Studie stellt Rundfunkräten im ÖRR schlechtes Zeugnis aus | ABC-Z

„Der Einfluss der Politik auf die Gremien – gleich ob Rundfunk- oder Verwaltungsrat – ist nach wie vor immens“: Darauf lautet das Ergebnis einer Analyse der Otto-Brenner-Stiftung, die der F.A.Z. vorab exklusiv vorliegt. 41 Prozent der von Verbänden entsandten Rundfunkratsmitglieder von ARD, ZDF, Deutschlandradio und Deutscher Welle seien, nach eigenen Angaben, Mitglied einer Partei. Bei den Verwaltungsräten liege die Quote sogar bei 53 Prozent.
Damit sei die Politik überaus präsent in den Gremien vertreten. Nach der Vorgabe des sogenannten ZDF-Urteils des Bundesverfassungsgerichts von 2014 darf der Anteil staatlicher und staatsnahen Vertreter nicht mehr als ein Drittel der Mitglieder des jeweiligen Gremiums ausmachen. Die Zugehörigkeit zu Parteien ist damit allerdings nicht umfasst.
Die Untersuchung fragt auch nach der Arbeitsorganisation und Ausstattung der Gremien. Die Zahlen zeigen, dass die Finanzierung der Gremienbüros stark variiert. Die Gremienarbeit sei teuer, und der Bedarf an Mitteln und Personal steige mit den wachsenden Anforderungen, die der novellierte Medienstaatsvertrag vorsehe, weiter. Fachpersonal sei notwendig, um die Unabhängigkeit der Gremien, beispielsweise vom Justiziariat eines Senders, sicherzustellen, so die Studie.
Sitzungsgelder und Reisekosten
Sitzungsgelder und Reisekosten machten einen Großteil der Gremienetats aus. Vollständige Zahlen nannten nur die Büros von MDR, SWR, WDR, ZDF und Deutschlandradio. Mehrere Anstalten wiesen darauf hin, dass „die Zahlen nicht vergleichbar“ wären, und blieben eine konkrete Antwort schuldig. Der MDR hatte etwa 2023 einen Etat von 1,28 Millionen Euro für die Arbeit des Gremienbüros und der Gremien. Davon entfiel fast die Hälfte auf Aufwandsentschädigungen von 599.000 Euro. Der SWR nennt für das gleiche Jahr 1,82 Millionen Euro. Die Personalaufwendungen beziffert das Gremienbüro mit rund 640.000 Euro.
Während ein einfaches Mitglied im WDR-Rundfunkrat 1000 Euro (stellvertretende Mitglieder: 500 Euro) monatliche Pauschale und 200 Euro Sitzungsgeld erhalte, bekämen die Gremienmitglieder des Saarländischen Rundfunks keine monatliche Pauschale und 75 Euro Sitzungsgeld. Auch bei den Verwaltungsräten sei der WDR Spitzenreiter mit 1500 Euro monatlicher Pauschale (aber kein Sitzungsgeld), während die Verwaltungsratsmitglieder von Radio Bremen gerade einmal 78 Euro monatliche Pauschale und 73 Euro Sitzungsgeld erhielten.
Der Journalist und Medienblogger Peter Stawowy analysierte für die Untersuchung im Zeitraum April bis September 2024 die soziodemographischen und strukturellen Hintergründe von 772 Rundfunkrats- und Verwaltungsratsmitgliedern, die in den Gremien von zwölf Anstalten Mandate wahrnehmen. Die demokratische Kontrolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch die Räte sei wichtig, unterstreicht Stawowy. Allerdings seien die Strukturen alles andere als zeitgemäß.
Stawowy knüpft an die Analyse des verstorbenen Medienjournalisten Fritz Wolf aus dem Jahr 2013 an, die ebenfalls im Auftrag der Otto-Brenner-Stiftung entstand. Wolf hielt damals fest, dass die Rundfunkgremien wesentlich transparenter arbeiten sollten. Zudem müsse der Einfluss der Parteien und des Staates zurückgedrängt werden. Die Arbeit der Rundfunkräte sollte deutlich professionalisiert werden, schrieb Wolf. Stawowy kommt zu dem Schluss, dass sich nicht viel verändert habe, „dass die Gremien nach wie vor die Öffentlichkeit scheuen und offenkundig lieber unter sich bleiben möchten. Eine ernsthafte, dialogische Rückkoppelung der eigenen Arbeit in die Öffentlichkeit, etwa durch Dialogveranstaltungen und Austausch, sucht man vergeblich.“
Die gesellschaftliche Kontrolle der Rundfunkanstalten lasse sich erheblich verbessern, so die Analyse. Analog zu der herrschenden Skepsis, ob die Rundfunkanstalten in der Lage sind, sich von innen heraus zu reformieren, stellt der Autor die Frage, ob die Gremien in der Lage sind, ihre Strukturen zu modernisieren und sich zu öffnen. In einer Öffnung, so Stawowy, liege die große Chance, das Vertrauen in die Öffentlich-Rechtlichen zu stärken. Der Medienpolitik der Länder sei derweil anzumerken, dass der Glaube an die Reformfähigkeit der Rundfunkräte vergangen sei. Anders lasse sich die Idee, einen Medienrat zu konstituieren, der Leistungsberichte der Sender miteinander vergleiche und die bestehenden Gremien in dieser zentralen Funktion entmachte, nicht deuten.