Christian Angermayer: KI, Psychedelika und die Zukunft der Menschheit – Wirtschaft | ABC-Z

SZ: Herr Angermayer, Sie sagen, der Mensch sei ganz schlecht im Umgang mit großen Veränderungen. Jetzt verändert künstliche Intelligenz (KI) die Welt in rasendem Tempo. Wie lange noch, bis die Menschheit kollektiv den Verstand verliert?
Christian Angermayer: Ich glaube, wir sind bereits mittendrin. „Verstand verlieren“ passt aber nicht ganz. Es ist eher eine Mischung aus Depression, Angst und Panik.
Panik wovor?
Dank KI, kombiniert mit Robotik, werden wir in vielleicht schon in zehn, 15 Jahren praktisch keine menschliche Arbeit mehr brauchen. Über die letzten zehntausend Jahre haben wir aber Identität, Selbstwertgefühl, finanzielle Sicherheit und den Schutz der Familie extrem an den Beruf geknüpft. Wenn man wen trifft, fragt man oft gleich: Was machst du beruflich? Der mögliche Wegfall dieser Kernsicherheit schürt Angst und Panik in nie dagewesenem Ausmaß.
Zu Recht, oder?
Nein. Ich glaube, dass wir dank immenser Effizienzgewinne und Kosteneinsparungen praktisch allen Menschen die gleiche Kaufkraft wie heute geben können – auch wenn sie deutlich weniger arbeiten oder gar keinem Job im heutigen Sinne nachgehen werden. Ich bin sehr optimistisch, dass es uns allen besser gehen wird. Wenn wir vom Arbeitszwang befreit sind, können wir uns selbst verwirklichen. Das Problem ist für mich nicht der Endzustand, sondern der Übergang.
Im biblischen Sinn würde das bedeuten: Die Menschheit ist auf dem Weg ins Paradies – muss aber erst mal durchs Fegefeuer?
Leider sehr treffend formuliert. Wir haben die negative Blaupause vor uns: die Zeit von 1850 bis 1910. Da gab es Elektrizität, Auto, Telefon, Eisenbahn – alles Innovationen, die damals so weltverändernd waren wie heute KI und Robotik. Die Eliten waren begeistert: „Das wird die Welt verändern – und zwar positiv.“ Dieser Optimismus spiegelt sich zum Beispiel in den Geschichten von Jules Verne wider: Raketen zum Mond, U-Boote, Flugzeuge. In 180 Tagen um die Welt.
Es gab aber auch Unsicherheit – genau wie heute.
Genau. Und Unsicherheit erzeugt Angst, und Angst bringt das Schlechteste in uns Menschen zum Vorschein. Aus der Gegenreaktion zum Optimismus entstanden die zwei für mich schlimmsten Ideologien der letzten 200 Jahre: Nationalsozialismus und Kommunismus. Beides negative, negierende Ideologien, die vermeintlich einfache, aber grundfalsche Antworten auf die Ängste der breiten Bevölkerung geben. Erst nach zwei Weltkriegen wurden die Träume wahr: Wir haben Raketen gebaut und sind auf dem Mond gelandet.
Wenn der Preis fürs KI-Schlaraffenland ein Weltkrieg ist: Nein, danke!
Da stimme ich Ihnen hundertprozentig zu. Wir müssen uns als Gesellschaft viel mehr Gedanken über den Übergang zu einer KI-Welt machen, als wir es aktuell tun.
Auch Sie schüren Angst – mit dem Satz: „Die USA müssen das Rennen um KI-Vorherrschaft gewinnen.“ Damit erzeugen Sie Furcht vor der einzigen ebenbürtigen Konkurrenz: China.
Das eine schließt das andere nicht aus. Ich kann mir große Sorgen über den Übergang machen – und gleichzeitig sagen, dass ich mich deutlich wohler fühlte, wenn der Westen das KI-Rennen gewinnen würde. Die dominante wirtschaftliche und militärische Supermacht drückt der Welt immer ihren Stempel auf. Ich spreche jetzt nur für mich: Wo will ich leben? Da kann ich ganz klar antworten: Ich persönlich will nicht in einer von China dominierten Welt leben. Das sind nicht die Werte, für die ich stehe. Daher ist KI das Rennen, das der Westen nicht verlieren darf – weil wir sonst auf lange Sicht Vasallenstaat von China sein werden.
Und Europa?
Hat das Rennen schon verloren. Der Unterschied zwischen KI und früheren bahnbrechenden Erfindungen ist: Es gibt diesen extremen exponentiellen Wachstumseffekt. KI verbessert sich inzwischen schon größtenteils selbst. Wenn man zu sehr zurückfällt, kann man nicht mehr aufholen. Und Europa ist ja nicht mal zum Rennen angetreten. Stattdessen steckt man sehr viel Energie in Regulierung von etwas, das man gar nicht hat. Ich bin überzeugt, dass KI der auf absehbare Zeit letzte große Innovationszyklus der Menschheit sein wird. Wer vorn liegt, kann lange nicht mehr verlieren.
