„Nur für die Kindererziehung da“ | ABC-Z

Berlin. Der Frauenanteil ist im neuen Bundestag niedrig, besonders bei der AfD. Eine Expertin erklärt, warum sie die Partei für frauenfeindlich hält.
Es ist der 1. März 2018 – eine Woche vor dem Weltfrauentag –, als Nicole Höchst (AfD) am Redepult im Bundestag steht und sagt: „Die strukturelle Benachteiligung von Frauen gleicht einem ‚Yeti‘: Jeder spricht darüber, aber noch niemand hat ihn ernsthaft gesehen.“ Sechs Jahre später, am 14. Februar 2024, sagt AfD-Politiker Maximilian Krah in seiner Rede zum politischen Aschermittwoch: „Feministinnen sind hässliche, grässliche Gestalten.“
Hauptstadt Inside von Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion
Hinter den Kulissen der Politik – meinungsstark, exklusiv, relevant.
Mit meiner Anmeldung zum Newsletter stimme ich der
Werbevereinbarung
zu.
Und nun, ein weiteres Jahr später, ist klar: Höchst und Krah ziehen in den neuen Bundestag ein. Sie sind zwei von 152 AfD-Abgeordneten, die die Partei ins Parlament entsendet. Nicht einmal zwölf Prozent der AfD-Abgeordneten im neuen Bundestag sind weiblich.
Maximilian Krah (AfD) ist mehrfach durch frauenfeindliche Aussagen aufgefallen.
© DPA Images | Bernd von Jutrczenka
AfD im Bundestag: So frauenfeindlich ist die Agenda der Partei
Das Ungleichgewicht ist die logische Konsequenz der frauenfeindlichen Politik. Ein Blick ins Wahlprogramm zeigt: Die Partei hält nichts von Frauenförderung. So lehnt sie die „Geschlechterquote“ ab, nennt Diversitätsprojekte „gender- und woke-ideologiebasiert“ und will die Genderforschung einstellen. Obendrein leugnen sie die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen. So nannte AfD-Politiker Thomas Erhorn den Gender-Pay-Gap ein „Märchen“.

Darüber hinaus will die AfD die Rechte von Frauen hinsichtlich einer selbstbestimmten Schwangerschaft einschränken, indem sie Schwangerschaftsabbrüche nur noch in Ausnahmefällen erlaubt. „Das heißt: Die körperliche Selbstbestimmung wäre für viele Frauen passé“, sagt Judith Rahner. Die Sozialwissenschaftlerin und Geschäftsführerin des Deutschen Frauenrats forscht und berät zu Themen wie Antifeminismus, Geschlechterbildern in extrem rechten Milieus und geschlechtsspezifischer Gewalt.
Expertin: Die AfD verfolgt ein rückwärtsgewandtes Familienbild
Laut Rahner ist die AfD in weiten Teilen antifeministisch – eine Bezeichnung, die über Sexismus oder die schlichte Ablehnung geschlechtergerechter Sprache hinausgeht. Denn Antifeminismus sei eine Weltanschauung, die frauenpolitische Errungenschaften zurückdrehen wolle. „Frauen sind nach dieser Ideologie dafür da, Kinder zu erziehen und den Erhalt eines Volkes zu gewährleisten.“
Wie antifeministisch die AfD tatsächlich ist, zeigt sich im Wahlprogramm nur zwischen den Zeilen. Oft wirken Vorschläge – wie das Erziehungsgeld, das die AfD bis zum dritten Geburtstag eines Kindes zahlen will – auf den ersten Blick familienfreundlich. Dahinter stecke aber das Ziel, Frauen in eine „traditionelle“ Rolle zu drängen, so Rahner.
AfD paart Familienpolitik mit völkischen Ideologien
Oft sei das auch mit völkischen Gedanken gepaart. Gefördert werden solle nur die heterosexuelle deutsche Kleinfamilie bestehend aus Mutter, Vater und Kind(ern). Die Antwort der AfD auf den Fachkräftemangel? „Neue Fachkräfte? Machen wir selber!“, so oder so ähnlich warb die AfD etwa auf Plakaten zu den Landtagswahlen in Thüringen.
Auch interessant

Die Krux: Selbst „viele Wählerinnen durchblicken nicht, dass die Partei antifeministische Ziele verfolgt“, sagt Rahner. Nicht nur 25 Prozent der Wähler, sondern auch 18 Prozent der Wählerinnen stimmten bei der Bundestagswahl 2025 für die AfD. Für Rahner nicht verwunderlich: Die Partei habe ihr Programm „weich gewaschen“. Und Alice Weidel sei dabei eine wichtige Symbolfigur.
Auch interessant

Alice Weidel als harmlose Symbolfigur einer antifeministischen Politik?
Dass die Parteivorsitzende Alice Weidel eine Frau ist – dazu noch eine lesbische – wirke unverdächtig. Der Eindruck, der entstehe: Eine Partei, die so eine Chefin hat, kann gar nicht homo- und frauenfeindlich sein. Rahner merkt an: „Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Alice Weidel eine radikale Ideologie verfolgt – auch wenn das im Widerspruch zu ihrem Privatleben steht.“

Judith Rahner forscht und berät unter anderem zu Antifeminismus.
© Tanja Schnitzler | Tanja Schnitzler
Es stellt sich die Frage, wie viel Einfluss die AfD mit ihrer Frauenpolitik zukünftig auf Gesetzgebungsprozesse haben wird. Mit 152 Sitzen stellt sie ein Fünftel aller Abgeordneten im neuen Bundestag. Während andere Parteien mit Sondierungsgesprächen beschäftigt sind, kann die AfD ihre wachsende Präsenz nutzen, um ihre Ideologie weiterzuverbreiten.
Mit diesen Inhalten wird die AfD den Bundestag in der kommenden Legislatur prägen
Und ihre Themen werde die Partei künftig noch stärker im Bundestag setzen, befürchtet Rahner. So habe die AfD bereits erfolgreich Kulturkämpfe inszeniert – etwa um geschlechtergerechte Sprache, die sie zum Symbol einer vermeintlichen Entfremdung von traditionellen Werten gemacht habe. Auf den Trend sind auch andere Parteien – wie die CSU – aufgesprungen.
Frauenpolitische Errungenschaften könnten, befürchtet die Expertin, in den kommenden vier Jahren ins Wanken geraten. Die von feministischen Initiativen und mehreren Parteien geforderte Reform des Paragrafen 218, der das Recht auf Abtreibung regelt, werde unwahrscheinlicher. Auch gegen Gleichstellungsgesetze ist die Partei bereits auf Länderebene vorgegangen. Im Jahr 2020 etwa klagte die AfD gemeinsam mit der NPD erfolgreich gegen das brandenburgische Paritätsgesetz, das die gendergerechte Besetzung der Kandidatenlisten der Parteien regeln sollte.
Auch interessant

Wie die AfD ihren geringen Frauenanteil im Bundestag rechtfertigt
Gefragt nach Förderprogrammen für Frauen antwortet ein AfD-Sprecher ausweichend. Zwar seien Frauen im Sinne des Grundgesetzes gleichberechtigt, aber Geschlechterquoten – ob im Studium, der Politik oder in der Arbeitswelt – lehne die Partei generell ab. Wie Frauen gefördert werden sollen, die Frage dieser Redaktion blieb unbeantwortet.