Streit um 280 Jahre altes Bauernhaus in München – jetzt konnte es gerettet werden | ABC-Z

Otto Seidl hat sich abgemüht, er hat verhandelt, gestritten – und am Schluss ist dem früheren CSU-Stadtrat auch ein bisserl der Kragen geplatzt.
Aber jetzt ist es ausverhandelt und besiegelt. Das “Bayerwaldhaus”, ein fast 280 Jahre altes Bauernhaus-Kleinod aus Niederbayern, das seit 1983 als Leihgabe an die Stadt idyllisch im Westteil des Westparks steht, wird nun doch nicht abgebaut und abtransportiert. Sondern es darf dort bleiben. Und gehört jetzt ganz offiziell dem Verein “Münchner Kreis für Volksmusik, Lied und Tanz”, der auch Träger der Wastl-Fanderl-Musikschule ist.
Stube, Kachelofen, Herrgottswinkel
Der Verein, der sich um den Erhalt bayerischer Kultur, Volksmusik und bairischer Sprache kümmert, hat das rund 20 Meter lange Haus mit Stube, Kachelofen, Herrgottswinkel, Küche, Schlafkojen unterm Dach und Saal im ehemaligen Stall vom bisherigen Eigentümer als Schenkung übernommen. Die Überlassungsdokumente sind jetzt unterschrieben.
© Daniel von Loeper
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Münchner sollen zum Singen kommen
“Ich bin glücklich, dass es genau so gekommen ist”, sagt Otto Seidl. Und auch der Musikvereins-Chef Moritz Demer ist froh: “Wir sind stolz, dass wir das Bayerwaldhaus erhalten und weiterführen dürfen. Ich hoffe, dass bald viele Münchnerinnen und Münchner zum Singen und Musizieren herkommen und Freude an der Volkskultur erleben.”

© Daniel von Loeper
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Hickhack im Stadtviertelparlament
Vorausgegangen war eine Menge Hickhack im örtlichen Bezirksausschuss (BA) Sendling-Westpark, dessen Vizechef Otto Seidl ist – um die Frage, wer das historische Bauernhaus künftig nutzen und auch für die Kosten aufkommen soll, die fürs Bayerwaldhaus anstehen.

© Daniel von Loeper
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Letztes Jahr war nämlich aufgefallen, dass das Holzschindeldach des historischen Kleinods aus dem Jahr 1747 marode ist, und eiligst saniert werden muss. Voraussichtliche Kosten: rund 50.000 Euro.
Wer übernimmt die Dachsanierung?
Das Problem nur: Der Eigentümer, die Familie Höltl, die in Niederbayern ein Freilicht-Museumsdorf besitzt und das Bayerwaldhaus für die IGA 1983 in den Westpark gestellt und nie mehr abgeholt hat, wollte die Dachsanierung nicht übernehmen. Sondern das Haus per Schenkung in die Hände des Musikvereins geben, damit der sich weiter kümmert.

© Daniel von Loeper
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“Der Verein hat kein Geld, um das Dach zu decken”
Der Verein war begeistert von der Idee – und Otto Seidl, der dort im Aufsichtsrat sitzt, beantragte im eigenen Bezirksausschuss Sendling-Westpark und auch bei den Nachbar-Gremien in Sendling, Laim, Hadern und Forstenried Fördergelder für die Dachsanierung. Was dann noch fehlt, um die 50.000 Euro zusammenzubekommen, wollte der gut vernetzte Seidl über Spenden einsammeln.
“Der Verein hat natürlich kein Geld, um das Dach neu zu decken”, sagt er, “aber er hat viele Ehrenamtliche, Sänger und Musikanten, die sich um die Pflege des Hauses kümmern und es zur Förderung bayerischer Kultur und Volksmusik nutzen können. Also für Sing- und Musikproben, Veranstaltungen, Feste für die Bürger und so weiter. Das ist doch eine wunderbare Sache, die man als Bezirksausschuss schon fördern kann.”

© Daniel von Loeper
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Widerstand von Grünen, ÖDP und Linken
Im eigenen Stadtviertelparlament Sendling-Westpark stieß der CSU-Mann allerdings auf Widerstand von Grünen, ÖDP und Linken. Nur einen Musikverein für Volkskultur zu fördern, findet die Grünen-Fraktionssprecherin Maria Hemmerlein “problematisch”. Schließlich fehle es im Viertel auch an Räumen für Kultur-, Sozial- und Öko-Initiativen. Dass die Schenkung an die Musikanten quasi schon ausgekartelt war, kam nicht gut an.

