Stellensuche: Jeder Fünfte steckt in einem Job unverzagt, der ihn unzufrieden macht | ABC-Z
Der angekündigte Stellenabbau in der Autobranche, bei Zulieferern oder in der Industrie hat Arbeitnehmer verunsichert. Viele Beschäftigte, die unzufrieden sind, bleiben deshalb in ihren Jobs, um kein Risiko einzugehen. Viele hält auch das Geld bei ihrem derzeitigen Arbeitgeber.
Mehr als jeder zweite Beschäftigte in Deutschland will seinen Job wechseln. 55 Prozent der Arbeitnehmer geben in einer Befragung durch das Meinungsforschungsinstitut Appinio im Auftrag der Jobplattform Indeed an, wechselwillig zu sein. Die Daten liegen WELT AM SONNTAG vorab vor. Befragt wurden für die Erhebung 549 Arbeitnehmer zwischen 18 und 65 Jahren.
Trotz der anscheinend hohen Unzufriedenheit vieler Beschäftigter ist die Wechselwilligkeit rückläufig. Vor einem Jahr gaben bei der gleichen Befragung noch 61 Prozent der Arbeitnehmer an, sich nach einer neuen Stelle umzusehen. Der Grund für diese Diskrepanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit: Die Lage am Arbeitsmarkt hat sich deutlich eingetrübt.
Zwar dominiert immer noch der Arbeits- und Fachkräftemangel. Doch die Zahl der offenen Stellen hat sich von ihrem Höhepunkt von annähernd zwei Millionen im Jahr 2023 auf derzeit rund 1,3 Millionen beinahe halbiert.
Die Einstellungsbereitschaft vieler Firmen hat sich im Zuge der Konjunkturkrise deutlich verschlechtert, wie Erhebungen des Ifo-Instituts zeigen. Und bei vielen Unternehmen, gerade im verarbeitenden Gewerbe, stehen die Zeichen sogar auf Abbau: Die Arbeitslosenzahl kratzt an der Drei-Millionen-Marke, die führenden Forschungsinstitute rechnen mit einem Jahresdurchschnitt von mehr als sechs Prozent. Die unsichere Lage dürfte also der Grund dafür sein, dass jeder fünfte Angestellte (21 Prozent) trotz Unzufriedenheit im aktuellen Job verweilen will. Das sind doppelt so viele wie noch vor einem Jahr.
Der angekündigte Stellenabbau in der Autobranche, bei Zulieferern oder in der Industrie habe die Arbeitnehmer verunsichert, sagt Frank Hensgens, Indeed-Geschäftsführer im deutschsprachigen Raum. „In diesem fragilen Umfeld sehnen sich die Menschen nach Sicherheit. Also verweilen sie in ihren Jobs, obwohl sie unzufrieden sind, statt mit einer neuen Stelle ins Risiko zu gehen.“ Entsprechend begründen 44 Prozent der Befragten, die trotz Unzufriedenheit an ihrem aktuellen Arbeitsplatz festhalten, ihren fehlenden Wechselwillen mit der Jobsicherheit. Jeder Vierte schätzt darüber hinaus die finanzielle Stabilität der derzeitigen Arbeitssituation. Ebenso viele haben außerdem Angst, dass sich ihre Lage durch einen Wechsel verschlechtern könnte.
Knapp jeder Fünfte will allerdings aktiv nach einer Stelle suchen. Besonders wechselwillig sind der Erhebung zufolge die Beschäftigten im Bereich Bildung. Hier sind 41 Prozent der Befragten offen für neue Jobs, jeder Vierte will aktiv danach suchen. Für die Branche, die ohnehin unter Personalmangel leidet, ist das eine große Herausforderung.
Wie im Vorjahr ist die Aussicht auf ein besseres Gehalt (51 Prozent) die größte Motivation für Wechselgedanken bei den Befragten. Fast genauso wichtig ist ihnen mehr Flexibilität. 46 Prozent der Arbeitnehmer hoffen auf den nächsten Karriereschritt. „Angestellte schätzen zwar die finanzielle Sicherheit ihrer Stelle, würden sie für ein besseres Gehalt und mehr Flexibilität trotzdem verlassen“, so Hensgens.
Die Arbeitsbelastung spielt ebenfalls eine Rolle. Drei Viertel der Befragten (77 Prozent) berichten von Personalmangel in ihrem Unternehmen. Für die Firmen ist das ein doppeltes Problem, denn der Mangel an Mitarbeitern verstärkt den Wechselwillen bei den bereits Beschäftigten. So überlegen zwei Drittel (66 Prozent) derer, die von starkem bis sehr starkem Personalmangel in ihrem Unternehmen berichten, diese im neuen Jahr zu verlassen. „Das Zusammenspiel aus Unzufriedenheit, hoher Arbeitsbelastung wegen Personalmangels und dem sich dadurch verstärkenden Wechselwillen könnte zum Teufelskreis für Arbeitgeber werden“, sagt Hensgens. „Wenn Mitarbeitende das Unternehmen verlassen, wird der Personalmangel größer, die Unzufriedenheit der verbliebenen Angestellten steigt – und damit auch ihr Wechselwille.“