Wirtschaft

Neues Konzept erhöht Fluglärm im Nordwesten | ABC-Z

Seit der Erweiterung des Frankfurter Flughafens um die Landebahn Nordwest hat die sogenannte Südumfliegung bei Westbetrieb in der Theorie der Planer zwei Funktionen: Erstens sollten die Kommunen westlich des Flughafens entlastet werden, die schon bei Ostbetrieb durch niedrige Landeanflughöhen von teils nur 250 Metern auf die Piste jenseits der A 3 besonders stark unter Fluglärm leiden. Sie sollten nicht auch noch bei Westbetrieb durch mehr Überflüge – dann startender Flugzeuge – belastet werden, wie es seinerzeit hieß. Daher sollten die Nordwest-Abflugstrecken möglichst wenig genutzt werden.

Außerdem sollte die Südumfliegung dazu dienen, den Luftraum westlich der Nordwestlandebahn frei zu halten für den Fall, dass eine Landung auf der vierten Piste misslingt und das Flugzeug in Richtung Westen durchstarten muss. Maschinen, die vom alten Parallelbahnsystem, vornehmlich von der Centerbahn in Richtung Westen, starten, sollten nach dem bisherigem Betriebskonzept die Gefahrenzone südlich umfliegen, sobald sich ein anderes Flugzeug im direkten Anflug auf die Landebahn Nordwest befindet.

Vergrößerte Sicherheitsabstände brauchen mehr Kapazität

In der Praxis hat sich allerdings den Angaben von Flughafenbetreiber Fraport und der Deutschen Flugsicherung (DFS) zufolge herausgestellt, dass sich diese Abhängigkeit von Nordwestlandebahn und Starts vom Parallelbahnsystem geringer auf die Kapazität des Flughafens auswirkt als angenommen. Dagegen habe man durch eine „schwere Störung“ im Jahr 2011 festgestellt, dass die Starts von der Centerbahn auf die Südumfliegung einen größeren Abstand zwischen den Landungen auf der Südbahn erzwingen als ursprünglich geplant. Auch dabei geht es darum, für den Fall eines Durchstartens nach fehlgeschlagener Landung genug Abstand zu den regulär startenden Flugzeugen sicherzustellen. Das wiederum wirkt sich aber den Angaben zufolge ebenfalls massiv mindernd auf die Kapazität aus.

Bei der „schweren Störung“ hob ein Flugzeug von der Centerbahn zur Südumfliegung ab, während ein Flugzeug die Landung auf der Südbahn abbrach und durchstartete. Im letzten Moment habe ein Fluglotse der Maschine unmittelbar vor dem Einschwenken auf die Südumfliegung die Weisung zum Geradeausflug erteilt und so Schlimmeres verhindert. Vor allem die in der Folge dieses Ereignisses vergrößerten Sicherheitsabstände zwischen den einzelnen Landungen auf der Südbahn haben Fraport und DFS zufolge dazu geführt, dass bei Betriebsrichtung West erheblich weniger Abflüge zur Südumgehung über die Centerbahn abgewickelt werden können als ursprünglich angenommen.

Als weiterer Irrtum hat sich den Angaben zufolge die Annahme erwiesen, die Starts von der Centerbahn zur Südumfliegung könnten unabhängig vom Betrieb der Startbahn 18 abgewickelt werden. Tatsächlich hätten Lotsen heikle Annäherungen durch ihr Eingreifen verhindern müssen. Daher würden aus Sicherheitsgründen der Betrieb der Startbahn 18 und Starts von der Centerbahn zur Südumfliegung unmittelbar aufeinander abgestimmt. So darf laut DFS die Startbahn 18 erst dann freigegeben werden, wenn die von der Centerbahn zur Südumfliegung startenden Flugzeuge die Mitte der 4000 Meter langen Startbahn 18 oder schon mindestens eine Flughöhe von 300 Metern erreicht hat. Auch das kostet mehr Kapazität.

Glaubwürdigkeit massiv erschüttert

Alle diese Irrtümer und deren Korrekturen haben heikle Folgen, denn Fraport und die DFS arbeiten nun gerade ein neues Betriebskonzept aus, das bei hohem Verkehrsaufkommen vorsieht, Abflüge bei hohem Verkehrsaufkommen über die Nord- und Nordwest-Abflugstrecken abzuwickeln. Das führt zu einer Mehrbelastung der westlichen Anrainer. Im Resümee heißt es bei der Flugsicherung, dass es künftig mehr Überflüge im Nordwesten geben wird. Demnach werden also die schon bei Ostbetrieb durch den Lärm landender Flugzeuge stark belasteten Anrainerkommunen im Westen nun zusätzlich belastet. Die Südumfliegung ist ursprünglich tragender Teil des komplexen Betriebs- und Routensystems, das nach Inbetriebnahme der Nordwestlandebahn 2011 neu geordnet wurde. Das Routensystem ist auf das Ziel des Flughafenausbaus gerichtet, die Kapazität auf gut 700.000 Starts und Landungen im Jahr zu erhöhen.

Der Punkt, an dem das bisherige Betriebskonzept nicht mehr funktioniert, ist laut Fraport spätestens dann erreicht, wenn 110 Starts und Landungen je Stunde in Frankfurt erreicht sind. Diese als Stundeneckwert bezeichnete Größe beträgt in Frankfurt derzeit 104 Flugbewegungen plus zwei Flugbewegungen als Reserve für außergewöhnliche Umstände wie extreme Wetterlagen. Für Frankfurt gilt seit dem Ausbau der Kapazität ein maximaler Stundeneckwert von 126 Flugbewegungen. Tatsächlich sei man aber schon heute in Spitzenzeiten mit dem bisherigen Betriebskonzept viel früher am Limit, heißt es bei Fraport weiter. Um auch in Zukunft das prognostizierte Wachstum in Frankfurt „stabil und nachhaltig“ bewältigen zu können, sei daher das neue Betriebskonzept nötig. Fraport sieht sich damit auch nach wie vor im Einklang mit der Planfeststellung zum Flughafenausbau.

Der Vorsitzende der Fluglärmkommission und Offenbacher Flughafendezernent Paul-Gerhard Weiß (FDP) sprach am Dienstagabend nach einer Unterrichtung der Anrainerkommunen dagegen von einer bitteren Enttäuschung vor allem für die Kommunen westlich des Flughafens. Seine Stadt Offenbach sei diesmal nicht betroffen, dafür Städte wie Flörsheim, Hochheim und etliche weitere Kommunen umso mehr. Die Glaubwürdigkeit der Verantwortlichen sei massiv erschüttert.

Schließlich sei die Südumfliegung in der Diskussion um den Flughafenausbau und die Planfeststellung als ein zentrales Instrument zur Entlastung der besonders stark vom Fluglärm betroffenen Kommunen im Westen des Flughafens genannt worden. Am Ende hätten offensichtlich dann doch Experten wie Dieter Faulenbach da Costa, Flughafenplaner und langjähriger Berater der Stadt Offenbach in Sachen Fluglärm, recht behalten. Dieser hatte schon vor Jahren kritisiert, dass die Südumfliegung ohne massive Kapazitätsverluste wegen des schwierigen Flughafenlayouts in Frankfurt nicht funktionieren könne.

Back to top button