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„Stellen Lebensweise infrage“: Schwuler OB in Neubrandenburg legt Gründe für Rückzug offen | ABC-Z


„Stellen Lebensweise infrage“

Schwuler OB in Neubrandenburg legt Gründe für Rückzug offen

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In Neubrandenburg beschließt die Stadtvertretung, das Aufhängen einer Regenbogenfahne zu untersagen. Nur einen Tag später kündigt der Oberbürgermeister seinen Rücktritt für kommendes Jahr an. Die Entscheidung des kommunalen Parlaments ist für diesen Schritt aber nicht der alleinige Grund.

Der Oberbürgermeister der Stadt Neubrandenburg, Silvio Witt, hat seinen Rückzug von der Stadtspitze erläutert, nachdem die Stadtvertreter beschlossen haben, dass in Zukunft keine Regenbogenfahne mehr vor dem Bahnhof gehisst werden soll. Das Verbot, die Fahne zu hissen, sei allerdings nicht der Grund für seinen Rückzug im Mai kommenden Jahres, sagte der offen schwul lebende OB der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ). „Aber es hat am Ende einer langen Kette von Ereignissen dazu beigetragen.“ Er wolle in einer Stadt leben, in der so eine Flagge hängen darf, so Witt im Gespräch mit dem „Spiegel“.

Vergangene Woche hatte die Stadtvertretung beschlossen, dass in Zukunft keine Regenbogenfahne mehr vor dem Bahnhof gehisst werden soll. Der Antrag stammte von Tim Großmüller, gegen den laut „Nordkurier“ in der Vergangenheit wegen des Verdachts der Bedrohung und Volksverhetzung ermittelt wurde. Die entsprechende Regenbogenflagge war in der Vergangenheit bereits gestohlen und mit Hakenkreuzflaggen ersetzt worden.

In der Kommunalpolitik sei nicht nur der Ton rauer geworden, sondern die Zusammenarbeit insgesamt, so Witt zu seinem Rückzug. „Als ich das Amt vor bald zehn Jahren antrat, nahm ich an, dass man auch deswegen fair miteinander umgeht. Tatsächlich musste ich erleben, dass mit Unterstellungen, Schmähungen, Beleidigungen und Vorwürfen gegen mich gearbeitet wurde“, sagte Witt der FAZ.

OB erfährt Beleidigungen und Unterstellungen

Seine Kraft reiche nicht mehr für die Aufgabe aus, so der parteilose Politiker, der sich selbst als „Mann der Mitte“ beschreibt. „Die Rechten haben aber stets das Narrativ bedient, ich hätte eine homosexuelle Agenda, sei ein Regenbogenbürgermeister. Mir wurde Mobbing von Mitarbeitern unterstellt, das hat die Stadtvertretung nie aufgeklärt“, so Witt. „Dazu gab es sehr oft Beleidigungen. Man nannte mich das Mädchen, den Kleinen, das Männchen – und das alles im höchsten Gremium der Stadt, in der Stadtvertretung. Da ist in den vergangenen Jahren eine Stimmung kreiert und von allen Parteien zugelassen worden, die mit einer konstruktiven Zusammenarbeit nichts zu tun hat.“

Besonders die AfD hat er dabei im Blick. „Die stellen unseren Staat infrage. Die stellen meine Lebensweise infrage, das, was Artikel eins des Grundgesetzes schützt, die Unantastbarkeit der Menschenwürde. Die wollen mir sagen, du darfst dich in der Öffentlichkeit nicht so zeigen, wie du bist“, so der 46-Jährige.

Aus seiner Sicht hätte sich der Beschluss gegen das Aufhängen der Regenbogenflagge möglicherweise verhindern lassen, wenn sich alle gemäßigten Kräfte zusammengeschlossen hätten, sagte der OB dem „Spiegel“. Für ihn handelt es sich um Symbolpolitik, die auf dem Rücken von Minderheiten ausgetragen wird. „Man hat riskiert, dass Neubrandenburg als braune oder blaue Stadt der AfD gilt.“

Doch in der Region erfährt Witt auch Unterstützung. In Neubrandenburg demonstriert am heutigen Donnerstag der Verein QueerNB unter dem Motto „Neubrandenburg für queere Sichtbarkeit“. Die Organisation ruft zudem dazu auf, Regenbogenflaggen an privaten Fenstern, Balkonen und Flaggenmasten aufzuhängen, um ein Stadtbild zu schaffen, das für Vielfalt und Akzeptanz steht.

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