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Südtiroler Wirtspaar übernimmt Weinbar „Zwiefirst“ in Grafing – Ebersberg | ABC-Z

Wie kann man nur? Das werden die Wirtsleute Kornelia Schenk und Armin Conci ständig gefragt. Denn ihr Dialekt verrät sehr schnell, woher sie kommen, nämlich aus Südtirol. Aus dem Sehnsuchtsland auch vieler Bayern also. Schenk und Conci aber haben ihre Heimat südlich der Alpen nun eingetauscht gegen einen Ort südöstlich von München, gegen Grafing. Hier haben sie Anfang des Jahres eine Weinbar übernommen, das wunderschöne Zwiefirst.

Aber weshalb? „Weil Bayern so schön ist“, sagt Conci und strahlt übers ganze bärtige Gesicht. Vor allem der Chiemgau habe es ihnen schon immer angetan. „Die hügelige Landschaft, die schmucken Bauernhöfe, die Sauberkeit, die Bodenständigkeit“, zählt Schenk auf: All das lasse sie sich der Gegend sehr verbunden fühlen. Außerdem, so das Wirts- und Ehepaar, habe sich die gastronomische Situation in Südtirol zuletzt nicht zum Guten verändert. „Wir haben gespürt, dass das bald kippen wird.“ Wegen des zunehmenden Tourismus sei der Norden Italiens inzwischen ziemlich überlaufen und so teuer, dass ihm so mancher Einheimische den Rücken kehre. „Es war einfach alles zu viel“, sagt Conci und zuckt bedauernd mit den Schultern. „Eigentlich ist es ja ein wunderschönes Land…“

Das Haus, in dem sich die Weinbar befindet, ist ein Werk des Chiemgauer Architekten Rudolf Rechl, der sich auf mittelalterliches Flair spezialisiert hat. (Foto: Alfred Tschager/oh)

Schenk und Conci, 61 und 58 Jahre alt, wurden beide auf Bauernhöfen groß, Schenks Eltern führten obendrein ein Wirtshaus, das Gasslbräu in Klausen. „Ich bin also Gastronomin durch und durch.“ Er wiederum bezeichnet sich als Quereinsteiger, zuletzt habe er als Vertriebsleiter einer großen Firma gearbeitet. „Aber immer im Hotel, im Flieger oder Auto – diese Zeit war für mich irgendwann einfach vorbei“, sagt Conci. Das Leben werde eben geschrieben wie ein Buch, Seite für Seite, und manchmal beginne halt auch ein neues Kapitel, ergänzt Schenk und lächelt.

Seit 33 Jahren sind die beiden ein Paar, zur Bilanz zählen vier Kinder und zehn Enkel. Vor sieben Jahren dann hätten sie das Bedürfnis gehabt, es auch beruflich miteinander zu probieren, erzählt die Wirtin. Also hätten sie ein Jahr lang zusammen eine Alm bewirtschaftet, hoch über dem Valser Tal – sozusagen als Probe. Und das Ergebnis war so gut, dass sie weitermachten. „Als Nächstes ist uns ein Boutique-Hotel in Meran über den Weg gelaufen“, erzählt Conci, fünf Jahre hätten sie dieses geführt, mit viel Liebe zum Detail und persönlichem Einsatz.

Armin Conci bei der Arbeit. Zusätzliche Mitarbeiter haben die beiden Südtiroler übrigens nicht, sie schmeißen das Zwiefirst zu zweit.
Armin Conci bei der Arbeit. Zusätzliche Mitarbeiter haben die beiden Südtiroler übrigens nicht, sie schmeißen das Zwiefirst zu zweit. (Foto: Alfred Tschager/oh)

Doch auch dieses Kapitel endete – eben mit der Idee, nach Bayern auszuwandern. „Über Gäste von hier haben wir vom Zwiefirst erfahren“, erzählt Schenk, „und waren gleich beim ersten Besuch ganz angetan.“ Das Haus im Zentrum von Grafing ist ein Werk des Chiemgauer Architekten Rudolf Rechl, der sich auf mittelalterliches Flair spezialisiert hat, ein bauliches wie gastronomisches Kleinod. Die Stube bietet ein höchst uriges, gemütliches Ambiente. Kleine Fenster, dicke Holzbalken an der Decke, eine rustikale Möblierung, schmiedeeiserne Beschläge, Wandmalereien, ein offener Kamin: Man fühlt sich, als wäre die Zeit stehen geblieben. Im Keller gibt es außerdem ein intimes Gewölbe, oben drüber zwei Appartements, draußen plätschert unter rosa Rosen ein kleiner Brunnen.

