Bezirke

Nachhilfelehrer soll Kinder missbraucht haben – Dachau | ABC-Z

Die Anspannung ist der Mutter schon vor ihrer Vernehmung anzusehen. Im Dezember 2023 sei der Kontakt zu dem Nachhilfelehrer über eine Internetplattform zustande gekommen, berichtet die 51-Jährige. Ihre damals elf Jahre alte Tochter Leni (Name geändert) habe eine Matheschwäche. Anfangs habe „alles gut funktioniert“. Leni und der 30 Jahre ältere Nachhilfelehrer hätten sich gut verstanden. Auch das Belohnungssystem, das der Ingenieur vorgeschlagen habe, habe sie und ihren Mann überzeugt: Mit dem Geld, das Leni von ihm und ihren Eltern für gute Leistungen erhalten solle, gehe er mit ihr zum Shoppen.

Etwa 20 Mal habe er der Tochter in ihrem Kinderzimmer Nachhilfe gegeben. Anschließend seien die beiden spazieren gegangen oder zum Shoppen gefahren. Leni sei „freudig heimgekommen“, erinnert sich die Mutter. Auch deshalb, weil der Nachhilfelehrer sie in seine Wohnung mitgenommen habe, wo sie mit seiner Katze habe spielen dürfen.

Beim Lesen von Chats wird der Mutter klar: „Das Schlimmste war passiert“

Mitte April dann das böse Erwachen. Auf dem Handy ihrer Tochter liest die Mutter Chats mit dem Angeklagten. Ihr wird klar: „Das Schlimmste war passiert.“ Die Stimme der 51-Jährigen stockt und sie beginnt zu weinen. Außer dass Leni auf Alltagsfragen aggressiver als sonst reagiert habe, sei ihr in den vier Monaten zuvor nichts aufgefallen, beteuert sie und macht sich Vorwürfe: „Ich hab’ nicht gewusst, dass man sich so täuschen kann“.

Dass der Stundensatz des Ingenieurs leicht unter dem anderer Nachhilfelehrer gelegen und er für zwei Unterrichtsstunden nach schlechten Noten gar nichts verlangt habe, habe die Familie nicht stutzig gemacht. Er freue sich, wenn er anderen Freude bereiten könne, habe der Ingenieur seine Großzügigkeit begründet. Der Nachhilfelehrer habe Leni, die sich schwertue, Freundinnen zu finden, geschmeichelt: „Du bist meine Lieblingsschülerin“, soll er in einem der Chats geschrieben haben.

Leni muss nicht vor dem Landgericht aussagen. Die Videoaufzeichnung ihrer ermittlungsrichterlichen Vernehmung ist unter Ausschluss der Öffentlichkeit abgespielt worden. Wie es dem Mädchen heute geht, will die Vorsitzende Richterin Gunilla Evers wissen. Sie sei „auf dem Weg der Besserung“ und nehme therapeutische Hilfe in Anspruch – so wie sie selbst übrigens auch, antwortete die Mutter. Nach Entdecken der Chats haben sich Lenis Eltern über den Opferschutzverein Weißer Ring an den Dachauer Rechtsanwalt Jürgen Lietz gewandt, der Leni nun auch vor Gericht vertritt.

Der Mann soll auch die Tochter seiner früheren Lebensgefährtin missbraucht haben

Im Zuge der polizeilichen Ermittlungen hat eine ehemalige Lebensgefährtin des Angeklagten angegeben, dass auch ihre Tochter im Alter zwischen fünf und neun Jahren von ihm missbraucht worden sei. Auf Rechnern des 43-Jährigen sind laut Anklage über 5500 kinder- und jugendpornografische Bilder und Videos gefunden worden. Seit Juni vergangenen Jahres sitzt der Ingenieur in Untersuchungshaft.

Offenbar hat die Mutter des Angeklagten nach der Festnahme einen Brief an Lenis Eltern geschrieben. Das „vorpubertäre Mädel“ wisse nicht, was sie sage, fasst Lenis Mutter das Schreiben zusammen. Wegen der Vorwürfe habe ihr Sohn „alles verloren“, heiße es in dem Brief. Im Prozess klingt das jedoch anders: Sein Mandant räume die Taten „grundsätzlich“ ein, erklärt Verteidiger Uwe Paschertz. Die 3000 Euro, die der Ingenieur vor einem Monat angeboten hat, hat Lenis Familie indes abgelehnt. Mit Geld könne der Schaden nicht wieder gutgemacht werden, egal mit welcher Summe, stellt die Mutter klar. Sie und ihr Mann würden versuchen, den laufenden Prozess von ihrer Tochter, die zwar mittlerweile 13, aber „manchmal noch wie elf ist“, fernzuhalten und so zu tun, „als wäre alles gut“. Lenis Sorge sei, dass man ihr als Kind nicht glaubt. Mut mache ihr, dass den Pfefferkörnern in der gleichnamigen Fernsehserie geglaubt werde. Die könnten sonst keine Kriminalfälle lösen. Ob die Strafkammer Leni glaubt, wird sich voraussichtlich in zwei Wochen zeigen: Dann soll das Urteil verkündet werden.

Back to top button