„Bundeskanzler hat einen Fehler gemacht“ | ABC-Z

In den letzten Minuten vor Sandra Maischbergers Talkrunde am Mittwoch war es dann so weit: Fraktionsvertreter von Union und SPD haben nach wochenlangem Streit eine Einigung über das neue Wehrdienstgesetz erzielt. Was genau es beinhaltet, ist noch nicht bekannt, im Studio von Sandra Maischberger herrschte jedoch schnell Einigkeit über die Richtung.
„Wir werden keine Berufsarmee mit Zwangseinberufung bekommen, sondern eine Freiwilligenarmee”, brachte es The Pioneer-Gründer Gabor Steingart auf den Punkt. Kurz zuvor hatte Verteidigungsminister Boris Pistorius in einem Einspieler die Dringlichkeit der aktuellen Gefahrenlage betont. Deutschland müsse seine „Abschreckung und Verteidigungsfähigkeit stärken“ und Verantwortung übernehmen, „weil es sonst niemand für uns tun wird“. Dafür braucht es unter anderem eine neue Form des Wehrdienstes.
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Kontrahenten gehen respektvoll miteinander um
Die veränderte sicherheitspolitische Lage beschäftigt auch die beiden (theoretischen) Duellanten des Abends. Zwei Männer, die laut Maischberger zwar beide Teil der Regierung, „außenpolitisch aber fast nie einer Meinung” sind. Trotzdem blieb das Gespräch zwischen CDU-Politiker Roderich Kiesewetter und SPD-Außenpolitiker Ralf Stegner respektvoll.
„Wir diskutieren über die Frage, wie man der Ukraine beisteht, und nicht wie die AfD, ob man ihr beistehen muss“, stellte Stegner direkt zu Beginn die wichtigste Gemeinsamkeit klar. Danach gingen die Meinungen jedoch weit auseinander: Während Kiesewetter dafür plädierte, den Krieg weiter „auf die Seite des Aggressors” zu tragen und mehr Waffen an die Ukraine zu liefern, warnte Steingart vor einer Eskalationsspirale. Die Vorstellung, Putin mit immer mehr Waffenlieferungen an den Verhandlungstisch zu zwingen, sei bisher gescheitert, argumentierte der SPDler und lobte die Entscheidung von Friedrich Merz, auf die Lieferung von Taurus-Raketen zu verzichten.
Kiesewetter: Merz hätte Taurus-Marschflugkörper liefern müssen
Ein Thema, bei dem Kiesewetter scharf widerspricht. „Der Bundeskanzler hat einen Fehler gemacht, sein Versprechen nicht einzuhalten“, sagte der CDU-Politiker. Merz hatte als Oppositionsführer selbst Druck auf seinen Vorgänger Olaf Scholz ausgeübt und Taurus-Lieferungen in Aussicht gestellt, nur um sich als designierter Bundeskanzler dagegen auszusprechen. Mit dieser Fehlkommunikation, so Kiesewetter, habe der Bundeskanzler „viel eingebüßt und auch die Union viel an Glaubwürdigkeit verloren.“ Insbesondere, da es aus seiner Sicht keinen „rechtlichen Grund“ gebe, die Marschflugkörper nicht zu liefern. „Taurus wird bei uns immer als Wundermittel bezeichnet. Das ist eine Waffe, die es auch in anderen Ländern gibt, die Russland jeden Tag einsetzt“, argumentierte er.
Zwar sieht auch Stegner die Bedrohung durch Russland, er warnt jedoch davor, die NATO als schutzlos hinzustellen oder in Alarmismus zu verfallen. Deutschland habe bereits enorm viel für die Ukraine geleistet, das werde in seinen Augen oft kleingeredet. „Wir müssen verteidigungsfähig werden, aber wir sollten es bitte nicht übertreiben, als stünden wir vor dem nächsten Krieg. Das sind wir nicht“, betonte er. Kiesewetter schätzt die Lage deutlich ernster ein: „Wir wollen nicht Kriegspartei werden, aber Putin sieht uns als Kriegsziel.“ Sabotageakte, Cyberangriffe und Drohnenflüge seien Belege genug. Um Deutschland vor weiteren Angriffen zu schützen, stellte sich Kiesewetter mit Nachdruck hinter Verteidigungsminister Pistorius, der forderte, Deutschland müsse bis 2029 „kriegstüchtig“ sein. „Das war einer der wesentlichsten Sätze eines Sozialdemokraten seit Helmut Schmidt“, lobte Kiesewetter im Studio, „weil er verstanden hat, worum es geht: um Freiheit und Sicherheit.“
Wehrdienst: Musterung für alle
Mit Blick auf die Wehrdienst sprachen sich sowohl Kiesewetter als auch Stegner für ein Modell, bestehend aus „Musterung für alle und Freiwilligkeit” aus. Das einst angedachte Losverfahren bezeichnete der SPD-Politiker auch rückblickend als „absurd”: „Es geht nicht um Ferienfreizeiten, die da verlost werden, sondern im Zweifelsfall um Leben und Tod.”
Am Ende gingen die beiden trotz widersprüchlicher Positionen mit einem Handschlag auseinander und Sandra Maischberger verbrachte den Rest des Abends mit dem Kabarettisten Dieter Nuhr, der sich in nur 10 Minuten sowohl über die Grünen, Friedrich Merz als auch über Tino Chrupallas Auftritt bei Markus Lanz amüsierte.

















