Steinmeier zum Tag der Befreiung: Warum der Bundespräsident überzieht | ABC-Z

Berlin. In seiner Rede zum 8. Mai zieht Frank-Walter Steinmeier einen unangemessenen Vergleich, der Deutschland ohne Not in Probleme bringt.
Gedenkfeiern zum Kriegsende waren Anlässe für große Reden. Richard von Weizsäcker hat Maßstäbe gesetzt, als er 1985 das Kriegsende einen „Tag der Befreiung“ nannte. Seitdem ähnelten sich viele Reden, mehr oder weniger in immer neuen Varianten. Jetzt hat der Bundespräsident ein neues Kapitel aufgeschlagen. In einem kurzen, aber bemerkenswerten Absatz, hebt er Russland und die USA auf eine Ebene, indem er sagt: „Es ist nicht weniger als ein doppelter Epochenbruch – der Angriffskrieg Russlands, der Wertebruch Amerikas –, er markiert das Ende des langen 20. Jahrhunderts“.
Hauptstadt Inside von Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion
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Frank-Walter Steinmeier wird für diesen Satz von Trump-Gegnern viel Beifall bekommen. Aber ist dieser Vergleich auch klug? Kritik an der Trump-Administration ist mehr als berechtigt, das ist keine Frage. Aber selbst die Lügen von Donald Trump, seine bizarren Grönland-Fantasien und die wirre Zollpolitik sind nicht gleichzusetzen mit dem blutigen Überfall Russlands auf die souveräne Ukraine, bei dem schon hunderttausende Menschen ihr Leben ließen.
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Steinmeier-Rede: Kluge Politik sollte das Verhältnis zu den USA verbessern
Die USA sind – anders als Russland – immer noch Deutschlands wichtigster Verbündeter. Amerikanische Soldaten stehen noch heute auf deutschem Boden, um uns – weil wir selbst dazu nicht in der Lage sind – zu verteidigen. Sie haben keine Werte gebrochen, sondern halten den Kopf für uns hin.

Jörg Quoos ist Chef der Zentralredaktion.
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Das Verhältnis zu den USA ist so wichtig wie fragil, dass kluge Politik es verbessern und nicht durch populistische Vergleiche verschlechtern sollte. Es wird schließlich auch eine Zeit nach Donald Trump geben.
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Der neue Kanzler, der selbst nicht mit Kritik an der neuen US-Regierung gespart hat, steht vor einer historisch heiklen Washington-Reise. Er muss für die deutsche Wirtschaft Zölle verhindern, Trumps Unterstützung für die Ukraine gewinnen und im Weißen Haus für das transatlantische Bündnis werben. Der unangemessene Vergleich des Bundespräsidenten macht diese wichtige Mission ohne Not viel schwerer.