© Daniel von Loeper
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Es solle deshalb lieber die Stadt das Bauernhaus übernehmen, samt den Dachsanierungskosten, forderte sie. Und der fraktionslose BA-Kollege Dieter Meyer beantragte im Mai, der OB müsse sich für eine städtische Übernahme einsetzen. Einen Zuschuss von 15.000 Euro aus dem BA für den Verein lehnte das Gremium mehrheitlich gegen CSU, SPD und FDP ab. Auch die Nachbar-BAs zögerten mit Geldzusagen.

© Daniel von Loeper
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“Der OB muss überhaupt nix!”
“Der OB muss überhaupt nix!”, polterte Seidl daraufhin stocksauer. Zumal das Stadtsäckel bekanntermaßen leer ist – und kein Geld da für die Sanierung eines Bauernhofdachs. “Das war meine erste Amtshandlung schon im Winter, zu klären, ob die Stadt das Haus samt Kosten übernehmen will”, sagt Seidl, “das wollte sie natürlich nicht.”
Eigentümer wollte das Haus zurückholen
Als die Eigentümerfamilie Höltl dann ankündigte, das Bayerwaldhaus ins Museumsdorf zurückzuholen, wenn keine Schenkung zustande kommt, ist Seidl dann der Kragen geplatzt – und er hat seine Spendensammel-Aktivitäten ausgeweitet.

© Daniel von Loeper
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“Ich habe vor zwei Wochen alle meine Fördergeld-Anträge zurückgezogen”, sagt er zur AZ. “Wenn die BA-Kollegen sich stur stellen, machen wir es eben allein.” Die 50.000 Euro sind nämlich jetzt beieinander. Der Maibaumverein Sendling-Westpark, viele Bürger, Unternehmer, Freunde und zwei Stiftungen hätten mitgeholfen.
Die Sanierungsarbeiten am Dach sind angelaufen
Im September hat der Stadtrat offiziell eine Schenkung an die Stadt abgelehnt und zugestimmt, dass der Volksmusikverein das Kleinod auf städtischem Grund übernimmt. Der “Gestattungsvertrag” ist unterschrieben.

© Daniel von Loeper
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Seit dem Wochenende sind auch die Bauarbeiten am Bayerwaldhaus angelaufen. “Gerade werden die letzten Schindeln runtergenommen”, sagt Moritz Demer, “dann kommen Tonziegel drauf, die lang haltbar sind.”
Im April gibt es ein Dankesfest für die Spender
Über den Winter soll das Bauernhaus, das zwar Strom und Wasser hat, aber weder Isolierung noch Heizung, geputzt und geweißelt werden. Seidl: “Das wird ein Schmuckstück im Westpark.” Für April plant der Verein ein Dankesfest für alle Spender, Bürger und Volkskulturfans.
Danach geht es los mit Singabenden für Jodler und Gstanzl, Tanzkursen für Polka und Siebenschritt. Brotbacken im Garten. Und Musikanten, die mit Ziach, Harfe und Harmonika aufspielen. Mitmachen und lernen darf jeder. Und für Feste mieten wird man das Haus auch können. Nur die Musik sollte man am besten selber spielen. Nicht zwingend bayerisch. Aber ohne Verstärker. Weil eine Partylocation soll es nicht werden.
AZ-Info: Die Reise des Bayerwaldhauses
Das Bayerwaldhaus, gebaut 1747, ist ursprünglich mitten im niederbayerischen Dorf Oblfing bei Schöllnach (kurz vor Passau) gestanden. Dort wurde es abgebaut und 20 Kilometer weiter, im “Museumsdorf Bayerischer Wald” in Tittling am Dreiburgensee (eins der größten Freilichtmuseen Europas) wieder aufgebaut. Georg Höltl, der Begründer von Rotel Tours (dem rollenden Hotel) hat dort seit 1974 auf 25 Hektar Land über 150 bäuerliche Anwesen, Kapellen und Mühlen (1580-1850) und rund 60.000 volkskundliche Objekte wie historischen Hausrat und Gerätschaften gesammelt, damit die Zeugen der Vergangenheit erhalten bleiben.

© Museumsdorf Bayerischer Wald
von Museumsdorf Bayerischer Wald
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1983 brachte er das Bayerwaldhaus als Leihgabe für die Internationale Gartenausstellung in den Westpark, der extra für die IGA gebaut wurde. Da steht es bis heute.





















