Stefan Gelbhaar: Grüne in Berlin-Pankow wählen Direktkandidaten ab | ABC-Z
Eigentlich hatten die Grünen in Berlin-Pankow den Abgeordneten Stefan Gelbhaar zum Direktkandidaten für die Bundestagswahl gekürt. Doch dann wurden Belästigungsvorwürfe gegen den Politiker bekannt. Jetzt entschied sich die Partei um.
Sechseinhalb Wochen vor der Bundestagswahl haben die Grünen im Berliner Bezirk Pankow ihren Direktkandidaten für den gleichnamigen Wahlkreis ausgetauscht. Bei einer Versammlung am Mittwochabend beschlossen sie, am 23. Februar statt des Bundestagsabgeordneten Stefan Gelbhaar die Landesabgeordnete Julia Schneider ins Rennen zu schicken. Hintergrund für die Entscheidung sind Belästigungsvorwürfe gegen Gelbhaar, die der Politiker zurückweist und als „Lüge“ bezeichnet.
Bei der Wahlversammlung in einem proppenvollen Saal kandidierten drei Bewerber, darunter Gelbhaar selbst. Am Ende setzte sich Schneider mit 74,3 Prozent durch. Auf die Politikerin entfielen 269 Stimmen, auf Gelbhaar 127 und auf Reginald Grünenberg 7.
Mitte November war noch Gelbhaar mit 98,4 Prozent der Stimmen zum Direktkandidaten der Grünen für Pankow gewählt worden. Er sitzt seit 2017 im Bundestag und hatte bei der Wahl 2021 das Direktmandat gewonnen. Seine Karriere im Parlament steht damit vor dem Ende, da er nicht auf der Landesliste steht.
Zuletzt hatten mehrere Frauen Belästigungsvorwürfe gegen den 48-Jährigen erhoben, die Gelbhaar als „frei erfunden“ zurückgewiesen hat und gegen die er sich auch juristisch zur Wehr setzt. Gleichwohl beraumten die Grünen im Bezirk eine neue Wahlversammlung an. Gelbhaar versuchte diese Woche noch vergeblich, eine Verschiebung des Treffens zu erreichen.
Bei der Versammlung sagte er: „Es gibt anonyme falsche Anschuldigungen gegen mich. Und ich verspreche euch auch, diese werden sich auflösen.“ Die Situation sei nicht leicht für ihn und für die Grünen. Aber auch das könne man gemeinsam durchstehen. „Ich bitte euch, mir auch in dieser Zeit zu vertrauen“, so Gelbhaar.
„Mir wurde signalisiert, dass ich mich nicht immer in meiner Rolle adäquat verhalten habe“, führte der Bundestagsabgeordnete weiter aus. „Allein das so allgemein zu erfahren, hat mich betroffen gemacht. Ich möchte und ich werde das professionell weiter bearbeiten.“ Und weiter: „Es bewegt mich, dass im politischen Raum die Unschuldsvermutung nicht zu gelten scheint.“ Deshalb wolle er selbst seine Unschuld beweisen und kämpfen.
Der Kreisvorstand hatte Gelbhaar einen Verzicht nahegelegt
Der Kreisvorstand der Partei hatte Gelbhaar jüngst einen Verzicht auf seine Direktkandidatur nahegelegt, weil ein Wahlkampf mit ihm „mit großen Risiken“ verbunden sei. Der Politiker hielt aber daran fest. Landes- und Bundesspitze der Grünen stellten sich hinter das Vorgehen des Kreisvorstands.
Gelbhaar selbst hatte an Silvester auf seiner Website ausführlich Stellung bezogen. „Die Vorwürfe sind gelogen“, erklärte er. Bei dem Vorgang müsse es sich „um eine in Teilen geplante Aktion“ handeln mit dem Ziel, ihn massiv zu diskreditieren und der Partei zu schaden. „Das ist schlichtweg kriminell.“
Bei der Aufstellung der Landesliste der Berliner Grünen Mitte Dezember war der Politiker nicht angetreten, nachdem die Vorwürfe die Runde gemacht hatten. Eine Ombudsstelle bei der Grünen-Bundesgeschäftsstelle beschäftigt sich mit diesen Vorwürfen. Sie ist unabhängig und nicht weisungsgebunden, das Verfahren ist vertraulich. Wann Ergebnisse vorliegen, ist offen.
Nach Angaben von Polizei und Staatsanwaltschaft liegen wegen der Vorwürfe, über die Medien breit berichteten, bisher keine Anzeigen gegen Gelbhaar vor. „Es wird auch nicht von Amts wegen ermittelt, da sich zur Begründung eines Anfangsverdachts ein irgendwie konkreter oder konkretisierbarer Sachverhalt ergeben müsste. Der ist aus der Berichterstattung bislang nicht zu entnehmen“, erklärte ein Sprecher der Berliner Staatsanwaltschaft auf Anfrage.
Schneider, die neue Direktkandidatin der Pankower Grünen, ist 34 Jahre alt und sitzt seit 2021 im Berliner Abgeordnetenhaus. Dort fungiert sie als stellvertretende Fraktionsvorsitzende und Sprecherin für Personal und Verwaltung, für Haushalt und für Umweltpolitik.
In den vergangenen Wochen sei es nur um die aktuellen Vorwürfe und nicht mehr um grüne Inhalte gegangen, sagte sie bei ihrer Vorstellung auf der Wahlversammlung. „Ich kandidiere heute, damit wir uns wieder auf das Wesentliche konzentrieren können. Das möchte ich tun in einem Kreisverband, in dem sich Frauen sicher fühlen können und gehört werden.“
dpa/gub