Ligue 1: Monaco und Marseille wollen den Rückstand zu PSG verkürzen – Sport | ABC-Z

Nur kurz zögerte Roberto De Zerbi. Die Frage hatte ihn offensichtlich unvorbereitet getroffen, ein Reporter wollte wissen, wem er im Champions-League-Endspiel die Daumen drückt. Der Nord-Italiener De Zerbi, geboren in Brescia, hatte in der Jugend bei Milan gespielt, dem Lokalrivalen von Inter, des einen Finalisten. Und er trainiert nun Olympique Marseille, den mit dem anderen Finalisten Paris Saint-Germain eine erbitterte Feindschaft verbindet. So gab De Zerbi die einzig logische Antwort: „Ich werde am Samstag Netflix schauen.“
In der kommenden Saison hat er mit seiner Elf die Chance, selbst große Dinge in der Königsklasse zu schaffen. Als Vizemeister der Ligue 1 mit dem Respekt-Abstand von 19 Punkten auf PSG schaffte OM die Rückkehr in die Champions League nach drei Jahren Abwesenheit. Und auch die AS Monaco mischt ab September mit im Kampf um den Henkelpott, Trainer Adi Hütter ging mit seinem Team als Dritter ins Ziel. Das Ticket hatten die Monegassen am vorletzten Spieltag durch ein 2:0 gegen Lyon gelöst, weshalb im finalen Saisonmatch in Lens die Luft raus war, prompt setzte es ein 0:4. „Es ist offensichtlich, dass Müdigkeit eine Rolle spielte, denn wir beenden eine sehr anstrengende Saison“, sagte Hütter nach dem Spiel: „Ich denke, wir sollten an unsere Qualifikation für die Champions League denken, das ist das Wichtigste.“
Der Auftrag des Österreichers bestand darin, den neuerlichen Einzug in die Königsklasse zu sichern. Und man merkte im Fürstentum, wie angespannt die Lage in der Schlussphase der Saison war, als Klubbesitzer Dmitri Rybolowlew nach zwei Remis plötzlich im Trainingszentrum La Turbie auftauchte, um Hütter und Sportdirektor Thiago Scuro ins Gebet zu nehmen. Für die Mannschaft ein klares Signal, was von ihr erwartet wurde.
Dabei hatte der Klub vor der Saison Leistungsträger abgegeben, allen voran den französischen Nationalspieler Youssouf Fofana. Hütter setzte vor allem auf Eigengewächse, etwa die Offensivspieler Maghnes Akliouche, 23, und Eliesse Ben Seghir, 20, die wettbewerbsübergreifend auf 32 Torbeteiligungen kamen. Und dann holte Monaco im Winter auch noch den jungen Dänen Mika Biereth, 22, von Sturm Graz, der voll einschlug, in 16 Ligaspielen 13-mal traf und zwei Tore vorbereitete. Routiniertere Spieler wie Kapitän Denis Zakaria, dessen Stellvertreter Thilo Kehrer oder Breel Embolo gaben dem talentierten Konstrukt Halt.
Nun gelte es laut Hütter, „die Lücke zu PSG zu schließen, sie ist einfach zu groß“, wie er jüngst in einem Dazn-Interview sagte. In Eric Dier, 31, vom FC Bayern, hat er sich bereits einen Abwehrstabilisator gesichert, der dazu beitragen soll. Er fühle sich jedenfalls im Fürstentum wohl, so Hütter, „ich arbeite wahnsinnig gerne jeden Tag hier“. Sein Arbeitspapier hat er, auch dank starker Vorstellungen zu Beginn der aktuellen Champions-League-Saison, nach Weihnachten bis 2027 verlängert.
So lange steht 170 Kilometer westlich von Monaco auch Roberto De Zerbi unter Vertrag, und der ist mit Marseille auf einer Mission: Es gehe nicht darum, einmalig die Champions League zu erreichen, sondern langfristig das Niveau des Klubs zu erhöhen und ihn stabiler zu machen, sagt der Italiener. Dann sei es möglich, nicht nur regelmäßig in der Königsklasse zu spielen, sondern dort auch mithalten zu können.
Dass die Großstadt in der Provence ein schlüpfriges Terrain für Trainer ist, zeigt schon die Tatsache, dass hier seit Rudi Garcia (2016 bis 2019) kein Übungsleiter auch nur zwei Jahre am Stück durchgehalten hat. Sampaoli, Tudor, Marcelino, Gattuso, Gasset hießen De Zerbis Vorgänger, der sich im Sommer 2024 trotz zahlreicher anderer Angebote – unter anderem vom FC Bayern – nach seinem Weggang aus Brighton für OM entschied.
„Nach Marseille zu kommen, war eine der besten Entscheidungen, die ich je getroffen habe“, sagt De Zerbi
Doch schon im Herbst plagten den Fußball-Lehrer Selbstzweifel, nach einem 1:3 gegen Aufsteiger Auxerre im November bot er seinen Rücktritt an („wenn es an mir liegt, gehe ich, auch ohne Abfindung“). Später relativierte er: „Ich werde nicht fliehen, das bin ich auch nicht in Donezk, als Putin begann, Bomben auf Kiew zu werfen.“ Anfang April kamen dann Gerüchte auf, er sei bei seinem schwächelnden Heimatklub AC Mailand für die Saison 2025/26 vorgesehen. De Zerbi dementierte vehement und sagte nur wenige Wochen später: „Ich habe in meiner Karriere viele Fehler gemacht, aber nach Marseille zu kommen, war eine der besten Entscheidungen, die ich je getroffen habe.“
Letztendlich gingen viele Schachzüge des Coaches und der Klubführung um Präsident Pablo Longoria, Sportdirektor Mehdi Benatia und Berater Fabrizio Ravanelli auf. Mason Greenwood, 23, bei ManUnited nach einer später fallengelassenen Vergewaltigungsanklage nicht mehr berücksichtigt, wurde gemeinsam mit PSG-Stürmer Ousmane Dembélé mit 21 Treffern Schützenkönig. „Er ist noch relativ jung und hat das Potenzial, einer der besten der Welt zu werden“, sagte der frühere Bayern-Profi Benatia zuletzt bei RMC Sport über Greenwood.
Auch die Mittelfeldstrategen Adrien Rabiot und Pierre-Emile Höjbjerg waren Verstärkungen, außerdem verpflichtete man den algerischen Nationalspieler Amine Gouiri aus Nizza, der prompt in 14 Spielen zehnmal traf.

Gegen Ende der Saison trat der Taktiker De Zerbi auf den Plan, änderte das System von Dreier- auf Viererkette und zog mit der Mannschaft in ein mehrwöchiges Trainingslager in Rom, aus dem das Team immer nur zu den Spielen nach Frankreich reiste. Kaum hatte der 50-Personen-Tross im Hotel Cavalieri Hilton Quartier bezogen, starb Papst Franziskus. Die Bosse legten einen Kranz nieder. Letztendlich rechtfertigte die Direktqualifikation für die Champions League die enormen Kosten für das Exil in Italien, die im hohen sechsstelligen Bereich gelegen haben sollen.
Bevor der Klub dann selbst wieder oben mitmischt, muss OM nur noch das Münchner Finale am Samstag überstehen. Die Stadt Marseille hat schon mal Sicherheitsmaßnahmen veranlasst für den Fall, dass das verhasste Paris verliert, dann könnten die Jubelfeiern der Olympique-Fans eskalieren. Und Trainer De Zerbi schaut sich eine Serie an.