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Tag der Entscheidung bei den Briten: Labour liegt laut ersten Prognosen deutlich vorn, Daten, Zahlen und Infografiken zur Unterhaus-Wahl im Vereinigten Königreich | ABC-Z

Bei der Parlamentswahl im Vereinigten Königreich deuten ersten Prognosen vom Wahlabend auf einen überwältigenden Erdrutschsieg der Labour-Partei hin. Der amtierende Premier Rishi Sunak muss demnach dramatische Verluste hinnehmen. Daten, Zahlen und Infografiken zur britischen Unterhaus-Wahl im Überblick.

Tag der Entscheidung im Vereinigten Königreich: Die Wahllokale in den vier Landesteilen England, Schottland, Wales und Nordirland haben um 22.00 Uhr (Ortszeit, 23.00 Uhr MESZ) geschlossen. Die Auszählung der Stimmen beginnt.

Ersten Prognosen zufolge kann die Labour-Partei mit einem überwältigen Sieg rechnen. Oppositionsführer Keir Starmer hat damit beste Chancen, den bisherigen Premierminister Rishi Sunak im Regierungsitz in der Londoner Downing Street abzulösen. Sunaks Konservative erleiden demnach herbe Verluste. Laut Prognose erhält die Labour-Partei 410 der 650 Sitze. Die Schwelle zur Mehrheit liegt im britischen Unterhaus bei 326 Sitzen. Die Konservativen kommen künftig wohl nur noch auf 131 Sitze.

Noch beruhen die Angaben allerdings nur auf Prognosen, die sich wiederum auf Nachwahlbefragungen stützen. Bis zur Auszählung aller Stimmen in den landesweit 650 Wahlkreisen dürfte es noch Stunden dauern. Mit einem vorläufigen Ergebnis wird erst in den frühen Morgenstunden gerechnet.

Insgesamt waren an diesem 4. Juli rund 46,6 Millionen registrierten Wahlberechtigten dazu aufgerufen, die Machtbalance im britischen Unterhaus neu zu bestimmen. Auslöser der vorgezogenen Neuwahlen war eine überraschende Entscheidung des amtierenden Premiers Sunak. Der konservative Tory-Chef suchte nach dem Kommunalwahl-Debakel Anfang Mai eine Art Befreiungsschlag – und dürfte damit ungewollt einen Machtwechsel auf den britischen Inseln eingeleitet haben.

Hinweis: Die Infografiken zur Unterhaus-Wahl 2024 werden laufend aktualisiert, sobald erste Auszählungsergebnisse aus den Wahlkreisen vorliegen.

Um Sunaks Chancen auf eine Wiederwahl steht es schlecht: In den Umfragen lag die oppositionelle Labour-Partei (Lab) bis zuletzt weit vor den regierenden Tories (Conservatives, Con). Die rechtspopulistische “Reform UK”-Partei (Ref. UK) könnte noch vor den Liberal Democrats (LibDem) drittstärkste Kraft werden.

Die rechtspopulistische Partei Reform UK von Nigel Farage, der einst den Brexit maßgeblich vorantrieb, dürfte erstmals ins Unterhaus einziehen. Experten rechnen damit, dass die ehemalige Brexit-Partei die Konservativen viele Stimmen am rechten Rand kostet.

Labour-Chef und Oppositionsführer Keir Starmer – möglicherweise Großbritanniens künftiger Premierminister – sprach von einer “Chance für einen Wandel zum Besseren”. Nach 14 Jahren sei es an der Zeit für einen Wechsel. “Stoppen Sie das Chaos”, rief er den Briten im Wahlkampf zu, “starten Sie ein neues Kapitel und beginnen Sie mit dem Wiederaufbau.”

Hinweis: Diese schematische Darstellung zeigt zum Vergleich die Ergebnisse der Unterhauswahl 2019.

Premier Sunak warb dagegen vor allem mit weitreichenden Steuersenkungen und einer harten Migrationspolitik um Stimmen. Zugleich präsentierte er sich als Garant für Sicherheit und wirtschaftliche Stärke.

“Jetzt ist der Moment für Großbritannien gekommen”, erklärte er Ende Mai bei einer Ansprache vor seinem Amtssitz in der Downing Street im strömenden Regen, “seine Zukunft zu wählen und zu entscheiden, ob wir auf den erzielten Fortschritten aufbauen wollen oder ob wir riskieren, ohne Plan und ohne Gewissheit zum Anfang zurückzukehren.”

Für den 44-jährigen Sunak ist diese Wahl der erste echte Test auf nationaler Ebene. Im Oktober 2022 war er ohne Urnengang von den Tories zum Parteichef ernannt worden und anschließend zum Premier aufgestiegen. “Ich bin derjenige, der bereit ist, mutige Maßnahmen zu ergreifen”, beteuerte Sunak. “Ich habe einen klaren Plan und so werde ich Ihnen und Ihrer Familie Sicherheit bieten.”

Offen war bis zuletzt, ob Sunaks Ankündigungen ausreichten, das Ruder noch einmal herumzureißen. “Die Menschen in Großbritannien sehnen einen Wechsel herbei”, meinte der Parteichef der Liberaldemokraten (LibDem), Ed Davey. “Und diese Wahl ist unsere Chance, diesen endlich herbeizuführen.” Die Umfragen deuteten bis zuletzt jedoch auf eine sehr ausgeprägte Wechselstimmung hin.

