Stromausfälle im ganzen Land: Iraner leiden unter illegalem Bitcoin-Mining | ABC-Z
Stromausfälle im ganzen Land
Iraner leiden unter illegalem Bitcoin-Mining
15.12.2024, 03:30 Uhr
Irans Präsident Peseschkian rät seinen Landsleuten, zu Hause gegen die Kälte einen Pullover zu tragen. Strom- und Gasversorgung brechen in dem Land regelmäßig zusammen. Experten vermuten, dass die Revolutionsgarden die Energie zum Bitcoin-Schürfen abzweigen.
Im Oktober und November gab es im Iran zum Teil wochenlang Probleme mit der Stromversorgung – in Teheran ebenso wie in entlegenen Provinzen. Die häufigen Störungen beeinträchtigen nicht nur den Alltag der Menschen, sondern auch die gesamte Wirtschaft. Eine Reihe von Faktoren dürfte bei den jüngsten Stromausfällen eine Rolle spielen: etwa marode Infrastruktur und Missmanagement, aber wohl auch eine zunehmende Verbreitung des energieintensiven Schürfens von Bitcoins.
Die wegen des iranischen Atomprogramms verhängten internationalen Sanktionen belasten die Wirtschaft des Landes seit Jahren. Hinzu kommen die jüngsten militärischen Rückschläge mehrerer Verbündeter im Nahen Osten. Die Treibstoff-Reserven Teherans sind stark gesunken. Womöglich versucht die Regierung, durch Verkäufe Engpässe im Staatshaushalt zu kompensieren. Der Bedarf an Energie ist derweil nicht zurückgegangen – obwohl der Sommer, in dem viele Klimaanlagen laufen, längst vorbei ist, und die Heizperiode noch nicht ihren Höhepunkt erreicht hat.
Parallel erlebt die globale Krypto-Branche seit dem Wahlsieg von Donald Trump in den USA einen Höhenflug. In der vergangenen Woche überschritt der Wert der digitalen Währung Bitcoin erstmals die Schwelle von 100.000 Dollar. Dies geschah nur wenige Stunden nach der Ankündigung Trumps, den Krypto-Befürworter Paul Atkins als neuen Leiter der US-Börsenaufsicht SEC zu nominieren.
Stromausfälle in Teheran alltäglich
Die Hoffnung, von dem Boom zu profitieren, dürfte Akteure in vielen Teilen der Welt dazu veranlassen, sich in das Bitcoin-Mining zu stürzen – auch im Iran. Für das sogenannte Schürfen von Einheiten der Währung werden leistungsfähige Computer benötigt. Und die verbrauchen sehr viel Energie. “Leider nutzen einige opportunistische und ausbeuterische Personen subventionierten Strom, öffentliche Netze und andere Ressourcen für unautorisiertes Mining von Kryptowährungen”, sagte Mostafa Radschabi, Chef das nationalen Energieversorgers, bereits im August.
Schon länger gibt es im Iran immer mal wieder Stromausfälle, weil viele Kraftwerke mit in die Jahre gekommener Ausrüstung arbeiten. Doch die Probleme haben zuletzt deutlich zugenommen. Im Sommer war die Versorgung in Gewerbegebieten in der Nähe von Teheran und anderen Städten für längere Zeit gestört. Im Oktober und November wurden Stromausfälle während des Tages auch in Wohngebieten in ganz Teheran zur Norm.
Zum Teil wird auf Folgen des Klimawandels verwiesen: Wegen anhaltender Trockenheit erzeugen iranische Wasserkraftwerke weniger Strom als sonst. Präsident Massud Peseschkian hat zudem die besonders umweltschädliche Verbrennung von Masut, einem Restprodukt der Erdölraffinerie, stark einschränken lassen. Obwohl der Iran über die nach Russland weltweit zweitgrößten Erdgas-Vorkommen verfügt, sind die Reserven derzeit auf einem niedrigen Stand. Eine offizielle Erklärung dafür gibt es nicht.
