Geopolitik

Stellenboom in Verwaltung: Warum der schlanke Staat hierzulande auch künftig kaum eine Chance hat | ABC-Z

Unter der Ampel sind 11.500 neue Beamtenstellen entstanden. Und obwohl Parteien im Wahlkampf Kürzungsabsichten für den Staatsdienst formulieren, dürfte es anders kommen. Zumindest die SPD ist ehrlich: Der öffentliche Dienst solle „attraktiv“ bleiben. Gemeint sein dürften vor allem Inhaber eines Parteibuchs.

Die Wahlversprechen der Parteien, die für die nächste Regierungsbildung infrage kommen, sind gewohnt vollmundig.

Zum Beispiel beim Thema schlanker Staat. Die Union kündigt eine Verwaltung an, die „schneller, effizienter, digital und mit schlankeren Strukturen“ arbeitet. Die Ministerien sollen „mit mindestens zehn Prozent weniger Personal“ auskommen, die Zahl der Beauftragten der Regierung soll halbiert werden.

Die FDP will die „Zahl der Bundesministerien, Staatssekretäre und Beauftragten deutlich reduzieren“. Ressorts sollen fusionieren, die Stellenzahlen in der Bundesverwaltung sinken. Die Grünen schreiben in ihrem Wahlprogramm davon, „die Ministerialverwaltung des Bundes“ durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz zu verkleinern.

Man braucht keine Glaskugel, um zu prognostizieren: Es wird anders kommen. Denn die Bundesverwaltung ist vom stagnierenden Wachstum in Deutschland ausgenommen, sie erlebt einen seit Langem andauernden und von Regierungsfarben unabhängigen Stellenboom.

So hat die Ampel-Koalition laut einer Analyse der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft 11.500 neue Beamtenstellen geschaffen, das ist ein Plus von 6,3 Prozent gegenüber der Vorgängerregierung. Gegenüber 2017 ist die Beamtenzahl um 27 Prozent gestiegen: von 152.229 auf 194.034. Die Zahl der Parlamentarischen Staatssekretäre, die 1967 noch bei sieben lag und seitdem kontinuierlich wuchs, hat die Ampel auf den historischen Höchstwert von 37 gesteigert.

Ihr Nutzen, der die Gewährung von Dienstwagen und Zusatzbezügen zur Abgeordnetendiät rechtfertigen könnte, ist ebenso umstritten wie jener der wachsenden Zahl von Beauftragten, von denen die Bundesregierung offiziell 45 unterhält, zuständig unter anderem für Meere, Ladesäulen und geschlechtliche Vielfalt. Die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags zählen insgesamt sogar 62 dieser Regierungsposten.

Zumindest von Faesers Vorhaben sah Rot-Grün ab

Insofern ist das Wahlprogramm der SPD am ehrlichsten. Die Sozialdemokraten geben erst gar nicht vor, den Staat zurückschneiden zu wollen. Es soll nur geprüft werden, „welche Zuständigkeiten der Ministerien gebündelt werden können“. Generell aber soll der öffentliche Dienst „stark“ und „attraktiv“ bleiben.

Attraktiv vor allem für Inhaber eines Parteibuches, ließe sich ergänzen. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) wollte die Bundeslaufbahnverordnung dergestalt verändern, dass es bei der Besetzung von Beamtenstellen mehr Ausnahmen von der Ausschreibungspflicht gibt – was die Versorgung von in Ministerien tätigen Genossen erleichtert hätte.

Nach einem Bericht des „Business Insider“ sah das Kabinett von der für diese Woche geplanten Befassung mit dem Vorhaben ab. Man beschränkt sich auf die übliche „Operation Abendsonne“ und wird vor der Neuwahl noch rund zwei Dutzend Staatsdiener befördern.

Der schlanke Staat, so steht zu fürchten, wird ein Wahlversprechen bleiben.

Politikredakteur Thorsten Jungholt ist zuständig für die Berichterstattung über Bundeswehr, Sicherheitspolitik, Justiz und die FDP.

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