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Streiks abgewendet: Deutsche Bahn und EVG einigen sich auf Tarifvertrag – Wirtschaft | ABC-Z

Die Deutsche Bahn und die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) haben sich auf einen neuen Tarifvertrag für fast 200 000  Beschäftigte geeinigt. Das teilten beide Seiten am Sonntag in Berlin mit. Der nächste Warnstreik bei der Bahn kommt damit frühestens im März 2026 auf die Fahrgäste zu. Die Mitarbeiter erhalten in den kommenden drei Jahren stufenweise insgesamt 6,5 Prozent mehr Geld, für Schichtarbeiter gibt es darüber hinaus ein Zusatzgeld von weiteren 2,6 Prozent. Der Tarifvertrag läuft 33 Monate, bis Ende 2027.

Eine derart schnelle Einigung in einer Tarifrunde – nach nur drei Wochen und drei Verhandlungsphasen – ist ungewöhnlich. Seit dem Anstieg der Inflation nach der Corona-Pandemie und dem russischen Angriff auf die Ukraine sind Gewerkschaften und Arbeitgeber immer wieder hart aufeinandergeprallt, da beide Seiten unter den gestiegenen Kosten leiden. Arbeitskämpfe haben tendenziell zugenommen.

Bei der Bahn kennen sie sich damit aus: Die EVG-Konkurrenzgewerkschaft GDL hat unter ihrem langjährigen Vorsitzenden Claus Weselsky immer wieder tagelang den Verkehr lahmgelegt, zuletzt 2024. Im Jahr zuvor war es die EVG, die mit einem großen Verkehrsstreik, zu dem sie zusammen mit Verdi aufgerufen hatte, der Bahn empfindlich zusetzte.

„Ganz nah an unserer Forderung.“

Nun aber war eine schnelle Einigung das erklärte Ziel beider Seiten. Seit Ende Januar trafen sich Bahn und EVG im Wochentakt, zuletzt dauerten die Verhandlungen nach Angaben aus Teilnehmerkreisen oft bis tief in die Nacht. Die Gewerkschaft hatte sich erfolgreich darum bemüht, die eigentlich für März terminierten Verhandlungen vorzuziehen. Bis zur Bundestagswahl am 23. Februar sollte der neue Tarifvertrag stehen.

Die nun vereinbarte Entgelterhöhung kommt in drei Schritten: Von Juli 2025 an erhalten Mitarbeiter mit EVG-Tarifverträgen zunächst zwei Prozent mehr Geld. Ein Jahr später, im Juli 2026, folgt dann die zweite Erhöhung um 2,5 Prozent. Von Dezember 2027 an gibt es dann eine jährliche Sonderzahlung in Höhe von weiteren zwei Prozent des Gehalts. Im April 2025 erhalten die Beschäftigten darüber hinaus eine einmalige Zahlung von 200 Euro – und auch einen steuerfreien Bonus allein für EVG-Mitglieder hat die Gewerkschaft durchgesetzt. „Damit sind wir ganz nah an unserer Forderung“, sagt EVG-Verhandlungsführerin Cosima Ingenschay. DB-Personalvorstand Martin Seiler spricht von einem „ausgewogenen Abschluss, der beiden Seiten in einer schwierigen Phase des Unternehmens gerecht wird“.

Das Zusatzgeld für den Schichtdienst wird ab Dezember 2026 ausgezahlt. Ab 2027 sollen langjährig Schichtarbeitende sowie Schichtarbeitende, die etwa Kinder betreuen oder Angehörige pflegen, zudem die Möglichkeit bekommen, das Zusatzgeld teilweise in freie Tage umzuwandeln. Für die Dauer des Tarifvertrags, das heißt bis 31. Dezember 2027, gilt eine Beschäftigungssicherung für die Mitarbeiter, sie können bis dahin also nicht gekündigt werden.

Druck auf allen Seiten

Die Beschäftigungssicherung ist Ausdruck der Unsicherheit, die sich gerade bei der Bahn breitmacht. Bei den Mitarbeitern und auch auf Arbeitgeberseite gibt es Sorgen darüber, was nach der Bundestagswahl aus dem Konzern wird. Insbesondere die Beschäftigten sind verunsichert, weil die Union – als wahrscheinlicher Teil einer kommenden Bundesregierung – offen mit einer Aufspaltung der Bahn liebäugelt. Was das für die Arbeitsplätze und den von der EVG viel gelobten internen Arbeitsmarkt im Staatskonzern bedeuten würde: völlig unklar.

Doch auch der Vorstand um Bahn-Chef Richard Lutz steht unter Druck: Dem Konzern droht abermals eine tiefrote Jahresbilanz, die Fernzüge waren im vergangenen Jahr so unpünktlich wie seit 21 Jahren nicht mehr. Und die Infrastruktur ist so marode, dass nur mit einer Vielzahl von Vollsperrungen in den kommenden Jahren überhaupt Besserung in Sicht ist.

Ende vergangenen Jahres hat Lutz ein umfassendes Sanierungskonzept namens „S3“ vorgelegt, das den Konzern aus der Krise holen soll. Der Plan: Bis Ende 2027 – die Dauer des Tarifvertrags ist nicht zufällig gewählt – nicht nur profitabel, sondern auch pünktlich werden. Sprich: 75 bis 80 Prozent der Fernzüge sollen wieder planmäßig ankommen. Hinter vorgehaltener Hand bezweifeln zwar selbst einige Bahn-Aufsichtsräte, dass die Ziele realistisch sind. Intern ist jedoch die Maßgabe: Es gibt keine Alternative, das Sanierungskonzept muss funktionieren. „Die sehr lange Laufzeit gibt uns die Planungssicherheit, die wir für die erfolgreiche Sanierung der Bahn dringend brauchen“, sagt Seiler.

Eine monatelange Auseinandersetzung mit der Hausgewerkschaft wäre in dieser Lage äußerst ungelegen gekommen. Wegen des ohnehin ramponierten Images der Bahn – und weil mögliche Streiks erneut Umsätze und Pünktlichkeitswerte belastet hätten. Die Union wird beides in den kommenden Wochen und Monaten ganz genau beobachten und ihre Schlüsse daraus ziehen.

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