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Stuttgart 21: Mitte 2026 will Bahn einen Eröffnungstermin nennen – Wirtschaft | ABC-Z

Wer von der Stuttgarter Innenstadt zum Flughafen der baden-württembergischen Landeshauptstadt auf den Fildern will, soll die Strecke mit dem ICE in acht Minuten zurücklegen können. Das ist eines der vielen Versprechen, die die Bahn bei der Planung des Bahnprojekts Stuttgart 21 gegeben hat. Zusagen dieser Art machten die Befürworter etwa, als es 2011 in Baden-Württemberg zu einer Volksabstimmung über das Projekt kam, das damals noch mit maximalen Kosten in einer Gesamthöhe von 4,5 Milliarden Euro angegeben wurde.

Doch wer am Montag von der Stuttgarter Innenstadt aus zur Sondersitzung des S21-Lenkungskreises am Flughafen wollte, der musste wie eh und je die S-Bahn nehmen. Die Fahrzeit, sie beträgt noch immer 27 Minuten, nicht acht. Dafür summieren sich die Kosten des Projekts inzwischen auf mehr als 11 Milliarden Euro.

Es sind aber nicht in erster Linie die Finanzen oder gar die bislang fehlende ICE-Anbindung des neuen, unterirdischen Hauptbahnhofs zum Flughafen, die diese Sondersitzung zu Stuttgart 21 an diesem Montag notwendig machen. Die neue Bahnchefin Evelyn Palla war wegen etwas viel Grundsätzlicherem nach Stuttgart gereist: Sie hatte kurz nach ihrem Amtsantritt im November 2025 überraschend die für Ende 2026 geplante Teilinbetriebnahme von Stuttgart 21 abgesagt, mit Verweis auf Probleme bei der Digitalisierung des Bahnknotens, aber ohne einen neuen Termin zu nennen. Die im Lenkungskreis vertretenen Projektpartner von S21 – das Land Baden-Württemberg, Stadt, Region und der Flughafen Stuttgart – forderten daher sehr eindringlich Aufklärung darüber, wie es nun weitergehen soll.

Und so viel macht Palla, erst in der Sitzung, dann auf einer Pressekonferenz, schnell klar: Anders als die Gegner von Stuttgart 21, die am Montag auch am Flughafen für das Ende des Projekts demonstrieren, glaubt sie weiter daran, dass der neue Stuttgarter Bahnknoten sinnvoll sei. Sie schwärmt von den Verbesserungen, die das Projekt für den Bahnverkehr bringen soll, und von der Architektur des neuen, unterirdischen Bahnhofs. „In Stuttgart entsteht das beeindruckendste Bahnprojekt, das es vielleicht auf der ganzen Welt gibt.“ Das sei die eine Seite. Auf der anderen Seite sei es aber „unbestreitbar mit Schmerzen für die Bevölkerung verbunden“. Sie spricht auch von erodiertem Vertrauen.

Die interne Revision dreht jeden Stein um

Palla verspricht deshalb „maximale Transparenz“ und eine „lückenlose Aufklärung“ der Gründe dafür, warum die Inbetriebnahme erneut verschoben werden soll. „Niemand ist glücklich über diese Situation.“ Beim Baustart 2010 war noch das Jahr 2019 als Eröffnungstermin genannt worden, zuletzt eine Teilinbetriebnahme Ende 2026. Einen neuen Termin hat Palla an diesem Montag nicht mitgebracht, aber die Zusage, bis zum Sommer kommenden Jahres die Ergebnisse der nun angestoßenen Untersuchungen vorlegen zu wollen.

Dann, so kann man sie verstehen, soll auch ein neuer Termin genannt werden. Aber zunächst sollen 15 Kollegen der Bahn-internen Konzernrevision Interviews mit Beteiligten des Projekts führen, Dokumente sichten, die Verlässlichkeit der Partner der Bahn prüfen. Dafür hat sie Konzernkreisen zufolge bereits vor Wochen die Revision eingeschaltet. Dem Vernehmen nach geht diese insbesondere zwei großen Fragen nach: Was ist intern bei der Bahn falsch gelaufen – und was bei dem Partner Hitachi, der bei der Digitalisierung des Bahnknotens eine zentrale Rolle spielt? Auch die Rolle des S21-Projektleiters Olaf Drescher soll nach SZ-Informationen überprüft werden.

Das „Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21“ solidarisierte sich vor der Sitzung überraschend mit Palla: „Lassen Sie sich von den Projektpartnern nicht den Schwarzen Peter zuschieben. Sie sind erst seit 1. Oktober im Amt. Die Herrschaften Projektpartner tragen schon seit 20 Jahren Verantwortung.“ Die neue Bahnchefin tendiert aber ohnehin nicht dazu, sich die Probleme ihres Vorgängers Richard Lutz zu eigen zu machen. In Stuttgart sagt sie am Montag nur: „Ich möchte nicht einfach zur Tagesordnung übergehen.“

Es sind Töne, wie sie die Projektpartner so noch nicht gehört haben. Bislang, sagt der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann, sei es ja so gewesen: Die Bahnchefs hätten Eröffnungstermine genannt, diese aber nicht eingehalten. Er begrüße daher Pallas Ankündigung, volle Transparenz herzustellen. Aber es könne nun auch nicht umgekehrt laufen, mahnte der Regierungschef: Dass man, weil man bislang alle Termine gerissen habe, nun gar keinen mehr nenne. Fürs Erste lässt sich Palla aber nur der Aussage hinreißen, dass sie sich eine Inbetriebnahme vor Ende 2027 nur schwer für vorstellbar halte.

Der Stuttgarter Oberbürgermeister Frank Nopper von der CDU sprach sich bis zur Eröffnung des neuen Tiefbahnhofs für kürzere Wege zu den Gleisen aus. Aufgrund der S21-Großbaustelle müssen die Passagiere große Umwege auf sich nehmen, im Fachjargon der Pendler „Stuttgarter Jakobsweg“ genannt. Ein Nutzer einer Wander-App hat die Fußgängerroute dort inzwischen sogar als „Fernwanderweg“ mit Nord- und Südroute eingetragen.

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