Das bedeutet aus Ihrer Sicht: Deutschland wird ein Vasallenstaat – ob von den USA oder China.
Ich versuche, die Welt nicht so zu sehen, wie ich sie gerne hätte. Sondern: wie sie ist. Und dann sage ich ehrlich, was ich sehe. Derzeit sehe ich leider keine andere Zukunft, weil wir einfach so weit hinten dran sind und in Europa viel zu wenig passiert. Aber: Der Zustand als Vasallenstaat – ich nutze den Begriff ganz bewusst, weil er ein wenig provoziert – muss nicht schlecht sein. Wir haben in Europa durchaus große Chancen. In Luft- und Raumfahrttechnik, Robotik und Quantentechnologien sind wir zum Beispiel sehr gut aufgestellt und können global mitspielen. Ich mache mir, wie gesagt, weitaus mehr Sorgen wegen der Übergangszeit.
Haben Sie eine Lösung?
Vielleicht einen Baustein: Es gibt einen Fachbegriff für dieses Gefühl, wenn einem der Teppich unter den Füßen weggezogen wird: adjustment disorder. Wir haben als Menschheit zum ersten Mal ein Mittel zur Verfügung, das beim Übergang helfen kann; also mit Trauma, Angst und Panik umzugehen und uns neu zu erfinden: Psychedelika.
Ihr Lieblingsthema: die Legalisierung von Psychedelika. Derzeit sind viele als Drogen eingestuft und verboten.
Einige Psychedelika waren Arzneimittel – bevor sie aus politischen Gründen unter Richard Nixon verboten wurden, weil er der Hippie- und Anti-Vietnam-Bewegung schaden wollte. Ich arbeite mit meiner Firma Atai Beckley in keinster Weise an Legalisierung – sondern an einer Rückkehr als zugelassene Arznei. Unter strengsten Auflagen, also Einnahme nur unter ärztlicher Aufsicht. Wie Chemotherapie, die ja auch nicht mit nach Hause genommen werden darf.
Magic Mushrooms als neues Opium fürs Volk?
Ich mag die Wertung darin nicht, dass Religion nur Opium sei.
Glauben Sie an Gott?
Ja. Und ich erachte Religion als Kernanker für unsere Menschlichkeit.
Das müssen Sie erklären.
Es ist nicht einfach, ein Mensch zu sein. Wir alle haben diese, nennen wir es mal, Mini-Traumata: Angst, dass den Kindern was passiert. Wenn das Leben normal läuft, werden deine Eltern vor dir sterben. Es muss nicht immer das eine große Trauma sein; es sind viele kleine Dinge, die an uns nagen. Jetzt kommt noch das eingangs beschriebene große Trauma unserer Zeit hinzu: dass sich die Welt in rasender Geschwindigkeit verändert. Was der Mensch meines Erachtens braucht, um das alles zu bewältigen: Glaube, Hoffnung, Liebe.
Der alte christliche Dreiklang.
Der meines Erachtens unsere Psyche gesund hält. Er erodiert schon seit Jahrzehnten. Deswegen habe ich derart viel Vertrauen in Psychedelika: Sie zeigen einem, dass es etwas gibt, das größer ist als man selbst. Das mag arg spirituell klingen, aber ich glaube, dass Psychedelika das perfekte Gegengewicht sind für die verrückte Zeit, in der wir leben.
Sie stammen aus einem kleinen Dorf in der Oberpfalz. Dort gilt Bier als Grundnahrungsmittel, Mushrooms als schlimme Droge.
Es ist genau umgekehrt! Immer heißt es: Folge der Wissenschaft! Dann tun wir das doch mal. Der britische Forscher David Nutt hat das Schadenspotenzial geläufiger Drogen quantifiziert, für sich und das Umfeld. Auf Platz eins, vor Heroin und Kokain: Alkohol. Psychedelika liegen auf dem letzten Platz, mit sehr geringen Risiken.
Jetzt mal ehrlich: Sie wollen mit Psychedelika doch nur Geld verdienen. Atai Bekley ist 1,5 Milliarden Dollar an der Börse wert.
Würden Sie das Gleiche sagen, wenn wir über ein Heilmittel für Krebs reden würden? Krankheiten wie Depressionen und Angstzustände sind das größte medizinische Problem unserer Zeit, gemessen an der Zahl der Patienten – und Psychedelika die größte Hoffnung.
