“Streik! Streik!”: Boeing-Mitarbeiter “wütend” über 25 Prozent mehr Lohn | ABC-Z
“Streik! Streik!”
Boeing-Mitarbeiter “wütend” über 25 Prozent mehr Lohn
10.09.2024, 16:15 Uhr
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Jahrelang übten die Mitarbeiter in den Flugzeugwerken von Boeing Verzicht. Ein neuer Tarifvertrag verspricht ihnen nun erstmals wieder deutlich mehr Geld. Doch das vereinbarte Lohnplus ist nicht nur im Vergleich zur Vergütung des Ex-Konzernchefs unbefriedigend.
25 Prozent mehr Gehalt! Die US-Gewerkschaft der Maschinisten und Luftfahrt-Arbeiter (IAM) und dem seit Jahren kriselnden Flugzeugbauer Boeing einigten sich am Wochenende auf eine Lohnsteigerung, von der viele Arbeitnehmer in anderen Unternehmen kaum zu träumen wagen. Dennoch löste die Nachricht von dem Verhandlungsergebnis keinen Jubel in der Belegschaft aus. Im Gegenteil: Während die Investoren des angeschlagenen Konzerns erleichtert reagierten und der Aktienkurs stieg, versammelten sich Arbeiter an mehreren Boeing-Standorten in den USA spontan zu Protestkundgebungen. “Wir werden diesen Schrottvertrag zurückweisen”, ruft ein Mann mit Megafon von einer Bühne herab der Menge zu, wie in einem Video zu sehen ist, das in sozialen Netzwerken verbreitet wurde. Die Menge antwortet mit “Streik, Streik”-Rufen.
Am Donnerstag sollen die Gewerkschaftsmitglieder abstimmen, ob sie das Verhandlungsergebnis annehmen. Selbst IAM-Verhandlungsführer Jon Holden sagte der “Seattle Times”, eine Ablehnung und eine Entscheidung der Arbeiter für einen Streik sei zu erwarten. Seiner Einschätzung nach ist der vorliegende Deal das beste, was ohne Arbeitskampf herauszuholen sei. Der Fokus der Gewerkschaft in den Verhandlungen habe vor allem auf der Sicherung von Arbeitsplätzen gelegen. Er könne aber nachvollziehen, dass die Boeing-Mitarbeiter “wütend” seien.
Dass die 25 Prozent Lohnsteigerung bei den 32.000 vom Tarifvertrag betroffenen Boeing-Mitarbeitern keine Begeisterung auslösen, hat mehrere Gründe. So werden die Löhne nicht auf einmal entsprechend angehoben, sondern in Schritten über vier Jahre. Gleichzeitig sollen leistungsabhängige Bonuszahlungen wegfallen. Zudem seien, so machen die Kritiker geltend, zehn Jahre seit der letzten Gehaltserhöhung vergangen. Der angebotene Deal gleiche daher für viele Mitarbeiter nicht einmal den Kaufkraftverlust durch die Inflation aus. Enttäuschend ist für die Boeing-Mitarbeiter auch, dass die betriebliche Altersvorsorge, die vor zehn Jahren in Rahmen von Sparmaßnahmen gestrichen worden war, nicht wieder aufgenommen wird.
“Das letzte, was Boeing jetzt braucht”
Die Gewerkschaft war nicht nur mit der Forderung nach der Wiedereinführung solcher Arbeitgeberleistungen in die Verhandlungen gegangen, sondern auch nach einem Lohnplus von 40 Prozent. Ob sich der Konzern dies leisten könnte, ist allerdings zweifelhaft. Boeing steckt seit Jahren in einer tiefen Krise, ausgelöst vor allem durch schwere Qualitätsprobleme bei seinen Bestseller-Modellen 737 und 787. Die Einigung mit der Gewerkschaft im Tarifkonflikt wurde von Analysten als Schritt zur Stabilisierung unter dem neuen Boeing-Chef Kelly Ortberg aufgenommen. Außer den Forderungen der Arbeitnehmer muss Ortberg auch aufwendige – das heißt teure – Auflagen der Behörden für die Qualitätssicherung in der Produktion erfüllen. “Das letzte, was Boeing jetzt braucht, ist ein Streik”, sagte Analyst Ron Epstein von der Bank of America.
Besonders gering wirkt die bisher ausgehandelte Lohnsteigerung, wenn sie mit der Kompensation des vor wenigen Monaten zurückgetretenen, ehemaligen Konzernchefs Dennis Calhoun verglichen wird. Die Vergütung von Calhoun, der in seiner knapp vierjährigen Zeit an der Unternehmensspitze die Probleme bei Boeing nicht in den Griff bekam, war innerhalb eines Jahres von 2022 auf 2023 um gut zehn Millionen Dollar auf etwa 33 Millionen Dollar gestiegen.