Taufkirchen: Land unter im Seniorenzentrum – Starnberg | ABC-Z

Es ist ein beschauliches, ja fast idyllisches Bild, das sich an diesem Nachmittag in der Seniorenwohnanlage Am Hachinger Bach in Taufkirchen bietet. Durch die breiten Fenster scheint die Sonne ins Foyer und auf ein Grüppchen älterer Frauen, die plaudernd beisammensitzen. Auf den Tischen stehen Blumen, an der Wand flimmert ein Bild von grasenden Schafen über einen Monitor, und ein Plakat informiert über das Oktoberfest, das demnächst im Pflegeheim gefeiert wird – gerne in Tracht, mit geschmorter Entenkeule und hausgemachtem Zwetschgendatschi.
All dies will so gar nicht passen zu jenem Gefühl der Ungewissheit, die mitunter in blanke Zukunftsangst kippt, und die nicht nur die Bewohnerinnen und Bewohner hier umtreibt, sondern auch deren Angehörige und die Beschäftigten. So versichert Safet Pjanic, der als Regionalleiter in Oberbayern beim Träger Arche Noris für die Einrichtung zuständig ist: „Es herrscht eine große Unsicherheit bei allen. Ganz einfach, weil wir nicht wissen, wie es weitergeht.“
Und als wäre das nicht genug, kämpft die Einrichtung auch noch mit einem Wasserschaden. Nachdem zu Jahresbeginn an mehreren Stellen im Gebäude Feuchtigkeit aufgetreten war, mussten 22 Zimmer geräumt und sieben Bewohner gar in andere Häuser umquartiert werden. Infolge der Schäden sind laut Pjanic nur noch 80 von 105 Wohnplätzen belegt. Nach der Ursache wird weiterhin geforscht. Und bis heute gebe es keinen Sanierungsplan, sagt Safet Pjanic und fügt dann leise, aber mit hörbarem Grimm hinzu: „Das hat uns in unserer Situation gerade noch gefehlt.“
Was einen zu jener Unsicherheit bringt, deren Ursprünge ins Jahr 2018 zurückreichen. Seinerzeit erwarb die Grünwalder Immobilienfirma Rock Capital das Seniorenheim, das im Herzen von Taufkirchen neben dem Rathaus liegt. Bedeutet: Würde man das in die Jahre gekommene Gebäude abreißen und etwa Wohnungen bauen, ließe sich hier viel Geld machen. Seitens des Gemeinderats lief jedenfalls schon kurz nach dem Verkauf die Suche nach einem Ersatzstandort für die Einrichtung an, deren Pflegeplätze im Ort dringend gebraucht werden. Nach langem Hin und Her legte sich der Gemeinderat auf das Areal am Wolfschneiderhof auf der anderen Seite der Münchner Straße fest – mehr als fünf Jahre ist das inzwischen her.
Doch passiert ist seither nichts, was an zwei Dingen liegt. Zum einen sprangen mehrfach Investoren für das Projekt wieder ab; aktuell setzt die Gemeinde hier auf die HP&P-Gruppe aus Gießen. Zum anderen gibt es auf der anvisierten Fläche, wo rund um das geplante Seniorenheim ein Quartier mit Häusern, Wohnungen und Betreutem Wohnen entstehen soll, mehrere Grundstücksbesitzer. Und deren Interessen unter einen Hut zu bringen, ist der Gemeinde bislang nicht gelungen. „Es kann noch drei, vier, fünf Jahre dauern, bis ein Gebäude steht. Und es kann auch sein, dass das nie was wird“, sagt Herbert Heigl. „Momentan wird alles blockiert durch den Neubau.“
Heigl kennt die Problematik rund um die Wohnanlage aus zwei Perspektiven: Nicht nur sitzt er für die SPD im Gemeinderat, sondern er gehört auch dem Heimbeirat der Pflegeeinrichtung an, in der einer seiner Angehörigen lebt. „Das große Problem ist“, sagt auch er, „dass man nicht so richtig weiß, woran man ist – weil die Beteiligten ihre Vorstellungen nicht klar äußern.“ So lässt die Firma Rock Capital eine Anfrage zu ihren Plänen für das Seniorenheim unbeantwortet. Laut Safet Pjanic läuft der Mietvertrag der Arche Noris stets nur für ein Jahr und ist in der Vergangenheit mehrfach verlängert worden. Eine Planungssicherheit ist somit kaum gegeben.
Dabei sei die Arche Noris, als sie 2022 die Trägerschaft von der Diakonie Hohenbrunn übernahm, fest davon ausgegangen, dass ein neues Seniorenheim gebaut wird, in das die Bewohnerinnen und Bewohner dann umziehen können, sagt Pjanic. Und: dass sie als Träger an Bord bleibt. Allein diese Zusicherung habe keiner der Investoren abgeben wollen, sagt Heigl. „Für den Träger ist das natürlich blöd, weil er nicht weiß, wie’s weitergeht.“
Dabei haben sich die Rahmenbedingungen 2025 grundlegend geändert. So ging man zuvor davon aus, dass die Betriebserlaubnis für das Seniorenheim 2026 auslaufen werde – mit ein Grund, weshalb die Gemeinde so schnell und intensiv nach einem Ersatzstandort suchte. Doch infolge einer Gesetzesänderung genießt die Einrichtung inzwischen einen unbefristeten Bestandsschutz. Das Pflegeheim könnte also am jetzigen Standort weiterbetrieben werden. Eigentlich.
Das Haus entspricht nicht mehr den Anforderungen an heutige Pflegeheime
Doch aus praktischer Sicht entspreche das Gebäude nicht mehr den Anforderungen an ein modernes Pflegeheim, sagt Herbert Heigl. „Das fängt schon mit der Architektur an. Beispielsweise bekommt man moderne Pflegegeräte gar nicht in die Zimmer.“ Im Weiteren sei die Technik im Gebäude veraltet, und nun komme auch noch der Wasserschaden hinzu. „Die Sanierung wird sicher eine Million Euro kosten“, ist Heigl überzeugt. Und eine solche Summe in ein veraltetes Gebäude zu stecken, sei unsinnig. „Der Neubau ist ungewiss, und der Überlebenskampf ist ungewiss“, sagt Herbert Heigl. „Aber gewiss ist, dass man sich von Träumen, das Gebäude zu sanieren, verabschieden sollte.“
Allerdings gibt es da noch eine Klausel, die das Rathaus dereinst beim Bau der Einrichtung in die Verträge schreiben ließ – im Gegenzug dafür, dass sie dem Bauherrn einen Teil des Grundstücks zur Verfügung stellte. Demnach verpflichtete sich der Besitzer, an dem Standort für 50 Jahre ein Seniorenheim zu betreiben – bis 2033. Ob sich Rock Capital als neuer Eigentümer an diese Zusage gebunden fühlt? Auch bei dieser Frage herrscht Rätselraten. In jedem Fall könne die Firma nicht mir nichts, dir nichts die Pflegeeinrichtung abreißen und durch einen Neubau ersetzen, sagt Herbert Heigl. Schließlich sei im Flächennutzungsplan festgelegt, dass auf dem Areal ein Seniorenheim zu stehen hat. Der Gemeinderat kann das freilich ändern – allein er dürfte dies kaum tun, solange die Zukunft der Bewohnerinnen und Bewohner ungewiss ist.





















