Stilkritik: Venezualas Präsident Nicolás Maduro tanzt zu einem Remix: “No war” – Panorama | ABC-Z

Bisher schien unrhythmisches Gezappel Diktatoren ja eher ein Dorn im Auge zu sein. Lieber blickten sie in Uniform ins Feld und pressten die von ihnen regierten Massen in statische Blöcke, um sie besser unter Kontrolle zu halten. Und wenn dort mal jemand aus der Reihe tanzte, da bekam er ein Problem. Denn nichts fürchteten auch einige Könige und Bischöfe mehr, als dass man ihnen auf der Nase herumtanzen könnte. Schon im Jahr 1668 warnte der Schriftsteller Johann Prätorius vor dem „Wirbeltanz voller schändlicher und unflätiger Geberden“. Aber auch 300 Jahre später noch war musikalische Ekstase eher was für Pilzköpfe, Halbstarke, Jazzer und Hippies, die sich zu Ravi Shankars Sitar-Klängen unbedingt im Schlamm wälzen wollten.
Was also sagt es aus, dass Autokraten heute plötzlich einen auf Disco machen? Der russische Präsident Wladimir Putin hat sich gerade auf einer Firmenveranstaltung von einem humanoiden Roboter antanzen lassen und fand das, wie er sagte, sehr schön. Auch Donald Trump groovte jüngst wieder. Bewegte seine Arme auf einem Rollfeld in Malaysia zu den Klängen einer Militärkapelle und wirkte dabei nur ein bisschen wie ein Kind, das seinen Pullover nicht über den Kopf bekommt. Tanzen, auch angetanzt zu werden, kann ungeheuer befreiend sein. „Super, nächstes Mal gehen wir zusammen tanzen“, soll Bundeskanzler Friedrich Merz zu Brasiliens Präsident Lula da Silva gesagt haben. Nach dem kleinen Fauxpas bei der Klimakonferenz in Belém, das Merz weniger gut gefiel als Berlin. Merz und Lula da Silva sind übrigens keine Autokraten.
Aber jetzt tanzte plötzlich auch der venezolanische Diktator Nicolás Maduro in seinem Präsidentenpalast. Zu einem Remix einer Rede von ihm: „No war, yes peace“. Neben ihm bewegten sich ein paar junge fröhliche Studenten.
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Wahrscheinlich taten sie es alle wegen der vielen US-Kriegsschiffe, die gerade vor Venezuelas Küste im Karibischen Meer auflaufen. Es könnte sich um eine Form von „Angetanze“ an Trump gehandelt haben. Denn erst kürzlich hatte Maduro seine amerikanophile Musikalität bereits woanders unter Beweis gestellt: Als er vor seinen Anhängern das Friedenslied „Imagine“ intonierte. Das wurde übrigens mal von einem Hippie geschrieben. Dass jetzt aber ein Diktator „Imagine“ singt, das war dann schon neu. Na, was man halt so tut, wenn man um seine Macht fürchtet. Wollte Maduro den US-Präsidenten auf diese Weise einfach nur milde stimmen?
Von der venezolanischen Oppositionspolitikerin María Corina Machado übrigens finden sich keine Tanzvideos im Netz. Wenn sie am 10. Dezember zur Friedensnobelpreis-Überreichung nach Oslo reist, so weiß sie nicht, ob Maduro sie danach wieder in ihr Land lässt. In Venezuela ermittelt nämlich der Generalstaatsanwalt gegen sie – wegen „Verschwörung, Aufstachelung zum Hass und Terrorismus“.
Man muss heute schon wirklich sehr genau aufpassen, wer einen da so antanzt. Es könnte auch ein Autokrat sein. Oder ein Roboter. Und der ist unter Umständen dann nicht ganz so lustig wie Chaplins „Der große Diktator“, wenn er zu Wagners Lohengrin-Klängen auf dem Schreibtisch mit der Weltkugel tanzt. So lang, bis diese platzt.





