Wo fließt die ganze Energie hin?
Peseschkian sagte im November nur, er wolle die Öffentlichkeit ehrlich über die Energie-Situation informieren. “In der aktuellen Lage und wegen der kalten Jahreszeit haben wir keine andere Wahl, als sparsam mit Energie, und insbesondere mit Gas, umzugehen”, betonte er. “Ich selber trage zu Hause warme Kleidung. Andere können das Gleiche tun.”
Noch ist die winterliche Heizperiode im Iran aber gar nicht in vollem Gange. Insofern stellt sich schon die Frage, wohin die ganze Energie derzeit fließt? In vielen ärmeren und dicht besiedelten Wohngebieten haben die Menschen Zugang zu kostenlosem Strom. Moscheen, Schulen, Kliniken und andere Einrichtungen werden ebenfalls kostenlos versorgt. Da Elektrizität auch sonst zu stark subventionierten Preisen verkauft wird, sind die Voraussetzungen für das Bitcoin-Mining günstig.
Wie viel Energie durch solche Aktivitäten tatsächlich verbraucht werde, sei schwer zu erfassen, denn oft würden virtuelle private Netzwerke genutzt, um die Standorte zu verbergen, sagt Masih Alawi, der Leiter des von der iranischen Regierung offiziell autorisierten Mining-Unternehmens Viraminer. Zum Teil würden auch Wohnungen für die Computerausrüstung angemietet. “Sie verteilen ihre Geräte auf mehrere Apartments, um nicht entdeckt zu werden”, sagt Alawi.
Suche nach illegalen Bitcoin-Farmen
Bereits im Jahr 2021 wurde im Iran laut einer Schätzung bis zu eine Milliarde Dollar mit Bitcoin-Transaktionen generiert. Angesichts des Booms dürfte die Zahl inzwischen noch deutlich höher sein. Die besonders gravierenden Stromausfälle ereigneten sich in der Phase, in der der Bitcoin-Kurs von etwa 67.000 Dollar auf mehr als 100.000 Dollar stieg.
Radschabi, der Chef des nationalen Energieversorgers, sagt, sein Unternehmen biete 725 Dollar Belohnung für Hinweise auf illegale Bitcoin-Farmen. Diese hätten einen abnormalen Anstieg des Verbrauchs sowie von Störungen und Problemen in den Stromnetzen verursacht. Vertreter der Regierung und die staatlich kontrollierten Medien sprechen bisher nicht offiziell von einem Zusammenhang zwischen den Stromausfällen und dem Bitcoin-Mining. Es gibt aber fast täglich Berichte über die Entdeckung von privaten Bitcoin-Farmen durch die Polizei.
Hinweise, dass Revolutionsgarden beteiligt sind
Die USA und Israel haben derweil auch schon Bitcoin-Wallets ins Visier genommen, die mit den Iranischen Revolutionsgarden in Verbindung stehen sollen. Ein “Wallet” ist ein digitales Werkzeug zum Verwalten von Krypto-Vermögenswerten – konkret könnten auf diesem Weg die militanten Verbündeten Teherans in den Kriegsgebieten im Nahen Osten finanziert worden sein. Das wiederum könnte bedeuten, dass die Revolutionsgarden am Bitcoin-Mining beteiligt sind.
Es sei denkbar, dass Teheran Kryptowährungen angesichts des erwarteten Drucks vonseiten der künftigen Trump-Regierung sowie der Probleme der regionalen Verbündeten als eine mögliche Absicherung betrachte, sagt der Iran-Experte Richard Nephew, der für das Washington Institute for Near East Policy arbeitet. Allerdings werde sich dies wohl kaum als ein Wundermittel für den Iran erweisen, betont er – denn auch Bitcoin-Wallets könnten eben zum Ziel von Sanktionen werden.