Tadej Pogacar holt Gelbes Trikot zurück bei Tour de France 2025 | ABC-Z

Tadej Pogacar hat sich bei der Tour de France das Gelbe Trikot zurückgeholt. Auf der ersten schweren Bergetappe in den Pyrenäen zeigte er der Konkurrenz ihre Grenzen auf. Grenzen, die für ihn nicht gelten. Wie ein Pfeil vom Bogen geschossen, ließ er im Schlussanstieg dieser Etappe Jonas Vingegaard, seinen vermeintlich schärfsten Konkurrenten in der Gesamtwertung, weit hinter sich zurück. 2:10 Minuten lagen zwischen beiden.
Pogacar hat in der Gesamtwertung nun einen Vorsprung von 3:31 Minuten auf Vingegaard, den Zweiten. Ein Triumphfahrt für ihn, eine heftige Niederlage für den Dänen. Und ein glänzender dritter Platz für Florian Lipowitz vom Team Red Bull-Bora-hansgrohe, der sich damit auf den vierten Platz der Gesamtwertung verbesserte. Er dürfte nun endgültig die Kapitänsrolle von Primoz Roglic übernehmen.
Zwei große Fragen vor der Prüfung
Auf ein solches Ergebnis der Etappe hätten nicht viele gewettet am Morgen vor dem Start in Auch. Es gab zwei große Fragen vor dieser ersten knüppelharten Prüfung in den Pyrenäen über 180,6 Kilometer. Die eine: Wie würde Pogacar nach seinem heftigen Sturz vom Vortag auftreten? Die zweite: Was würden Vingegaard und sein Team Visma-Lease a Bike auf diesem zwölften Abschnitt im Schilde führen? Würden sie Pogacar angreifen mit allen Mitteln? Die Chance am Schopfe packen? Denn nicht nur Pogacar, auch sein Team UAE schien angeschlagen.
João Almeida, der beste Helfer, hatte nach einem Sturz aufgeben müssen. Pavel Sivakov, ein anderer wichtiger Malocher am Berg, kämpft mit den Folgen einer Bronchitis. Dagegen Visma: Seit Tagen kraftstrotzend, angriffslustig. Die Taktiktüftler der Teams werden an ihren Computern viel vorausberechnet haben, viel simuliert. Das ist wie ein Schachspiel: Wo greife ich an? Wie wehre ich ab? Mit welchen Figuren? Mit welchen Kombinationen? Mit welchen Finten? Mit welchem Risiko? Und dann kam alles anders.
Vismas Hoffnung: Dieser Tag könnte extrem wichtig sein, könnte den Umschwung einleiten und Pogacars Dominanz erst einmal beenden. Die Karten, die Asse, könnten neu verteilt werden. Und es war wie oft, fast immer, in solchen Situationen: Alles fieberte dem letzten gefürchteten Anstieg entgegen. Den letzten steilen Rampen hinauf nach Hautacam.
Dort ließen sich, so Vingegaards Hoffnung, mehr als Sekunden gewinnen, vielleicht Minuten. Dort oben winkte das Gelbe Trikot. Es war die große Chance für den Dänen, der bislang meist am Hinterrad von Pogacar klebte, wenn es am Ende einer Etappe noch ein steiles, kurzes Stück bergauf ging. Würde er es probieren? Würde er aus der Defensive kommen?
Pogacar und seine Entourage hatten sich viel Mühe gegeben, die Folgen seines Sturzes nicht in dunklen Farben zu zeichnen. Alles nicht so schlimm, alles in Ordnung – das war die Botschaft. Aber jeder Rennfahrer weiß, dass ein solcher Sturz mit Hautabschürfungen und Prellungen nicht spurlos an einem vorübergeht, schon gar nicht bei der Tour de France, wo es Schlag auf Schlag geht, Tag für Tag.
Und wenn man schon eine einzige Nacht nicht vernünftig schlafen, sich nicht wie gewohnt erholen kann, dann fehlen womöglich doch ein paar Prozent Leistung. Aber dann hieß es auch: Wenn das einer wegstecken kann, dann Pogacar. Er war schon beim italienischen Klassiker Strade Bianche Anfang des Frühjahrs schwer gestürzt. War damals wieder aufgestanden, hatte sich aufs Rad gesetzt, die Kollegen eingeholt und sie 18 Kilometer vor dem Ziel in einem Schottersektor abgehängt.
Wann würden die Visma-Profis attackieren? Und wie? Wie damals am Galibier, als es Roglic, damals noch bei Visma unter Vertrag, und Vingegaard nach grandioser Vorarbeit des gesamten Teams gelang, Pogacar zu isolieren und ihn mit wechselnden Angriffen zu zermürben und zu besiegen? Zunächst einmal ging es schnell zur Sache. Dann fand sich eine drei Fahrer starke Ausreißergruppe, die vorne fuhr, aber die Musik spielte dahinter.
Interessant wurde es in der Auffahrt zum Col de Soulor nach 125 Kilometern, einem Berg nicht der höchsten, aber der ersten Kategorie. Visma schraubte das Tempo hoch, knackte damit aber nicht nur Konkurrenten wie den belgischen Olympiasieger und Zeitfahrweltmeister Remco Evenepoel, sondern überforderte auch den bisher besten Helfer von Vingegaard: den Amerikaner Matteo Jorgenson, der da noch auf Platz fünf der Gesamtwertung lag mit nur 20 Sekunden Rückstand auf Vingegaard.
Er galt als Ko-Kapitän, und hätte er angegriffen, hätte Pogacar mitfahren müssen. Jetzt aber kam Jorgenson selbst nicht mehr mit, und seine Kollegen vorne gingen vom Gas. Sie hofften, dass er sich in der Abfahrt wieder erholen möge und dann hinauf nach Hautacam wieder bei Kräften wäre. Aber das blieb ein frommer Wunsch. Nicht Pogacar war das Opfer aller Anstrengungen, sondern Jorgenson – ein klassisches Eigentor.
Vingegaard hatte eigentlich beste Erinnerungen an Hautacam. Vor drei Jahren hatte er auf der 18. Etappe von Lourdes nach Hautacam – mit spektakulärer Hilfe von Wout van Aert – Pogacar abgehängt und das Gelbe Trikot bis Paris nicht mehr hergegeben. Und diesmal? Eine Linkskurve und die ersten Meter hinauf zum Hautacam. 13,5 Kilometer, durchschnittliche Steigung: 7,8 Prozent, der steilste Kilometer: 11,3 Prozent.
Der Showdown. Und alle raus aus dem Ring außer Vingegaard und Pogacar. Zwölf Kilometer vor dem Ziel waren sie unter sich. Und Pogacar trat an. Ein früher, überraschender Angriff. Eine Aktion im Pogacar-Style: spektakulär, verwegen, atemraubend für die Konkurrenz. Nichts war zu sehen von bremsenden Sturzfolgen. Vingegaard fuhr in seinem Tempo hinterher, deutlich distanziert. Der Tag, von dem er und sein Team sich so viel erhofft hatten, endete mit einer schweren Niederlage.
Und Pogacar? Der erschöpfte und strahlende Sieger. War er mit Schmerzen gefahren? „Schmerzen habe ich nur gespürt, wenn ich Gymnastik gemacht habe“, sagte er. Den Tag auf dem Rad habe er dagegen sehr genossen. „Es war ein wirklich schöner Anstieg. Ich habe mich richtig darauf gefreut.“ War es eine Revanche für 2022? „Nein, das nicht“, sagte er. „Es war einfach die Geschichte von damals, nur andersherum.“