Sie wollen ewig leben, Doping im Sport erlauben und Mushrooms legalisieren – und zwar als Linderung der Angst, die Sie mit Ihren KI-Prognosen fördern. Es ist also: ein Geschäft. Für Sie.
Ja. Und?
Es geht bei Ihnen immer ums Geld.
Noch mal: Ja, und? Ich erachte die Kombination von Kapitalismus und Demokratie als die bislang beste, um Wohlstand für alle zu schaffen. Viele Dinge, die Menschen wichtig sind, verdanken wir dem Kapitalismus: vom iPhone, mit dem Sie dieses Gespräch hier aufzeichnen, bis hin zum Krebsmedikament, um das Sie betteln würden, wenn Sie oder jemand, den Sie lieben, erkranken sollte. Das Streben nach Gewinn hat die Welt massiv positiv verändert. Sozialismus und Kommunismus hingegen haben nur Leid, Hunger und Tod gebracht. Aber wissen Sie, was das Lustige an unserer Diskussion ist?
Sagen Sie es mir!
Es ist gut vorstellbar, dass es im Zeitalter von KI und Robotik gar keinen Kapitalismus mehr geben wird – weil nahezu alles kostenlos produziert werden kann. Die Vision von „Star Trek“: eine wissenschaftsbasierte Gesellschaft, in der sich jeder Mensch frei verwirklichen kann und alle gemeinsam daran arbeiten, neue Welten zu erforschen.
Was machen Sie in diesem neuen Zeitalter? Mit Ihrem Vermögen könnten Sie sich zurücklehnen und tun, was immer Sie wollen …
Tue ich doch jetzt schon! Geld ermöglicht mir, genau das zu tun, was ich auch ohne Geld am liebsten tun würde. Unternehmertum ist Erschaffen und Kreieren. Momentan lebe ich diesen Schaffensdrang aus, indem ich Firmen gründe und finanziere. Wenn sich die Welt radikal verändert, werde auch ich mich radikal verändern müssen. Ich habe Spaß daran, mich immer wieder neu zu erfinden. Eventuell helfen mir ja Psychedelika dabei …
Sie reden sich leicht als Milliardär.
Das ist weder die Essenz dessen, wer oder was ich bin – noch bin ich so auf die Welt gekommen. Meine Eltern leben noch immer in einer 80-Quadratmeter-Wohnung. Dort übernachte ich, wenn ich sie besuche. Mein Lieblingsmotto: Die einzige Sache, die du brauchst, um erfolgreich zu sein, und die nichts kostet und allen freisteht: Disziplin.
Das Ex-Post-Mantra der Erfolgreichen: Du musst nur hart genug arbeiten.
Nein, es ist die Wahrheit. Das wirklich Schlimme ist der Opferkult, der aus Ihrer Reaktion spricht. Sich ständig als Opfer oder wehrloses Individuum zu sehen, ist eines der schlimmsten Verbrechen der Woke-Kultur. Man erzählt einer ganzen Generation: Du bist nie verantwortlich, es ist immer jemand anderes schuld. Das ist ein individueller Schaden für jede Person – und ein Gesamtschaden für die Bevölkerung, weil es alle zurückhält.
Sie stehen in der Kritik, manchmal unsaubere Abkürzungen zu nehmen.
Falls Sie etwas recherchiert haben, von dem ich nichts weiß, wäre jetzt der Moment, mich damit zu konfrontieren.
Das Portal Correctiv berichtete über Ihre Verbindung zum früheren Gesundheitsminister Jens Spahn von der CDU. Sie sollen an dessen Deals während der Corona-Pandemie mitverdient haben.
Wenn Sie jetzt linken Aktivismus mit Journalismus verwechseln, dann gute Nacht. Die Hypothesen sind so unseriös und konstruiert, dass ich sie mir nur mit Hysterie und Panik erklären kann – wir haben eingangs schon besprochen, woher das kommen könnte. Um Sie zu beruhigen: Jens und ich sind nur befreundet. Ich halte Jens für einen der besten Politiker Deutschlands. Das linke Establishment arbeitet sich nur an ihm ab, weil es merkt, dass es – auch dank Jens – an Bedeutung verliert.
Und was ist mit Spahns Maskendeals?
Merken Sie was? Allein in Ihrer Bezeichnung „Maskendeals“ steckt ja schon eine bewusste Wertung. Es ging um Beschaffung in einer Jahrhundertkrise. Lassen Sie mich als Außenstehender sagen: Spahn vorzuwerfen, er habe zu viele oder zu teure Masken beschafft, ist absurd. Alle haben nach Masken geschrien, und der Gesundheitsminister hat in puncto Masken genau so gehandelt, wie es alle zu Recht gefordert haben: „Menschliches Leben darf kein Preisschild haben“. Jetzt im Nachhinein zu sagen: „Oh, das waren aber zu viele“ – das ist unterste Schublade.
