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Mit Fußball gegen Faschismus – Dachau | ABC-Z

Unter dem Titel „… dass Auschwitz nie wieder sei“, hatte die Initiative Erinnerungstag im deutschen Fußball zu einer Podiumsdiskussion in die evangelische Versöhnungskirche in der KZ-Gedenkstätte Dachau eingeladen. Bewegt waren die Teilnehmer am Donnerstag von den Ereignissen im Bundestag, wo CDU/CSU, FDP und AfD erstmals zu einer gemeinsamen Mehrheit fanden. Man werde sehen, was aus diesem Bruch entstehe, sagte Mara Pfeiffer, Journalistin und Fußballexpertin, die den Abend moderierte.

Fußballfans hatten die Botschaft der Überlebenden des KZ Dachau, „Nie wieder“, aufgegriffen und den Erinnerungstag ins Leben gerufen. Die Initiative wurde am 27. Januar 2004 in der Versöhnungskirche gegründet. Die Anregung kam aus Italien. Seitdem engagieren sich Einzelpersonen, Fangruppen, Vereine und Verbände, darunter auch die DFL, für eine würdige Gedenkkultur und Stadien ohne Diskriminierung. Bei Bundesligaspielen rund um den Gedenktag an die Befreiung von Auschwitz finden Aktionen statt.

Für das Heimspiel des FC Bayern am Samstag gegen Holstein Kiel bereite die Ultra-Fangruppe Schickeria eine Choreografie vor, sagte Eberhard Schulz, Gründer der Initiative. Es sei wichtig, dass sich der Verein mit der größten öffentlichen Ausstrahlung engagiere, denn „alles ist politisch“. Bayern-Präsident Herbert Hainer dankte den Ultras, mit denen man nicht immer einer Meinung sei, für ihren Einsatz.

Er erinnerte daran, dass der frühere Präsident des Clubs, Kurt Landauer, wegen seiner jüdischen Herkunft in der Baracke 8 des KZ Dachau festgehalten wurde, bevor er in die Schweiz emigrieren konnte. Im Verein habe es aber nicht nur Opfer, sondern auch Täter gegeben, und nach dem Krieg unterschiedliche Ansichten. Hainer spendete den Ultras „großes Lob“, die sich für die Erinnerung an Landauer eingesetzt und die gleichnamige Stiftung ins Leben gerufen haben. Er sei aber besorgt, dass 20 Prozent der Bürger für eine Partei votieren, die vom Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuft werde. „Jeder Einzelne ist aufgefordert, aufzustehen“, sagte Hainer.

Eingangs hatte die Auschwitz-Überlebende Eva Szepesi in einer Videobotschaft gemahnt: „Es soll nie wieder passieren, ihr müsst darauf aufpassen“. Sie hatte vergangenen Samstag zum Auftakt der diesjährigen Erinnerungswochen beim FSV Mainz gesprochen. Pessimistisch war die Botschaft von Zvi Cohen, einem Überlebenden aus Theresienstadt und Protagonist des Buches „Der Junge mit der Mundharmonika“. Es gebe viele Nazis, und die AfD sei „die größte Gefahr für das demokratische Deutschland“, sagte der 93-Jährige in einem Videobeitrag. Das Furchtbare an der Menschheit sei, „dass es viel mehr Böses als Gutes gibt“. Dennoch forderte Cohen dazu auf, sich nicht entmutigen zu lassen und zitierte die Parole, die er Jugendgruppen mit auf den Weg gibt: „Sei stark und mach weiter.“

Drohbriefe gegen Juden kommen inzwischen aus der Mitte der Gesellschaft

Ein Beispiel dafür ist Uwe Dziuballa, der sich als preußischer Jude bezeichnet und in Chemnitz seit dem Jahr 2000 ein koscheres Lokal betreibt. Antisemitische Schmähungen ist er gewohnt: Das Firmenschild wurde beschmiert, mehrfach Schweineköpfe vor die Tür gelegt, aber seit dem Pogrom der Hamas am 7. Oktober 2023 sei es schlimmer. Das Restaurant stehe dauernd unter Polizeischutz, berichtete er. Nun kämen Drohbriefe aus der „Mitte der Gesellschaft“ und nicht mehr anonym. Er habe große Bedenken, wohin sich diese Gesellschaft entwickelt, sagte Dziuballa. Es wäre ein Fehler zu glauben, die Mitte der Gesellschaft in Europa sei resilient.

Dziuballa hat die deutsch-jüdische Begegnungsstätte Schalom e.V. in Chemnitz gegründet. Der Verein kooperiert mit Fußballclubs und organisiert Spiele mit gemischten Teams aus jüdischen und geflüchteten Jugendlichen aus Syrien oder der Ukraine und jungen Männern, die ins rechte Lager abzurutschen drohen.

Sie habe früher geglaubt, es gebe in Deutschland keinen Antisemitismus mehr, bekannte Regina Rockinger, die den Leidensweg ihres Großvaters recherchiert hat, der bis dahin in der Familie tabu gewesen sei. Er war als Mitglied der Roten Hilfe, einer Solidaritätsorganisation aus dem linken politischen Spektrum, die seit 1924 politische Gefangene betreut, in die Fänge der Faschisten geraten, unter dem Vorwand, er habe einen Lastwagen gestohlen, obwohl er keinen Führerschein besaß. Der Großvater war im KZ Sachsenhausen, Dachau und Mauthausen, musste in Majdanek Leichen aus der Gaskammer tragen und wurde zuletzt in das Strafbataillon 999 gesteckt, berichtete seine Enkelin auf dem Podium in der Versöhnungskirche. „Wenn man weiß, was damals passiert ist, kann man nicht eine Partei wie die AfD wählen“, lautet Rockingers Lehre aus der Vergangenheit.

Er sei trotz allem ein Optimist, bekannte Hainer. Der FCB-Präsident erinnerte an Aktivitäten seines Vereins wie „Rot gegen Rassismus“. Der Fußball zeige, was Vielfalt bedeute. Menschen verschiedener Religionen, Nationen oder sexueller Orientierung spielten in einem Team und duschen und grillen hinterher miteinander.

Dass Fußball keineswegs bloß verbindet, sondern auch Bühne für nationalistische Hetze ist, etwa durch das Zeigen des Wolfsgrußes, dem Symbol der türkischen Faschisten, blieb an dem Abend ausgespart. Die Moderatorin räumte aber ein, dass sich Bundesligaclubs mit ihrer braunen Vergangenheit schwertäten. Ihr Club, der FSV Mainz 05, habe sich sehr spät damit beschäftigt. Dieser Prozess sei aber wichtig, aufgrund der Strahlkraft des Fußballs, der so viele Menschen erreiche.

Björn Mensing, Historiker und Pfarrer der Versöhnungskirche, erinnerte an Martin Niemöller. Der Theologe und Kirchenpräsident hatte den Nationalsozialismus erst unterstützt, ging später auf Distanz und saß ab 1937 in Haft. Mensing zitierte Niemöllers Satz, er habe geschwiegen, als Kommunisten, Gewerkschafter und Sozialdemokraten verschleppt wurden. Als er abgeholt wurde, sei niemand mehr da gewesen, um zu protestieren. Mensing warnte davor, dass alle Brandmauern eingerissen werden, wenn ein Gesetz mit den Stimmen der AfD verabschiedet wird.

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