Geopolitik

Streit über den Mindestlohn: Schwarz-Rot diskutiert über höheren Mindestlohn | ABC-Z

Zwischen Union und SPD herrscht weiterhin keine Einigkeit über die Interpretation des im Koalitionsvertrag festgehaltenen Ziels einer Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro. Insbesondere die Frage, wie diese Höhe erreicht werden soll, sorgt für neuen Streit zwischen den beiden künftigen Regierungsparteien – wenngleich es nun auch aus der Union Forderungen nach einer Erhöhung des Satzes gibt. So appellierte der CDU-Sozialpolitiker Karl-Josef Laumann an die Mindestlohnkommission, sie müsse “faire Empfehlungen aussprechen, die die Inflation und die Lebensrealität” von Beschäftigten berücksichtigten. “Hier hat sie zuletzt keine gute Arbeit geleistet”, sagte der Sozialminister von Nordrhein-Westfalen dem Tagesspiegel

Laumann bezog sich damit auf die Mindestlohnempfehlung von 2023. Damals hatten sich die Vertreter von Arbeitgebern und Arbeitnehmern in der Kommission nicht einigen können, woraufhin die Vorsitzende des Gremiums im Sinne der Arbeitgeberseite entschied und eine nur leichte Erhöhung auf 12,82 Euro durchsetzte. Arbeitnehmervertreter hatten eine stärkere Erhöhung gefordert und argumentierten unter anderem mit den höheren Lebenshaltungskosten.

SPD schließt politisch festgelegten Mindestlohn nicht aus

Trotz der Forderung nach einem höheren Mindestlohn will Laumann diese Frage nach eigenen Angaben aber weiterhin der Kommission überlassen. Der Mindestlohn dürfe “kein politischer Spielball sein und Eingriffe der Politik die Ausnahme und kein Dauerzustand”. Damit widersprach Laumann dem SPD-Generalsekretär Matthias Miersch. Dieser hatte angedeutet, seine Partei würde auf einer Erhöhung auf 15 Euro per Gesetz beharren, sollte die Mindestlohnkommission nicht von selbst eine solche Empfehlung aussprechen.

Die SPD habe “auch in anderen Fällen schon bewiesen, dass wir, wenn
diese Kommission beispielsweise nicht dementsprechend handelt, (…) gesetzgeberisch tätig werden können”, sagte Miersch im Podcast Table.Today. Damit bezog er sich auf die Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro durch die Ampelkoalition. Das war eine zentrale Wahlkampfforderung der SPD gewesen. Sie war mit der Zusicherung verbunden gewesen, dass es sich um eine einmalige Erhöhung an der Kommission vorbei handeln soll.

Vage Formulierungen im Koalitionsvertrag

Im Koalitionsvertrag haben Union und SPD vereinbart, eine Erhöhung auf 15 Euro anzustreben. Dabei gehen die Parteien davon aus, dass die Mindestlohnkommission einen entsprechenden Vorschlag machen wird. Das Gremium, das politisch unabhängig agiert, will künftig laut einer im Januar aktualisierten Geschäftsordnung die EU-Empfehlung berücksichtigen, wonach der Mindestlohn bei 60 Prozent des mittleren Einkommens liegen soll. 

Ökonomen zufolge könnte das eine Erhöhung auf etwa 15 Euro bedeuten – allerdings nur, wenn die Kommission das als tatsächlichen Zielwert versteht und nicht als grobe Orientierung. Im Koalitionsvertrag von Schwarz-Rot ist zwar davon die Rede, dass die Kommission unabhängig bleibe – eine Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro per politischen Beschluss wird darin aber nicht ausdrücklich ausgeschlossen.  

Arbeitgeber warnen vor Stellenabbau und Schwarzarbeit

Unterdessen streiten sich auch Lobbyverbände und Forschungsinstitute über den richtigen Kurs beim Mindestlohn. So warnte etwa der Arbeitgeberverband Gesamtmetall vor der anvisierten Erhöhung: “Eine politisch erzwungene Anhebung auf 15 Euro würde einen Anstieg in nur zehn Jahren von über 76 Prozent bedeuten. Damit können die Tariflöhne nicht Schritt halten”, sagte Hauptgeschäftsführer Oliver Zander der Bild-Zeitung. So sei der Mindestlohn mit derzeit 12,82 Euro schon jetzt um 50 Prozent höher als bei seiner Einführung, als er 8,50 Euro betragen hatte. Die Tariflöhne hätten in dieser Zeit aber um nur 29 Prozent zugelegt. 

Zander sprach sich somit nicht nur gegen eine politische Festlegung des Mindestlohns aus, sondern auch gegen eine Erhöhung auf 15 Euro. “In der längsten Wirtschaftskrise seit Gründung der Bundesrepublik” würde das “schwere wirtschaftliche Schäden anrichten”, sagte er. Die Folge seien steigende Preise, Stellenabbau, mehr Schwarzarbeit und eine Zunahme bei Geschäftsaufgaben.

Dem widersprach das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). “Ein Mindestlohn von 15 Euro dürfte sich gesamtwirtschaftlich positiv für die deutsche Wirtschaft auswirken”, sagte DIW-Präsident Marcel Fratzscher der Rheinischen Post. Er argumentierte, dass ein höherer Mindestlohn den Binnenkonsum erhöhen würde. Zwar bedeute eine Verschiebung der Beschäftigung zu Unternehmen, die einen höheren Lohn zahlen könnten, Nachteile für Firmen, die dies nicht könnten. “Für die gesamte Wirtschaft erhöht die Verschiebung jedoch die Effizienz und die Produktivität”, sagte Fratzscher.   

Back to top button