Klein, aber fein: Die Stube versprüht reichlich rustikalen Charme.
Klein, aber fein: Die Stube versprüht reichlich rustikalen Charme. (Foto: Alfred Tschager/oh)
Und wer seine Ruhe haben möchte, kann ein Plätzchen im Gewölbe finden.
Und wer seine Ruhe haben möchte, kann ein Plätzchen im Gewölbe finden. (Foto: Alfred Tschager/oh)

Einziger Nachteil: Das Zwiefirst ist ziemlich klein. Drinnen gibt es lediglich Platz für knapp 30 Gäste, die beiden Wirtsleute müssen für die Bewirtung mit Speisen und Getränken mit verdammt wenig Raum auskommen. „Aber wir sind ein sehr gut eingespieltes Team, wir kriegen das locker hin“, sagt Conci. Außerdem haben die Gastgeber aus der Not eine Tugend gemacht, durch Reduktion. Das Konzept ihrer Weinbar lautet: nur Gutes aus Südtirol und Italien. Und: nur kalte Speisen. Mehr gebe die winzige Küche eben nicht her.

Trotzdem läuft einem schon beim Lesen der Speisekarte das Wasser im Mund zusammen. Oliven, Mozzarella, Parmaschinken, Pistazien, Bruschette in diversen Varianten, das laut Gästen „beste Vitello Tonnato der Region“, und davor vielleicht ein Passioncello als Aperitif? Ganz zu schweigen vom „Weinbuch“, das laut Schenk mehr als 70 Etiketten enthält, „und wir kennen jedes dieser Weingüter persönlich“.

Kornelia Schenk zaubert in der kleinen Küche des Zwiefirst allerhand Genussmomente.
Kornelia Schenk zaubert in der kleinen Küche des Zwiefirst allerhand Genussmomente. (Foto: Alfred Tschager/oh)

Das Wichtigste ist den Wirtsleuten aber, nicht nur authentische, hochwertige Produkte und Rezepte aus ihrer Heimat nach Grafing zu importieren, sondern auch ein Lebensgefühl. Jene Mischung aus Tradition und Leichtigkeit, die Südtirol so beliebt gemacht hat. „Die Seele baumeln zu lassen, in guter Gesellschaft zu genießen und zu lachen, während die Zeit einfach verstreicht“, sagt Schenk. Ziel sei es jedenfalls, die Menschen im Zwiefirst glücklich zu sehen – und das hätten sie geschafft.

Das Publikum in der Weinbar sei bunt gemischt, es gebe viele Stammgäste, aber immer wieder kämen auch Neugierige vorbei. „Wir wollen ein Treffpunkt für alle Genießer sein“, erklärt Schenk, und um diese Offenheit zu garantieren, gebe es im Zwiefirst keine geschlossenen Gesellschaften. Wichtig ist dem Ehepaar aber auch ein guter Umgang mit der Nachbarschaft: Um etwa 23.30 Uhr sei Schluss, und immer bitte man die Gäste, Rücksicht zu nehmen auf die Anwohner. Wobei das meist ohnehin gar nicht notwendig sei, sagt Schenk. „Hier sind lauter schöne Menschen, die immer niveauvoll bleiben, selbst wenn sie angeheitert sind.“ Was den beiden aber besonders gefällt: „Unsere Gäste sind lauter Leute vom Platz“, sagt Conci, also Einheimische aus der Grafinger Umgebung. „Das ist nicht wie in Südtirol, wo der Tourist immer Vorrang hat.“

Und was wird die Zukunft bringen? „Wir sind irgendwie angekommen, wir passen hierher wie die Faust aufs Auge“, sagt Conci, fast selbst ein bisschen erstaunt. Und die nächsten fünf Jahre werde man das Zwiefirst auf jeden Fall bewirten, so lange nämlich laufe der Pachtvertrag. Aber was danach kommt? „Unsere Freunde sagen, wir seien moderne Nomaden“, erzählt Conci lachend, und seine Frau ergänzt: „Nix ist für ewig.“ Sie könnten und wollten anpacken, kreativ sein, immer etwas erschaffen. Und: „Mut tut gut!“ Mal sehen also, wie die beiden das nächste Kapitel ihres Lebensbuches dann so gestalten werden.

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