Mit Jonas Kaufmann entwickeln die Tiroler Festspiele überregionale Strahlkraft – München | ABC-Z

Seit Jonas Kaufmann Intendant in Erl geworden ist, finden regelmäßig Weltstars ihren Weg zu den Tiroler Festspielen. Da erstaunt es kaum noch, dass es nun auch die großen Münchner Orchester in die Berge der bayerisch-österreichischen Grenzregion zieht. An diesem Samstag beginnt im Festspielhaus eine neue Reihe, bei der Mitglieder der Münchner Philharmoniker und des Bayerischen Staatsorchesters in unterschiedlichen Formationen Kammermusik spielen werden. „Ich warte auf den Anruf des BR-Symphonieorchesters, ob sie auch mittun wollen“, sagt Andreas Leisner grinsend im Gespräch.
Als Künstlerischer Betriebsdirektor und Geschäftsführer ist Leisner die rechte Hand von Kaufmann, einer, der „die inhaltliche Vision des Intendanten umsetzt“, wie er zurückhaltend formuliert. Der wahrscheinlich aber auch selbst ziemlich viel einbringen kann, nachdem Kaufmann noch auf einigen anderen Bühnen gefragt ist. Die Vision war dabei von Beginn an eine doppelte: einerseits die überregionale Strahlkraft zu stärken – was bereits gelungen ist –, und andererseits die Festspiele verstärkt an die Region anzubinden, als „Nahversorger mit hochwertigen Produkten“, wie Leisner das nennt.
Genau das soll die neue Reihe leisten: Menschen aus Erl und Umgebung Kammermusik auf hohem Niveau zu bieten, die nicht eigens zu den Kammermusikreihen anreisen können oder wollen, die alle großen Münchner Orchester in München betreiben. Wozu erschwingliche Einheitspreise im Festspielhaus beitragen sollen. „Wir wollen unser Unternehmen bei den Menschen vor Ort verankern“, sagt Leisner. Bernd Loebe, Kaufmanns Vorgänger, habe das vernachlässigt.
Leisner, muss man an dieser Stelle wissen, gehörte schon fest zum Team von Gustav Kuhn, in diversen Funktionen neben dem charismatischen, charakterlich aber nicht unproblematischen Gründer. Nachdem Kuhn auf dem Höhepunkt der Metoo-Bewegung gestürzt war, leitete Leisner die Festspiele ein Jahr lang interimistisch. Mit Loebes Amtsantritt trennte man sich, Kaufmann hat Leisner Expertise zurückgeholt nach Erl. Und damit auch die Kammermusikkonzerte, die es, damals nur mit den Münchner Philharmonikern, schon unter Kuhn gab.
„Zwischentöne – Musik zwischen den Festspielen“ heißt die erweiterte Reihe nun, weil sie zwischen den vier Hauptsaisons stattfindet. Angesichts eines gut gefüllten Spielplans kann man sich tatsächlich fragen, ob die „Festspiele“ nicht inzwischen auf dem Weg zu einem ganzjährigen Spielbetrieb sind. Für Leisner geht es eher um die Signalwirkung: dass hier beständig etwas stattfindet, auch wenn gerade keine Stars und Besucher von überall her anreisen.
Regional verankerte Besucher mit Kammermusik anzulocken, ist dabei sicher nicht das leichteste Unterfangen, gilt sie doch als deutlich elitärer als Opern und Orchesterwerke mit ihren großen Knalleffekten. Auf Populäres setzt das Eröffnungskonzert jedenfalls nicht, dafür auf ein klares Konzept: Mit „Phantasies“ erinnert ein Streichquartett der Münchner Philharmoniker an die Idee des britischen Mäzens Walter Willson Cobbett aus dem Jahr 1905, eine barocke Form wiederzubeleben, die 250 Jahre zuvor Henry Purcell maßgeblich geprägt hatte. Gleich zwei Komponistinnen sind dabei vertreten: Imogen Holst, die Tochter des bekannteren Gustav Holst, die als Mitarbeiterin Benjamin Brittens, als Biographin, aber eben auch als Komponistin ein umfangreiches Werk hinterlassen hat. Und Ethel Symth, die Komponistin und Frauenrechtlerin, deren Werke in den jüngsten Jahren bereits wiederentdeckt worden sind, besonders die Oper „The Wreckers“.
Klar, sagt Leisner, mit Mozart und Brahms – zu hören dann beim nächsten Konzert im Februar vom Bayerischen Staatsorchester – hätte er es leichter gehabt, aber er sei „ein passionierter Kämpfer ums Publikum“. Am Vortag jedenfalls sind im Saalplan noch etliche Plätze frei. Doch Erl ist zuzutrauen, dass es seine Visionen entschieden genug umsetzt.
Zwischentöne, erstes Konzert am Samstag, 11. Oktober, 19 Uhr, im Festspielhaus Erl; Karten zu 30, ermäßigt 10 Euro auf www.tiroler-festspiele.at sowie an der Abendkasse





















