Symbol der neuen Weltordnung?: Joe Biden verpasst G20-Familienfoto – Lawrow nicht | ABC-Z
Symbol der neuen Weltordnung?
Joe Biden verpasst G20-Familienfoto – Lawrow nicht
19.11.2024, 03:18 Uhr
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Zum dritten Mal in Folge treffen sich die Chefs der G20-Staaten in einem Land der Südhalbkugel. Auch programmatisch rücken die Interessen der Schwellenländer in den Vordergrund. Joe Biden fehlt auf dem Familienfoto. Dass Europa nicht mehr die erste Geige spielt, wird beim Umgang mit dem Ukraine-Krieg deutlich. Auch Joe Biden fehlt.
Die wichtigsten Industrie- und Schwellenländer der Welt haben sich bei dem G20-Gipfel in Rio de Janeiro auf ein neues Programm zur Bekämpfung der weltweiten Armut verständigt. “Die Zahl der Menschen, die von Hunger betroffen sind, ist gestiegen und wird 2023 die erschütternde Zahl von rund 733 Millionen Menschen erreichen, wobei Kinder und Frauen am stärksten betroffen sind”, heißt es in der Abschlusserklärung, auf die sich die G20-Staats- und Regierungschefs bereits am ersten Gipfeltag geeinigt haben. Brasiliens Präsident Luiz Inacio Lula da Silva hatte zuvor als Gastgeber des Treffens für die Allianz gegen Hunger und Armut geworben. Außerdem einigten sich die Gipfelteilnehmer darauf, bei der Besteuerung von Milliardären zusammenzuarbeiten. Es sollten “Mechanismen” zur Bekämpfung von Steuervermeidung entwickelt werden.
Die Kriege in Nahost und der Ukraine werden in dem Dokument dagegen nur knapp erwähnt. Bundeskanzler Olaf Scholz und andere westliche Regierungschefs hatten zuvor gesagt, dass sie für eine klarere Nennung der Gründe für die Kriege im Dokument kämpfen wollten. In den Beratungen prallten aber die Vorstellungen westlicher Staaten und der Länder der Südhalbkugel aufeinander.
Macron schüttelt Lawrow die Hand
Fast symbolisch kam US-Präsident Joe Biden zu spät zum traditionellen G20-Familienfoto, das deshalb ohne ihn gemacht wurde. Auch die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und Kanadas Ministerpräsident Justin Trudeau fehlen auf dem Bild. Der russische Außenminister Sergej Lawrow stand dagegen neben anderen Staats- und Regierungschefs in der letzten Reihe. Er vertritt wie in den vergangenen beiden Jahren den russischen Präsidenten Wladimir Putin. Gegen den Kremlchef liegt ein internationaler Haftbefehl des Weltstrafgerichts in Den Haag vor, weil ihm Kriegsverbrechen in der Ukraine zur Last gelegt werden. Daher würde Putin in Brasilien eine Festnahme riskieren.
Im Zuge des Gruppenfotos kam es auch zu einem Handschlag von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron mit Lawrow. Allerdings hatte es den Anschein, als wollte Macron eigentlich dem Teilnehmer neben Lawrow – Nigerias Präsidenten Bola Tinubu – die Hand schütteln. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wurde nicht nach Rio de Janeiro eingeladen, weil Brasiliens Staatschef Lula den Krieg in der Ukraine bei dem Gipfeltreffen nicht thematisieren wollte.
Keine Verurteilung Russlands
Kanzler Scholz hatte enttäuscht auf die Entscheidung reagiert. “Ich habe mich dafür sehr intensiv eingesetzt, andere auch. Dass das aber jetzt nicht der Fall ist, zeigt auch, was für große Herausforderungen wir vor uns haben”, sagte der Kanzler vorab.
Die westlichen Staaten konnten sich auch nicht mit der Forderung durchsetzen, dass Russland in der Gipfel-Erklärung als Verantwortlicher für den Ukraine-Krieg genannt wird. Jetzt heißt es darin nur: “Wir begrüßen alle sachdienlichen und konstruktiven Initiativen, die einen umfassenden, gerechten und dauerhaften Frieden unter Wahrung aller Ziele und Grundsätze der UN-Charta zur Förderung friedlicher, freundschaftlicher und gutnachbarlicher Beziehungen zwischen den Nationen unterstützen.” Russland wird nicht erwähnt, es findet sich nur eine generelle Verurteilung von Angriffen auf Zivilisten und Infrastruktur.
Freihandel wird nicht mehr erwähnt
Der zweitägige Gipfel in Rio wird auch von der Wahl von Donald Trump zum nächsten US-Präsident überschattet. Damit dürfte sich der multilateral ausgerichtete Kurs der USA unter Biden ab Januar deutlich ändern. Es wird erwartet, dass Trump mit seiner “America First”-Haltung sowohl aus dem Pariser Klimaabkommen aussteigt als auch Strafzölle gegen Importe aus aller Welt verhängt – und deshalb Beschlüsse des G20-Gipfels in Rio nur von begrenzter Bedeutung sein dürften. Kanzler Scholz, der am 23. Februar vor Neuwahlen steht, sieht in den G20-Diskussionen auch eine Chance, die Zusammenarbeit mit den Ländern der Südhalbkugel zu verstärken.
Bei dem dritten G20-Gipfel in Folge in einem Land der Südhalbkugel (Indonesien, Indien, nun Brasilien) entfernt sich die Agenda immer mehr von den Themen, die etwa Europäern wichtig sind. Das Wort Freihandel taucht in der Gipfel-Erklärung nicht mehr auf. Stattdessen bekennen sich die G20-Staaten zu einem “multilateralen Handelssystem”. Etliche Regierungen hatten vor einer Welle des Protektionismus gewarnt.
“Wir erleben eine große, große Veränderung der globalen Strukturen”, sagte Scholz. Die Regierungen der Südhalbkugeln betonten die Größe ihrer Volkswirtschaft, die Zahl der Einwohnerzahl und die künftige Entwicklung. Das seien Länder, die mitreden wollten. “Und die nicht mehr akzeptieren werden, dass alles so geht, wie das sich über Jahrzehnte eingeschlichen hat”, warnte Scholz.
Chinas Präsident Xi Jinping kündigte dem Staatssender CCTV zufolge Maßnahmen zur Unterstützung des “Globalen Südens” an. Dabei warb er erneut für die Seidenstraßen-Initiative mit großen Infrastrukturprojekten weltweit, der sich etwa Brasilien bislang nicht angeschlossen hat. China werde mit Brasilien, Südafrika und der Afrikanischen Union eine Initiative ins Leben rufen, um wissenschaftliche und technologische Innovationen in den Globalen Süden zu bringen, sagte Xi zudem. US-Präsident Biden sagte vier Milliarden Dollar für den Kampf gegen Armut zu.