Wirtschaft

Steuerbetrug: Kriminelle werden dieses Gesetz lieben | ABC-Z

Wer kann in diesen Tagen, wo jeder über die deutsche Regulierungswut schimpft, schon etwas gegen ein Bürokratieentlastungsgesetz sagen? Es soll an diesem Freitag im Bundesrat beschlossen werden, der Bundestag hat Ende September schon zugestimmt.

Das Problem ist nur: In den 46 Seiten versteckt sich eine kleine Bombe, die den Staat und seine ehrlichen Steuerzahler und Steuerzahlerinnen enorme Summen kosten kann – und die es kriminellen Steuerbetrügern voraussichtlich ermöglicht, viele ergaunerte Milliarden Euro für immer zu behalten.

„Das neue Gesetz würde die Arbeit von Strafverfolgungsbehörden und Finanzämtern fast unmöglich machen“, warnt die langjährige Kölner Oberstaatsanwältin Anne Brorhilker. Sie hat sich mit ihren Ermittlungen gegen Cum-Ex-Steuerhinterzieher einen Namen gemacht und arbeitet jetzt für den Verein Finanzwende. Wenn das Gesetz am Freitag endgültig beschlossen werde, dürften Banken „quasi legal Beweise vernichten“, sagt Brorhilker.

Die Staatsanwältin spricht von „Schredderplänen der Ampel“. Denn das Gesetz sieht vor, dass Unternehmen künftig ihre Buchungsbelege und Rechnungen im Handels- und Steuerrecht schon nach acht Jahren vernichten dürfen statt wie bisher nach zehn. Sie dürfen also zwei Jahre früher wichtiges Beweismaterial verschwinden lassen, das Ermittler dringend benötigen. Beispielsweise, um kriminelle Cum-Cum-Geschäfte aufzudecken und zu belegen.

Cum-Cum-Deals sind eine ähnliche Masche wie die bekannteren Cum-Ex-Geschäfte, derentwegen bereits mehrere Banker zu Haftstrafen verurteilt wurden. Doch Cum-Cum-Geschäfte richten womöglich einen noch größeren finanziellen Schaden an. Der Finanzwissenschaftler Christoph Spengel von der Universität Mannheim hat berechnet, dass dem Staat dadurch seit 2001 rund 25 Milliarden Euro entgangen sein könnten. Milliarden, die sich der Staat eigentlich dringend zurückholen sollte.

Sorge, dass Beweismittel vorzeitig geschreddert werden

Für solche Fälle von besonders schwerer Steuerhinterziehung hat die Bundesregierung die Verjährungsfrist erst kürzlich auf 15 Jahre erhöht. In allen anderen Fällen haben die Finanzämter weiterhin zehn Jahre Zeit, um Steuerbescheide zu ändern. Aber das bringt nichts, wenn die Beweismittel schon Jahre vorher geschreddert und gelöscht werden dürfen. 

Kurios wirkt auch die Begründung im Bürokratieentlastungsgesetz: Die Regierung vermutet, dass 850.000 Firmenchefs ihre Unterlagen noch immer in Papierarchiven lagern und für viel Geld zusätzliche Lagerräume anmieten müssen. Ein Teil dieser Mieten könnten sich die Firmen künftig sparen und würden so um 595 Millionen Euro entlastet werden, behauptet die Regierung – eine sehr hemdsärmelige Schätzung.

Tatsächlich bewahren die meisten Unternehmen und alle Banken ihre Buchungsbelege und Rechnungen längst digital auf. Dann sieht die Rechnung plötzlich ganz mickrig aus: „Sofern ein im Unternehmen bereits vorhandener Server genutzt werden kann, dürften sich die Aufbewahrungskosten durch die Fristverkürzung nicht wesentlich verringern, da der Server ohnehin für anderweitige Nutzungen vorgehalten wird“, geben die Autoren des Gesetzes in der offiziellen Begründung zu. Die Einsparung liege dann gerade noch bei „etwa 12 Euro pro Unternehmen“, wenn man zum Beispiel sieben Gigabyte weniger Serverplatz benötigt. Ein lächerlich geringer Betrag.

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