Großbritanniens amtierender Premierminister wirkte vor dem Wahltermin wie vom Glück verlassen. Zwei Wochen vor dem Votum muss sich Sunak einen neuen Wahlkampfchef suchen. Tony Lee, der Strategieplaner der konservativen Partei, geriet im Zusammenhang mit Wetten auf den Wahltermin ins Kreuzfeuer.

Lees Frau Laura Sanders, die für die konservativen Tories kandidiert, soll – möglicherweise mit Insiderwissen – auf einen Wahltermin im Juli gewettet haben. Wetten, die auf Insider-Informationen beruhen, sind in Großbritannien eine Straftat. Der Fall schlug auf der Insel hohe Wellen.

Die Liste der Skandale, politischen Pleiten und Verfehlungen der britischen Regierung unter Sunak ist lang. Die konservativen Tories sind im House of Commons, wie das britische Unterhaus offiziell heißt, seit der Labour-Niederlage unter Gordon Brown und dem Wahlsieg von David Cameron im Mai 2010 an der Macht.

Bei den regulär angesetzten Unterhauswahlen 2010 und 2015 konnte Camerons Tory-Lager die Mehrheit jeweils verteidigen – und selbst in Brexit-Wirren nach Camerons umstrittenem EU-Referendum und den außerplanmäßigen Neuwahlen im Juni 2017 und im Dezember 2019 konnten sich die Konservativen am Ruder halten.

Die britische Politik kam bisher dennoch nicht zur Ruhe: Seit der Abstimmung 2016 über den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU haben die Briten bereits fünf Premierminister aus dem Lager der Konservativen erlebt: Auf Cameron folgten Theresa May und später Boris Johnson, dann für wenige Wochen Liz Truss, bis schließlich Rishi Sunak als kurzfristig aufgestellter Ersatzkandidat im Herbst 2022 die Regierungsgeschäfte in der Downing Street Nr. 10 von Truss übernahm.

Gründe für einen Niedergang der Konservativen in der Wählergunst gibt es viele. Vor allem aber, so betonen Beobachter, haben die zahlreichen Skandale und Affären, vor allem unter dem früheren Premierminister Johnson, das Vertrauen der Menschen in die Tory-Partei zerstört, die im Vereinigten Königreich seit 14 Jahren regiert.

Johnsons Nachfolgerin Liz Truss war zu kurz im Amt, um einen besseren Eindruck zu hinterlassen. Und auch Rishi Sunak scheint es bisher nicht gelungen zu sein, das Ruder zugunsten der Tories herumzureißen. Bei den Kommunalwahlen im Frühjahr musste Sunak als Parteichef der Konservativen bereits empfindliche Verluste seiner Partei in der Fläche hinnehmen.

Bei den Parlamentswahlen am 4. Juli 2024 stehen alle 650 Sitze im britischen Unterhaus zur Neubesetzung an. Gewählt wird im gesamten Vereinigten Königreichs, also in England, Schottland, Wales und Nordirland. Je Wahlkreis gibt es ein Mandat zu gewinnen. Die 650 Mitglieder des Unterhauses repräsentieren jeweils ihren Wahlkreis.

Auf den Landesteil England entfallen laut parlamentarischer Wahlkreiskommission 543 Abgeordnete (vormals: 533), Schottland entsendet künftig 57 (statt bisher 59), aus Wales kommen 32 (vorher 40) und Nordirland steuert weiterhin 18 “Members of Parliament” bei. Anzahl und Zuschnitt der Wahlkreise – der sogenannten Constituencies – orientieren sich an den Bevölkerungszahlen.

Regulär gewählt für fünf Jahre

Nach britischem Wahlrecht entscheidet die relative Mehrheit: Wählerinnen und Wähler haben jeweils nur eine Stimme zu vergeben. Wahlsieger in den 650 Wahlkreisen ist, wer vor Ort die meisten Stimmen erhält. Die “Winner takes it all”-Regelung des Mehrheitswahlrechts begünstigt lokale Kandidaten und größere Parteien. Die lokalen Stimmanteile der unterlegenen Mitbewerber verfallen.

Gewählt werden die Mitglieder des britischen Unterhauses für eine reguläre Amtsdauer von fünf Jahren. Wahlberechtigte müssen sich vorab ins Wahlregister eintragen lassen. Die Frist dafür endet bei der anstehenden Wahl am 18. Juni. Anschließend steht es Briten, Schotten, Walisern und Nordiren frei, am Wahltag im Wahllokal oder vorab per Briefwahl abzustimmen.

Abgehalten werden die Wahlen im Vereinigten Königreich traditionell an einem Donnerstag. Die Wahllokale öffneten am 4. Juli planmäßig um 7.00 Uhr (Ortszeit, 8.00 Uhr MESZ) und werden erst am späten Abend um 22.00 Uhr (MESZ: 23.00 Uhr) schließen. Unmittelbar danach beginnt die Auszählung der Stimmen.

Unmittelbar nach Schließung der Wahllokale werden britische Medien erste Prognosen zum Wahlausgang veröffentlichen. Mit ersten Teilergebnissen aus einzelnen Wahlkreisen ist erst im Laufe der Nacht zu rechnen. Die Auszählung dürfte nach Einschätzung der BBC voraussichtlich am Freitagmorgen abgeschlossen sein. Spätestens dann dürfte mit dem vorläufigen Ergebnis feststehen, ob es im Vereinigten Königreich nach 14 Jahren unter den Konservativen zu einem Machtwechsel kommt oder nicht.

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