Südkorea: Abgesetzter Präsident Yoon verhaftet | ABC-Z
Im zweiten Anlauf gelang die Festnahme. Ermittler der Korruptionsermittlungsbehörde verhafteten Südkoreas abgesetzten Präsidenten Yoon Suk-yeol am Mittwochmorgen. Yoon steht im dringenden Verdacht, am 3. Dezember des vergangenen Jahres einen Aufstand angeführt zu haben, indem er illegal das Kriegsrecht verhängte. Dieser Straftatbestand fällt nicht in die Immunität eines Präsidenten.
Lange hatten sich Yoon und der paramilitärische präsidiale Sicherheitsdienst geweigert, dem Haftbefehl Folge zu leisten. Wochenlang hatten sie sich in der Residenz des Präsidenten verschanzt und Barrikaden errichtet. Am 3. Januar noch hatten Yoons Sicherheitskräfte einen ersten Festnahmeversuch verhindert. Am 15. Januar nun trat die Polizei mit 3000 Beamten in weit größerer Stärke auf, die Präsidialgarde leistete keinen Widerstand.
Um drei Uhr morgens an diesem Mittwoch begannen zahlreiche Polizeikräfte und Beamte der Korruptionsermittlungs-Behörde mit ihrer Operation. Sie führten Leitern mit sich, um die Barrikaden aus Bussen zu überwinden, die die Straße vor Yoons Residenz blockierten. Kurz nach halb elf Uhr Ortszeit stellte sich Yoon der Polizei, nachdem er sich an der Eingangstür mit den Behörden und am Ort auch mit rund 30 Abgeordneten seiner konservativen Volksmachtpartei in der Residenz beraten hatte.
Anfangs sollen Yoons Anwälte auszuhandeln versucht haben, dass sich Yoon freiwillig der Befragung der Ermittlung stelle. Dies wurde jedoch von der Antikorruptionsbehörde aber nicht akzeptiert.
Untersuchungshaft möglich
Nach seiner Festnahme wurde Yoon in den Räumen der Korruptionsermittler in Gwacheon südlich der Hauptstadt Seoul festgehalten und befragt. Erwartet wird, dass die Behörde vor Gericht binnen einer Frist von 48 Stunden einen Antrag auf den Erlass eines Haftbefehls zur Untersuchungshaft stellen.
Damit ist Yoon ist der erste südkoreanische Präsident, der während seiner Amtszeit verhaftet wurde. Zwar ist Yoon im Dezember vom Parlament vorläufig von den Amtsgeschäften suspendiert worden, doch über die endgültige Amtsenthebung entscheidet nun das Verfassungsgericht, das mit entsprechenden Anhörungen am Dienstag begonnen hatte. Die Anhörung war jedoch nach nur wenigen Minuten beendet worden, weil sich Yoon geweigert hatte, vor Gericht zu erscheinen.
Yoon rechtfertigt sich weiterhin
Und auch kurz nach seiner Festnahme nun ließ Yoon noch eine Videobotschaft an seine Anhänger verbreiten, in der er sich bereit erklärte, sich dem Verhör nur deshalb zu unterziehen, um eine „blutige“ Auseinandersetzung zwischen seinen Präsidialgarde und der Polizei zu verhindern. Weiterhin aber bezeichnete er in dem Video jedoch die Ermittlungen und den Haftbefehl gegen sich als illegal. „Die Rechtsstaatlichkeit ist in diesem Land völlig zusammengebrochen“, deklamierte Yoon, selbst ein ehemaliger Staatsanwalt. Zuvor Yoon hatte bereits angekündigt, „bis zum Ende zu kämpfen“, um in sein Amt zurückzukehren. Damit hatte er Südkorea nach der kurzzeitigen Ausrufung des Kriegsrechts abermals in eine tiefe Krise gestürzt.
Der derzeit amtierende Übergangspräsident und Finanzminister Choi Sang-mok hatte sich mit öffentlichen Äußerungen lange zurückgehalten. Vor der Festnahme warnte er nun allerdings vor Gewalt. „Das ganze Volk und die internationale Gemeinschaft beobachten das“, ließ Choi mitteilen. Gewalt würde Südkoreas „internationales Ansehen irreparabel beschädigen“.
Der Fraktionsvorsitzende der oppositionellen mitte-linken Demokratischen Partei Park Chan-dae sagte nach der Festnahme, „die Verhaftung von Yoon ist der erste Schritt zur Wiederherstellung unserer verfassungsmäßigen Ordnung“. Die „Gerechtigkeit“ lebe, so Park. Bei einer mutmaßlichen vorgezogenen Präsidentenwahl scheint dennoch nicht klar, dass seine Demokratische Partei gewinnt. Nach einer jüngsten Umfrage von Gallup Korea liegt die Volksmachtpartei mit 34 zu 36 Prozent nur knapp hinter den Demokraten. Zudem sprachen sich zwar 64 Prozent der Befragten für das Amtsenthebungsverfahren gegen Yoon aus. Dies ist jedoch ein Rückgang von gut zehn Prozentpunkten gegenüber dem Vormonat.
Für Unmut unter gemäßigten Wählern hatte gesorgt, dass die Demokratische Partei mit ihrer parlamentarischen Mehrheit auch ein Amtsenthebungsverfahren gegen den kurzzeitigen interimistischen Präsidenten und Ministerpräsidenten Han Duck-soo durchgeführt hatte, weil dieser nicht rasch neue Richter für das Verfassungsgericht bestimmt hatte. Diese Aktion der Demokratischen Partei gegen den Technokraten Han hatte den Eindruck politischer Instabilität verstärkt, welche die Demokratische Partei für den eigenen politischen Gewinn vermeintlich in Kauf nehme.
Südkoreas Politik dürfte sich mit der Festnahme Yoons stabilisiert haben, doch stehen dem Land weitere harte politische Auseinandersetzungen bevor.