Basketball-EM: Danke, MagentaSport! Dieser Titel war eine TV-Sternstunde | ABC-Z

Die Basketball-EM bei MagentaSport ist ein Genuss. Am Finalabend wächst die TV-Crew wie die deutsche Mannschaft über sich hinaus. Es kommt zu Szenen, die es zuvor im deutschen Fernsehen nicht gab. Inklusive eines Matrix-Moments der Familie Wagner.
Die deutsche Basketball-Nationalmannschaft holt am Ziel ihrer Reise dank Leidenschaft und Teamgeist in einem dramatischen Finale gegen die Türkei den Europameistertitel. Eine Goldmedaille hat sich auch der übertragende Sender MagentaSport verdient.
Der Streamingdienst hatte die EM über die kompletten zweieinhalb Wochen eng begleitet und dabei analog zur DBB-Auswahl eine beeindruckende Leistung abgeliefert. Wenn es in diesem langen Turnier auch möglicherweise mal ein, zwei schwächere Momente gab, überwog an jedem einzelnen Spieltag stets das Positive.
Sich in einer im öffentlichen Interesse steigenden Randsportart zu bewegen, ist nicht leicht. Während einem Teil der Zuschauer Regeln und Protagonisten vertraut gemacht werden müssen, warten die anderen auf Insides und tiefe Analysen im Basketball-typischen Anglizismen-Sprech. Herausforderungen, die Kommentatoren und Moderatoren mit dem zunehmenden Erfolg der deutschen Mannschaft immer stärker in ein Dilemma zwischen Korbball und „Hoops“ versetzten. Distanzschütze und Balljäger, aber eben auch „Shot Creation“ und „Three‘n D“: Man lieferte ein bisschen Sendung mit der Maus, ohne auf das „And one“ zu verzichten.
Dieser Spagat kann beim Zuschauer schnell Schmerzen und akustische Verletzungen hervorrufen. Doch er gelang mit Bravour. Moderator Jan Lüdeke, eigentlich im Rugby zu Hause, entpuppte sich mit seiner Souveränität und Lockerheit als der Sportart kompatible Conferencier und warf Experte Per Günther gekonnt die Bälle zu.
Der Ex-Nationalspieler punktete gewohnt sicher mit seinen klugen Analysen und Einschätzungen. Mal nachdenklich, mal witzig, aber stets pointiert, authentisch und meinungsstark. Mit seiner leicht schrulligen Art, dem Hang zum Philosophischen und einem Schuss Larmoyanz hat er sich bei aller fachlicher Stärke zudem ein einzigartiges Profil des liebenswerten Nerds gegeben. Günther manifestierte seinen Titel als Deutschlands Basketball-Erklärer Nummer eins.
Die Kommentatoren Sebastian Ulrich und Basketball-Reporter-Legende Michael Körner komplettierten den fachlich herausragend starken Eindruck dann während der laufenden Spiele, Steffen Hamann operierte – für einen TV-Experten nicht selbstverständlich – auch sprachlich stark. Gern ließen wir diese wohltemperierte Runde aus Tampere und Riga alltäglich in unser Wohnzimmer.
Und dann kam der Finalabend.
Beim EM-Finale wachsen alle über sich hinaus
Wie die deutsche Mannschaft hatte sich die Magenta-Fernsehcrew ihren stärksten Auftritt für das Endspiel aufgehoben und wuchs über sich hinaus. Ulrich und Hamann begleiteten die vier Viertel auf dem Gaspedal, ließen sich mitreißen, schalteten aber auch in den richtigen Momenten die Gänge wieder herunter, ohne dabei die Kupplung zu vergessen. Nichts klemmte, alles saß. Fachlich wie emotional – und zuallererst mit ganz viel Liebe für den Sport.
Bei allem Jubel über die Deutschen wurde immer wieder die Hochklassigkeit des Duells in den Fokus gerückt, die starke Leistung der Türkei hervorgehoben. Magenta setzte diesen historischen Abend gekonnt in Szene. Das Duo am Mikro schaffte es, dem von der Dramatik in den Bann gezogenen Zuschauer das Geschehen sachlich korrekt einzuordnen.
Auch und insbesondere im Moment des großen Triumphs. Es waren so viele Geschichten, die diese fantastische Mannschaft und der Abend geschrieben hatten. Doch sie wurden – vielleicht die journalistisch größte Leistung – alle redaktionell auserzählt. Von A über JT bis Z. Nichts fehlte. Eine einzige Bonga-Bonga-Party und ganz großes Dennis.
Dass beinahe alle Beteiligten, Lüdeke, Günter, Ulrich, Hamann, in unterschiedlichen Momenten von ihren Emotionen übermannt wurden, war dann auch weniger als fehlende Distanz zu kritisieren, als vielmehr Ausdruck von Menschlichkeit und Authentizität und der Größe des Moments angemessen.
Schließlich schrieb diese Nationalmannschaft nicht nur mit ihren Erfolgen als Welt- und Europameister Sportgeschichte, sondern begeisterte vor allem mit ihrer einzigartigen Loyalität. Wohl nie waren Zusammenhalt und Gemeinschaftssinn einer deutschen Auswahl größer. Sportart übergreifend. Dieser Kader wurde spätestens während der EM zum leuchtenden Vorbild für Teamgeist und Diversität, Identität stiftend und inspirierend. Diese Mannschaft steht für Mut, Willensstärke (auf dem Feld), Bodenständigkeit und Bescheidenheit (daneben) gleichermaßen.
