Interkulturelle Begegnungen in Unterschleißheim: Projekt gegen Antisemitismus und Islamfeindlichkeit – Landkreis München | ABC-Z

Wie kann man Antisemitismus und Islamfeindlichkeit bekämpfen? Und woher kommt der Hass? Diese Fragen haben sich zehn Elftklässler des Carl-Orff-Gymnasiums in Unterschleißheim im Rahmen eines Projekt-Seminars gestellt. Dafür reisten sie nach Amsterdam, befragten Menschen auf der Straße und recherchierten selbst Zahlen und Fakten zu Rassismus in Deutschland. Ihre Erfahrungen und Erkenntnisse präsentierten die Schülerinnen und Schüler am Montagabend unter dem Motto „Shalom und Salam − gemeinsam gegen Hass“ vor Publikum in der Aula ihrer Schule. Anschließend moderierten sie noch eine Gesprächsrunde mit Experten und Vertretern verschiedener religiöser Institutionen. Die fünf Gäste waren sich am Ende mit den Schülern einig, dass Vorurteile vor allem durch Begegnungen und interkulturellen Austausch abgebaut werden können.
„Wie viel hast du eigentlich bei deinem Nebenjob verdient?“ „War ja klar, dass der Jude nur auf das Geld schaut.“ „Hey, was soll das denn?“ „Und der Moslem wird natürlich gleich wieder aggressiv.“ „Ey, das ist voll rassistisch und antisemitisch!“ Mit einer kleinen schauspielerischen Einlage eröffnen vier Schüler die Präsentation und leiten gleichzeitig zum Thema hin. Danach berichten die Teilnehmenden des Seminars unter Leitung von Sabine Thierfelder von ihrer Exkursion nach Amsterdam. In Form eines VLogs, ganz im Youtube-Stil, haben die Schülerinnen und Schüler ihre Reise festgehalten. Neben Szenen vom Flug und dem Abendessen werden hier auch eine Stadtführung und ein Besuch des Anne-Frank-Hauses dokumentiert. Auch eine Moschee durfte die Gruppe besichtigen und mit deren Imam über die derzeitige Situation von Muslimen in der Stadt reden.
Zurück in Deutschland ging es weiter mit Recherche zu geschichtlichen Hintergründen und Ausprägungsformen des Antisemitismus und der Islamfeindlichkeit. Was sie dabei gelernt haben, präsentieren die Teenager zusammen mit Statistiken und Beispielen von rassistischen Vorfällen aus den letzten Jahren. Sie wurden aber auch selbst aktiv und befragten Passanten in Münchner Fußgängerzonen. „Was verbinden Sie mit dem Judentum und dem Islam?“, und „Haben Sie schon einmal selbst Antisemitismus oder Islamfeindlichkeit erlebt?“, wollten die Schülerinnen und Schüler in ihren Straßeninterviews unter anderem wissen. Auch das Publikum darf an diesem Abend noch Fragen beantworten. In einem Quiz wird zum Beispiel gefragt, wie das jüdische Neujahrsfest genannt wird. Rosch ha-Schana wäre die Antwort gewesen. Die Mehrheit der Anwesenden wusste es nicht.
Um die abschließende Gesprächsrunde zu starten, werden die Gäste mit Fragen zu ihrer Person vorgestellt. Der Menschenrechtsaktivist und ehemalige Journalist Terry Swartzberg erzählt von seiner prägendsten Erfahrung aus den 13 Jahren, in denen er nun schon in der Öffentlichkeit Kippa trägt. An einem Abend im Augsburger Bahnhofviertel sei er von einem großen, bärtigen Mann in grüner Bomberjacke aufgehalten und gefragt worden, ob er aus Jerusalem komme. Da habe er zunächst schon Angst bekommen. Doch der aus Algerien stammende Mann wollte ihm eigentlich nur ein Kompliment dafür machen, dass er seine jüdische Identität so in der Öffentlichkeit zeigt. Die Muslime in Deutschland sollten dies genauso machen. Dann hat Swartzberg sogar noch ein Bussi von dem Fremden bekommen. Mit solchen Geschichten möchte der Aktivist auch das Positive betonen: „Die meisten Juden, Muslime und Christen leben friedlich zusammen in Deutschland.“ Er sei überzeugt davon, dass das Land für Juden sicher ist.

Der Münchner Imam und Politikwissenschaftler Hamse Iriksous stimmt zu. Es laufe schon vieles gut und man fokussiere sich immer zu sehr auf das Negative. Allerdings berichtet er auch von Ängsten in der muslimischen Community. Fragen wie: „Wie sehr zeige ich meine Religion?“, würden sich viele tagtäglich stellen. Bettina Mehic, die Gymnasiallehrerin und Mitglied im Münchner Forum für Islam ist, kennt dies aus ihrem Alltag nur zu gut. Ihr ist es wichtig, mit Klischees zu brechen: „Ja, ich bin Muslima. Ja, ich trage Kopftuch. Aber ich bin auch Feministin und arbeite.“
Um Vorurteilen vorzubeugen, sei Bildung essenziell, aber Begegnungen seien noch wichtiger, sagt der Theologe und Religionswissenschaftler Andreas Renz von der LMU. Genau so eine interkulturelle Begegnung konnten die Teilnehmenden des Seminars bei einem Synagogenbesuch machen. Dort lernten sie Eva Haller kennen. Sie ist Mitbegründerin der Europäische Janusz Korczak Akademie, einer jüdischen Bildungseinrichtung und Vorstandsmitglied im Haus der Kulturen und Religionen in München. Zusätzlich gibt sie regelmäßig Führungen durch jüdische Gotteshäuser für Schulklassen. Dabei würden immer beide Seiten viel voneinander lernen.