SZ-Kolumne Nepomuk: Bäumchen, wechsel dich – Starnberg | ABC-Z
Ist das nicht herrlich, Leute? Wochenend’und Sonnenschein, und dann noch Wiesn, oh wie fein! Ich liebe diese Kombination – auch wenn mir das Oktoberfest reichlich wurscht ist. Viele sehen das anders, völlig klar: Die geben halt kalt lächelnd 15 Euro – also locker 30 Mark – für eine lieblos eingeschenkte Mass Bier aus und schwitzen in rauchlosen Riesenzelten, die streng nach Mensch riechen, vor sich hin. Oans, zwoa, gsuffa, ein Prosit der Gemütlichkeit? Könnt ihr haben – aber ohne mich.
Viel spaßiger finde ich das Spiel „Bäumchen, wechsel dich“. Kennt ihr das noch? Der impressionistische Maler Max Liebermann hat das schon 1882 in einem Gemälde festgehalten. Ein Laufspiel, bei dem auf Kommando alle zu einer neuen Station rennen, aber immer ein Platz zu wenig ist. Fast wie bei der Wiesn. Doch zur Neuauflage des Oktoberfestes hat es nun eine ganz neue Bedeutung bekommen. Fragt’s einfach mal die Inninger Landburschen: Die haben dem weltberühmten Münchner Hofbräuhaus ganz keck einen Maibaum von der Wiesn stibitzt und gelten jetzt als die ungekrönten Könige der Maibaumdiebe.
Freilich gibt’s noch andere Deutungen von „Bäumchen, wechsel dich“. Wer etwa den vorhandenen Partner entsorgt und neu anbandelt, der wechselt ja auch das Bäumchen – also wenn der Söder beispielsweise bei den Grünen anheuern würde. Oder der Uli Hoeneß beim FC St. Pauli. In Dortmund haben sie ein ganzes Festival nach dem Bäumchenspiel benannt. Leicht in Vergessenheit geraten ist dagegen ein schönes Bäumchen-Brettspiel, dass sich in der ehemaligen Täterää – Verzeihung: DDR – großer Beliebtheit erfreute.
Eine ganz andere Variante von „Bäumchen wechsel dich“ gibt es in Starnberg – und die geht so: Die Stadt fällt in der Max-Emanuel-Straße schräg gegenüber vom Amtsgericht wegen eines Neubaus ein paar Bäume, weil die zu nah an Versorgungsleitungen stehen. Als Ersatz werden drei Silberlinden auf die gegenüberliegende Straßenseite gepflanzt, und zur allgemeinen Freude gedeihen die Bäumchen erstaunlich gut.
Doch kann bekanntlich der schönste Baum nicht in Frieden wachsen, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt: Prompt moniert ein Hauseigentümer, dass der in der Mitte stehende Baum eines schönen Tages seinen Blick auf See und Berge behindern werde. Und das geht gar nicht! Schließlich residiert im Haus eine weltberühmte Anwaltskanzlei, die für vollen Durchblick bekannt ist.
Im Starnberger Umweltausschuss beriet man also nun ernsthaft über einen Antrag mit folgenden Optionen: Baum stehen lassen. Oder verpflanzen – gegen eine Gebühr von 1100 Euro. Na, ihr könnt euch schon denken, wie’s ausgegangen ist: Der Baum bleibt! Könnte ja schließlich jeder kommen. Doch manch einer im Ausschuss erinnerte sich an eine Posse an der Possenhofener Straße aus dem Vorjahr: Da hatte die Stadt junge Hainbuchen angepflanzt, doch irgendwer sägte zwölf Bäume in einer Nacht-und-Nebel-Aktion wieder ab. Der Baummörder blieb unerkannt, nur so viel ist klar: Die Inninger Burschen waren es nicht.
Abzuwarten bleibt, wie es künftig wohl den drei jungen Silberlinden gegenüber dem Amtsgericht ergehen wird. Denn offen und ehrlich: So ein Seeblick ist doch unbezahlbar. Die ersparten 1100 Euro aber könnte der Rechtsanwalt nun mit all seinen Nachbarn auf der Wiesn verprassen. Für eine Mass und ein Hendl dürfte es allemal reichen, glaubt euer Nepomuk.