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Stuttgarts El Bilal Touré: Vom Bühnenneuling zum unverzichtbaren Spieler des VfB – Sport | ABC-Z

Die Fußballwoche hatte nicht besonders gut angefangen für El Bilal Touré. Zwar durfte er es als Auszeichnung begreifen, dass Trainer Sebastian Hoeneß ihn in der zweiten Halbzeit auf die große Bühne schickte, mitten hinein ins Champions-League-Spiel bei Juventus Turin. Allerdings gab es dort gleich zwei, drei Bilder zu sehen, die Zweifel an Tourés Tauglichkeit erlaubten. Einmal erwischte man den Mitspieler Enzo Millot beim wilden Gestikulieren, ein anderes Mal den Mitspieler Deniz Undav, zwischendurch bat Trainer Hoeneß ihn zur kurzen Nachtkritik an den Spielfeldrand. Thema: taktisches Verhalten und Laufwege.

Man habe Juventus entweder höher attackieren oder tiefer empfangen wollen, sagte Hoeneß später, und „Elbi“ sei „immer irgendwo dazwischen“ gewesen, also entweder nicht hoch oder nicht tief genug. Deshalb also die fuchtelnden Teamkollegen.

Für Elbi, wie man in Stuttgart neuerdings sagt, ist die Woche dann aber insofern ganz gut weitergegangen, als er in dreieinhalb Tagen drei hart an der Weltklasse entlangschrammende Aktionen aneinanderreihte. In Turin besänftigte er die Kollegen mit einem bereits vielfach besungenen Tor in der Nachspielzeit, für das man ihm einen umgehend zu erfindenden Sonderpreis für die beste Ballan- und -mitnahme überreichen sollte. Und nun also an diesem Samstag, im Bundesligaspiel gegen Holstein Kiel: Erst unternahm Touré einen Konterlauf übers halbe Feld, bevor er, mit erhobenem Kopf alle Gegenspieler abwehrend, den Ball genau in den Lauf von Deniz Undav schickte (1:0, 19. Minute); später donnerte er den Ball aus 25 Metern Entfernung mit einer solchen Wucht ins Tor, dass dem Ball wahrscheinlich noch eine ganze Weile schwindlig war. El Bilal Touré, 23, hat dreieinhalb Tage gebraucht, um seinen Beziehungsstatus mit dem VfB von „ungewiss“ auf „unverzichtbar“ zu stellen.

Touré ist, was Undav nicht und Demirovic nur ein bisschen ist: schnell, sehr schnell

Wenn zurzeit immer davon die Rede ist, dass die Spieler des VfB Stuttgart sich erst noch an die sogenannte Mehrfachbelastung gewöhnen müssten, so gilt dies selbstverständlich auch für den Trainer. Auch Hoeneß lernt gerade, wie es ist, drei oder vier Spiele in einem zu denken; er entwickelt ein Gefühl dafür, welchem Stammspieler er in welchem der Wettbewerbe eine Pause gewähren kann, ohne den Betrieb zu gefährden. Erschwert werden derlei Dispositionen durch den Umstand, dass ein Bühnenneuling wie der VfB sich Rotation nicht auf jeder Position guten Gewissens erlauben kann – was nun wieder zu El Bilal Touré führt, jenem Angreifer, den Sportvorstand Fabian Wohlgemuth aus genau diesem Grund eine Woche vor Transferschluss von Atalanta Bergamo ausgeliehen hat.

Weil er zunächst mal die Spitze verbreitern wollte, wie man in Anlehnung an Berti Vogts sagen müsste; weil er ahnte, dass trotz des riesigen Investments im Angriff (26 Millionen für Deniz Undav, 21 Millionen für Ermedin Demirovic) eine weitere Fachkraft nötig sein könnte, zumal eine, deren Profil in diesem Kader bisher noch nicht anzutreffen war. Touré ist, was Undav nicht und Demirovic nur ein bisschen ist: schnell. Sehr schnell.

Der 2:1-Sieg des VfB gegen Kiel war für Hoeneß nicht nur deshalb eine gute Nachricht, weil er 66 Minuten lang eine professionell ausgeführte Auftragsarbeit zu sehen bekam. Wie von ihm bestellt, kanalisierte seine Elf die in Turin angesammelten Glücksgefühle in einer hoch seriösen Leistung mit ein paar Glanzmomenten, ehe Verteidiger Jeff Chabot für die Rädelsführerschaft bei einer Rudelbildung mit einer gelb-rote Karte zur Verantwortung gezogen wurde – und seinen dauerbelasteten Mitspielern in Unterzahl weitere unnötige Kämpf- und Kratzarbeiten aufzwang. „Das sollte ihm und uns nicht nochmal passieren, dass wir leichtfertig den Gegner wieder ins Spiel reinlassen“, sagte Hoeneß.

Chabots Sperre beim nächsten Bundesligaspiel in Leverkusen wird Hoeneß nun zwar zu einer Planänderung zwingen, dennoch überwog beim Spiel gegen Kiel die Erkenntnis, dass Rotation auch Spaß machen kann. Jedenfalls, wenn man über einen Angreifer wie El Bilal Touré verfügt, der innerhalb von dreieinhalb Tagen sehr deutlich gemacht hat, dass er den Mittelstürmer Demirovic nicht nur ab und zu ersetzen, sondern ernsthaft herausfordern wird.

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