Stressige Weihnachtszeit: Was hilft? | NDR.de – Ratgeber | ABC-Z
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Der Baum schön geschmückt, das Essen vorbereitet, die Geschenke perfekt eingepackt. Weihnachten löst oft Druck aus. Was kann man dagegen tun? Und was hilft wirklich gegen den Streit unter dem Weihnachtsbaum?
Die Erwartungen an das Fest der Liebe sind jedes Jahr hoch: Haus und Vorgarten müssen geschmückt, die Kekse selbst gebacken und natürlich ihrerseits fein säuberlich dekoriert werden. An Heiligabend soll die ganze Familie – in friedlicher Eintracht vereint unter dem Weihnachtsbaum sitzend – festlich gekleidet und glücklich lächelnd die Geschenke auspacken. Und zwischen dem Beginn der Weihnachtszeit und dem großen Höhepunkt am Heiligen Abend warten jede Menge Termine, in Form von Weihnachtsfeiern, Proben fürs Krippenspiel oder Weihnachtsmarktbesuchen.
Auch Studien belegen, dass die Vorweihnachtszeit zu Stress führen kann. So weist beispielsweise die sogenannte Weihnachtsstudie der Universität der Bundeswehr München nach: Knapp 25 Prozent der 1.200 Befragten empfinden Weihnachten als sehr stressig. Das liegt aber nicht nur an den vielen Terminen, wie Prof. Dr. Christian Roesler weiß. Er lehrt Klinische Psychologie an der Katholischen Hochschule Freiburg und beschäftigt sich unter anderem mit Paar- und Familiendynamiken.
“Weihnachten, dieses spezifische Fest, aktiviert sehr starke Idealisierungen. Sehnsüchte und Wünsche nach einem idealen Beisammensein kommen hoch. Weihnachten, das ist auch das Fest der Heiligen Familie. Ein Kind wird geboren. Und das aktiviert, glaube ich, in vielen Menschen in unserer Kultur eine mehr oder weniger bewusste Sehnsucht nach einem idealen Beisammensein, eine Sehnsucht nach Frieden, Harmonie, sich glücklich und geborgen fühlen zu können.”
Idealisierte Darstellung von Weihnachten als Stressfalle
Gefüttert wird diese Sehnsucht häufig durch idealisierte Darstellungen in der Werbung und sämtlichen Medien: Der leuchtende Weihnachtsbaum, die leuchtenden Kinderaugen. Und auch bei Instagram oder TikTok gibt es genug Inspirationen für das perfekte Weihnachtsfest. Dabei liefern manche Influencer Tipps, wie die Festtage möglichst entspannt und konfliktfrei ablaufen können, direkt mit.
“Ich finde es eigentlich fatal, weil mit solchen Vorschlägen das Perfektionsideal überhaupt nicht in Frage gestellt wird”, so Roesler. Die Vorstellung, Weihnachten müsse perfekt sein, werde so nur weiter befördert. “Wenn man das liest, dann denkt man: ‘Na ja, die anderen machen es auch. Also muss ich es auch so machen, sonst mache ich irgendwas falsch’.”
Weihnachtsstress: Der Idealismus ist Schuld
Es sind also Idealismus und Perfektionismus, die viele Menschen unter Druck setzen. Häufig auch geschürt durch Vergleiche in den Sozialen Medien. Dabei sieht natürlich auch die Realität hinter der glitzernden Instagram-Fassade oft anders aus. Zum Beispiel in Sachen Streit: Eine Umfrage von Statista ergab, dass 24 Prozent der 2021 Befragten an Weihnachten immer oder gelegentlich streiten.
“Schwelende chronische Konflikte gibt es ja in vielen Familien”, so Roesler. Die Menschen gingen diesen häufig das ganze Jahr über aus dem Weg. Das ginge lange gut – bis zum Heiligen Abend. “An Weihnachten steigen die Ansprüche innerhalb der Familien nach Beisammensein. Dann kann man dem auch nicht mehr aus dem Weg gehen, dann entladen sich solche Spannungen.”
Warum eskaliert Streit oft unter dem Weihnachtsbaum?
Am häufigsten kam es laut der Statista-Umfrage zu Streit mit dem Partner oder der Partnerin. Dicht gefolgt von Streitigkeiten mit den eigenen Eltern, wie 35 Prozent der Befragten angaben, die bestätigten, gelegentlich oder häufig an Weihnachten zu streiten. Doch warum? Dr. Marie-Kristin Döbler, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Soziologie an der FAU Erlangen-Nürnberg, erklärt dieses Phänomen mit der sich verändernden Beziehung zwischen Eltern und ihren Kindern.
“Auch die Eltern-Kind-Beziehung spielt eine große Rolle zwischen erwachsenen Kindern und ihren älter geworden Eltern, weil man nicht mehr derjenige ist, der sich alles sagen lassen muss, sondern mitten im Leben steht und eigentlich eigene Entscheidungen trifft. Und trotzdem wird man immer wieder damit konfrontiert, dass die Eltern vielleicht andere Vorstellungen davon hatten, wie man das eigene Leben gestalten solle.”
Aus diesem Grund tauchten Streitigkeiten vermehrt an Weihnachten auf, so die Wissenschaftlerin, “weil man längere Zeit miteinander verbringt, weil Gespräche auftauchen und weil man vielleicht auch wieder in Personenkonstellationen zusammen ist, in denen man lange nicht zusammen war.”
Tipps, wie man Stress und Streit in der Weihnachtszeit vermeidet, gibt es viele: Sei es in den Sozialen Medien, von Freunden und Bekannten oder in diversen Ratgebern. Ob diese Tipps hilfreich sind, ist laut Döbler eine Einzelfallfrage: “Wenn ich mir vorstelle, man liegt im Clinch mit den eigenen Eltern über ein bestimmtes Thema und es kann an Weihnachten immer wieder auftauchen, dann ist es natürlich eine schwerwiegende Entscheidung, die eigenen Eltern unter Umständen an Weihnachten auszuladen”, so die Wissenschaftlerin. Das könne den Stress vielleicht nur ins Vorfeld verlagern oder andere Konflikte heraufbeschwören.
Stress an den Feiertagen: Was hilft wirklich?
Und was hilft nun wirklich gegen den Stress an den Feiertagen? Prof. Dr. Christian Roesler hat hier einen scheinbar einfachen Tipp: Selbstreflexion, allein oder auch mit vertrauten anderen, wie etwa guten Freunden:
“Welche latenten Sehnsüchte, Wünsche, Vorstellungen und Erwartungen habe ich denn in Bezug auf dieses Fest? Wenn man sich über die eigenen Ansprüche klarer wird, kann man sich besser entscheiden: Was will ich denn damit tun?”
Und das, so hat es die vergangene Weihnachtsstudie ergeben, scheint durchaus der Fall zu sein: 51 Prozent der Befragten gaben an, weniger Erwartungen zu haben.
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