Lassen Sie uns über Einfluss der Tech-Branche auf die Politik reden. Mit der aktuellen US-Regierung scheinen Sie sehr zufrieden zu sein.
Es gibt immer Sachen, die man kritisieren kann. Ich glaube aber, dass das, was diese Regierung tut, für die Amerikaner netto extrem positiv sein wird. Die Europäer sollten sich darauf einstellen, dass J. D. Vance 2028 zum US-Präsidenten gewählt wird.
Vance hat seine Karriere in der Firma Ihres Freundes Peter Thiel begonnen, der ihn dann als Politiker extrem gefördert hat. Die womöglich einmal mächtigste Person der Welt: Es wäre Thiels Kandidat.
Wenn Vance gewinnen wird, dann nicht, weil ihn wer installiert hat, sondern weil ihn die Mehrheit der US-Bürger wählt – wie Donald Trump demokratisch von einer Mehrheit gewählt wurde.
Sie verstehen aber, dass viele Deutsche auf Amerika schauen und sagen: Was in aller Welt ist denn da los?
Viele Deutsche denken das, weil ihnen einige Medien ein völlig falsches Bild vermitteln. Die Wahrheit ist doch eher: Die ganze Welt schaut auf Europa und vor allem Deutschland und fragt sich: Was in aller Welt ist denn da los?
Sie sind eng mit der Familie des Präsidenten befreundet sowie dem halben Kabinett. Haben Sie keine Sorge, dass jemand sagen könnte: Mit welchen Leuten treibt sich der Angermayer denn da herum?
Wir können uns in fünf Jahren zum Folgeinterview verabreden. Wir werden feststellen müssen, dass die aktuelle deutsche Politik, vor allem bei den Themen Innovation und Immigration, ein komplettes Desaster ist – und Deutschland vor unseren Augen ruiniert wird. Und dass Trump die USA wieder auf den richtigen Weg gebracht hat, was Wohlstand für alle Bürger und globale Dominanz angeht. Kurzum: Ich fühle mich ganz wohl mit meinen Kontakten.

Was ist mit Trumps Versuchen, die Demokratie auszuhöhlen?
Völliger Quatsch. Die US-Demokratie ist so gestaltet, dass der Präsident vier Jahre lang sehr viel Macht hat, fast königsgleich. Trump nutzt die Macht, die ihm dieser Wahlerfolg beschert hat. Wenn die Leute immer sagen: „Der will die Demokratie abschaffen“ – sage ich: Er lebt Demokratie. Meiner Meinung nach hat Trump die Chance, von der Geschichte als der bedeutendste US-Präsident seit Roosevelt bewertet zu werden.
Wie soll das passieren?
Am Ende hat Trump zwei Ziele: den drohenden Staatsbankrott der USA verhindern, und die westliche Welt wieder so auf Vordermann bringen, dass wir im Konflikt mit China gemeinsam eine Chance haben. Bezüglich der Staatsfinanzen muss er zwei Dinge gleichzeitig erreichen: Wachstum von mehr als fünf Prozent und Abwertung des Dollars gegenüber anderen Assets. Gleichzeitig müssen die USA Bestände an Sachwerten wie Aktien, Immobilien, Gold und Bitcoin aufbauen – und dafür sorgen, dass ihre Staatsanleihen möglichst wenig von US-Institutionen und Privatanlegern gehalten werden. Das alles setzen sie mit beeindruckender Stringenz um. Was die Außenpolitik angeht: Trump und Vance sind davon überzeugt, dass man das christlich-jüdische Abendland wieder vereinen muss, um gegen China eine Chance zu haben. Und sie glauben, dass Europa nur dann ein starker und verlässlicher Partner sein kann, wenn wir die unkontrollierte Zuwanderung beenden. Soweit ich das sehe, haben Trump und Vance im ersten Jahr bei beiden Themen beeindruckende Erfolge vorzuweisen.
Sie müssen aber zugeben: Zuwanderung hat positive Aspekte – Stichwort Arbeitskräfte zum Beispiel.
Wenn es in zehn Jahren praktisch keine Jobs mehr gibt, dann ist das Letzte, was man will: noch mehr minderqualifizierte Einwanderer.
Sie scheinen regelrecht Trump-Fan zu sein.
Ein trauriger Fan. Mich würde es viel mehr freuen, wenn wir in Deutschland alles richtig machen würden. Ich lebe zwar schon lange nicht mehr dort, habe aber immer noch etwas Patriotismus in mir. Und ich freue mich für die Amerikaner.





















