekokste Digitalbienen und ein Mann (Frederick Lau) mit Drogenproblem.
Der junge Clanchef Omar Darwish (Yasin El Harrouk) kennt kein Pardon und rast mit einem gelben Hummer durch die Stadt, kommt dann aber mithilfe seiner kleinen Tochter auf den Trip und beginnt über den ökologischen Fußabdruck zu räsonieren.
Wer sind die BiPoCs?
Slapstik der besseren Art: Besuch der Gangster in einem Unverpackt-Laden, aus Fortbildungsgründen. Die identitätspolitisch hysterisierte Angestellte aus den USA ruft die Polizei, die arabische Gang stellt, Hände überm Kopf, die berechtigte Frage: Moment, die BIPoCs, sind das nicht wir?
„#SchwarzeSchafe“. Regie: Oliver Rihs. Mit Jella Haase, Yasin El Harrouk u. v. a. Deutschland 2025, 93 Min.
Anderer Schauplatz: Ökomesse am alten Flughafen, hier möchte ein netter Loser (Milan Peschel) mit Sandwiches groß rauskommen, für die er eine invasive Krabbenart günstig verwurstet. Dann wäre da noch Delphine von Plettenburg (Jella Haase), die Genderpuppen mit abnehmbarem Geschlechtsteil produziert.
Gelegenheit macht aus ihr eine Diebin: Sie brennt mit der Kreditkarte des Clanchefs und der Frau des Krabbenmanns (Jule Böwe) durch. Ein paar Szenen weiter werden zwei Escortmänner in einem Nobelhotel von Delphine sexuell instruiert. Am nächsten Morgen erwacht die eine Frau am Busen der andern.
Der Schnitt hat ADHS
Recht gewaltsam sind diese und weitere Figuren, diese und weitere Episoden miteinander verknüpft. Drunter und drüber knäueln sich dabei die Klischees. Zwischendrin Passagen mit Impressionen aus den Straßen des heißen Berlin, von Friedrichshain bis in den Grunewald, nur zur Ruhe kommt der Film dabei nicht. Weil die Kamera ständig wackelt und fuchtelt, der Schnitt ADHS hat und Regisseur Oliver Rihs so grundsätzlich wie irrtümlich glaubt, dass Tempo im Zweifel Timing ersetzt.
Er glaubt das nicht zum ersten Mal. 2006 hat er den deutlich roheren episodischen Möchtegernkultfilm „Schwarze Schafe“ gedreht, Jule Böwe und Milan Peschel waren damals auch schon dabei. Der neue Film, im Titel nun um einen Hashtag erweitert, ist eine Art Fortsetzung, die sich filmisch vergleichsweise fein gemacht hat. In beiden Fällen jedoch, darauf ist man stolz, kam man ganz ohne Fördergeld aus.
Am Drehbuch hat eine halbe, geschlechtergemischte Fußballmannschaft herumoperiert. Kein Wunder, dass der Ton inkonsistent ist und die Sache letztlich richtungslos bleibt. So hetzen Figuren wie Publikum durch einen windschiefen Plot, der sich selbst und seiner Botschaft nicht glaubt.
Progressive Agenda
Und auch den Figuren nicht, die der raue Wind der Beliebigkeit von hier nach da weht. Die Agenda ist eher progressiv als reaktionär, manches kommt fast wie eine prolligere Variante von Marc-Uwe Klings kapitalismuskritischer „Känguru“-Komik daher. Die Schauspieler*innen tun sowieso, was sie können.
Im engen Rahmen des hier Möglichen ist das oft viel, insbesondere Yasin El Harrouk ist toll. Nicht nur ist sein komisches Timing perfekt, ansatzweise gelingt es ihm gar, seine an den Haaren herbeikonstruierte Figur von einem schlechten Witz in einen echten Menschen zu retten.