Gibt es in diesem Land überhaupt jemanden, der dieses Team nicht mag? Man wünscht sich, selbst Teil dieses verschworenen Haufens zu sein. Und auch daran hat die Crew von MagentaSport einen Anteil. Dank ihres Jokers, der schon während des Turniers mehrfach gestochen hatte. Die Einblicke, die der Zuschauer durch den mit seinem Kreuzbandriss aus Kalifornien zugeschalteten Center Moritz Wagner erhielt, unterstrichen den gewonnenen Eindruck einer tiefen, eng miteinander verbundenen Einheit.
Wagner auch in den Interviews mit seinen Mitspielern zuzuschalten, war ein echter Coup. Anfangs noch für beide Seiten etwas ungewohnt und holprig, mit zunehmender Turnierdauer jedoch immer gewinnbringender. Hier redeten Freunde miteinander wie auf den Treppenstufen abends vor dem Hotel. Ohne Filter, ohne Scheu und Scham. Dafür mit viel Flachs, viel Gefühl: „Bro, wir vermissen dich.“ – „Ich wäre so gern bei euch. Ihr fehlt mir.“ Und die TV-Nation schaute ihnen dabei zu. Wussten die eigentlich noch, dass sie auf Sendung waren? Es war als wäre man zufällig in einem Video-Teamcall der Mannschaft gelandet. Nein, so etwas hatte es noch nicht gegeben.
Moritz Wagner und der Matrix-Moment
Die Wagner-Schalten am Finalabend toppten dann noch einmal alles. Der 28-Jährige checkte Nachrichten auf seinem Smartphone, begann plötzlich Dialoge mit Menschen hinter der Kamera. Er lachte, schwitzte, trank, fieberte mit und schrie, uneitel und echt. Manchmal nach vorn übergebeugt verharrend, dass nur noch sein lockiges Haar vor der Laptopkamera zu sehen war. Dann wieder weit nach hinten in seinen Stuhl geworfen, sich die Haare raufend. Immer unter Strom, immer authentisch. Es war herrlich.
„Jungs, Ihr habt euch den falschen hierhin geholt, wenn Ihr jetzt eine Analyse haben wollt“, sagte er nach dem Titelgewinn, um dann doch seine Expertise zu liefern. Der Zuschauer bekam Wagners Gedanken und Einschätzungen, seine Elogen auf einzelne Mitspieler und erhielt dabei dauerhaft Zugang in sein Seelenleben.
Sogar den Videocall mit seiner Mutter aus Riga erlebten wir live mit, als Wagner sein Smartphone umgedreht in die Kamera hielt („Mama, wink mal. Du musst winken!“). Dass die Mutter dabei in der Halle war und aus dem Handy ihres Sohnes in Kalifornien winkte, während im Splitscreen Günther und Lüdeke ihr ebenfalls aus der Halle in Riga zurück nickten, gab der ganzen Übertragung dann noch einen gewissen Matrix-Moment.
Ja, an diesem Abend ging alles. Wagner rügte Interimstrainer Alan Ibrahimagic für dessen Reserviertheit, gab den Feierbefehl aus und überredete ihn gemeinsam mit Kapitän und Turnier-MVP Dennis Schröder zu einer späteren Tanzeinlage („Diesmal hast du deine Hände nicht in den Hosentaschen!“). Schröder war unten vom Court zugeschaltet, Wagner aus den USA, während sich Ibrahimagic im Studio unter der Hallendecke befand. Auch dieser Dreier saß!
Buschmann riskiert Rauswurf bei RTL
Was von diesem Abend aber neben dem sportlichen Triumph bleiben wird, sind die Emotionen. Wagner und seine Mutter, Wagner und seine Jungs, Wagner und Franz. Als Deutschlands bester Spieler im Trikot seines großen Bruders zur Siegerehrung schritt, verschlug es Moritz die Stimme. Mehr als ein: „Das habe ich nicht kommen sehen“ war nicht mehr möglich. Tränen flossen.
So dürfte es auch vielen Zuschauern gegangen sein. Die Minuten nach dem Triumph waren mehr als ein Blick durchs Schlüsselloch. Man war mittendrin und fühlte, wie sehr sich Mannschaft und ihr verletzter emotionaler Leader vermissten. Womöglich wurde Wagner manchem in diesen Momenten sogar zu Inspiration und Vorbild. Ein lautstarker Anführer, groß, selbstbewusst und stark, der ungeniert alle Gefühle zeigte und wie selbstverständlich auch darüber sprach. Wow!
Sternstunden des deutschen Basketballs und der Sportberichterstattung. Selbst Frank Buschmann, bei der EM für RTL am Mikrofon, zollte den Kollegen während des Endspiels live Respekt. Sollen sie ihn bei RTL doch feuern, sagte Buschmann, aber man müsse auch mal sagen, wie gut die Leute von Magenta ihren Job machen würden.
Es war das vielleicht Beste, was es bisher im deutschen Sportfernsehen gegeben hat. Danke, Magenta für diese denkwürdigen EM-Wochen. Danke an Moritz Wagner. Bro, wir werden euch vermissen!
Wenn Lutz Wöckener nicht gerade irgendeinen Sport im Selbstversuch ausprobiert, schreibt er über Darts und Sportpolitik, manchmal aber auch Abseitiges wie Fußball.