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Startup-Szene vor Rechtsruck?: Stargründer fordert Merz zu Koalition mit AfD auf | ABC-Z


Startup-Szene vor Rechtsruck?

Stargründer fordert Merz zu Koalition mit AfD auf

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Mit Christian Reber mischt sich einer der bekanntesten Köpfe der deutschen Startup-Szene in die Debatte über eine neue Regierungsbildung ein. In einem Post auf X richtet er sich direkt an Friedrich Merz: Die CDU solle sich für die AfD öffnen. Sein Vorstoß sorgt bei einigen Kollegen für Entsetzen und Unverständnis.

In der deutschen Gründerszene ist nach dem Aus der Ampel-Koalition eine Debatte über die AfD entbrannt. Mit Christian Reber hat einer der bekanntesten Köpfe der Startup-Szene sich in einem Post auf X direkt an CDU-Chef Friedrich Merz gewandt: “Öffnen Sie sich für eine Koalition mit der AfD, unter der Bedingung, dass kein offensichtlich rechtsradikales Parteimitglied politische Verantwortung tragen wird”, heißt es darin. Deutschland dürfe außerdem nicht aus der EU austreten und keine neue Währung einführen. “Stehen Sie gemeinsam mit der AfD für eine deutsche, bürgernahe und europäische Politik”, fordert er.

In seinem Post äußert der Gründer der App Wunderlist außerdem die Sorge: “Wenn wir in der nächsten Bundestagswahl nicht alle Wählerstimmen respektieren, droht Deutschland eventuell eine rechte Mehrheit in 2029.” Der 38-Jährige hat mit dem Verkauf seines Unternehmens an den US-Konzern Microsoft vor neun Jahren 200 Millionen Dollar verdient. Seiner zweiten Firma Pitch blieb ein solcher Erfolg verwehrt. Im Januar dieses Jahres musste der gebürtige Brandenburger einen Großteil seiner Angestellten entlassen und trat als Geschäftsführer zurück.

Merz hat indes eine Zusammenarbeit mit der AfD nach der Bundestagswahl kategorisch ausgeschlossen. “Weder vorher noch nachher noch zu irgendeinem anderen Zeitpunkt gibt es eine Zusammenarbeit meiner Fraktion mit Ihren Leuten – egal mit wie vielen Leuten Sie hier im nächsten Deutschen Bundestag sitzen werden”, sagte Merz an die Adresse der AfD in der Debatte über die Regierungserklärung von Bundeskanzler Olaf Scholz. Die AfD wolle diese Zusammenarbeit ja auch gar nicht wirklich. “Und sie wird nicht stattfinden”, sagte Merz. Die AfD wird vom Verfassungsschutz überwacht und gilt in Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen als gesichert rechtsextrem. Zudem führt das Bundesamt die Bundes-AfD und ihre Jugendorganisation, die Junge Alternative, als rechtsextremen Verdachtsfall.

Die Debatte über eine neue Regierungsbildung hatte zuvor der ehemalige Vorsitzende
des Deutschen Startup-Verbands, Christian Miele, in Gang gebracht. Auf X schrieb er, die Bürger wollten “mehrheitlich eine bürgerlich-rechte Politik”. “Eine große Gefahr besteht, dass es abermals vier Jahre faule Kompromisse geben wird.” Die AfD, befürchtet Miele, könnte dann 2029 an den anderen Parteien rechts vorbeiziehen. Ihn treibe der tiefe Wunsch um, dass die kommenden vier Jahre nicht vergeudet würden. “Weil ich Angst habe, dass wir sonst 2029 in den Armen der AfD aufwachen, einer Partei, der ich die Führung Deutschlands durch Menschen wie Höcke uvm auf keinen Fall zutraue!”, schrieb Miele in seinem Post.

Zuspruch von Frank Thelen

Gegenüber der “Süddeutschen Zeitung” (SZ) distanziert sich der Startup-Verband, der inzwischen von Verena Pausder geleitet wird, von Mieles Äußerungen. “Wir haben uns als Verband immer klar gegen die AfD positioniert”, teilte ein Sprecher der SZ mit. In den Leitprinzipien würde diese Haltung näher ausgeführt. “Daran ändern auch Umfragewerte für Bundestagswahlen und Gedankenspiele zu möglichen Koalitionen nichts.”

Der Branchen-Verband führt unter seinen Mitgliedern regelmäßig Umfragen zur Beliebtheit einzelner Parteien durch. In einer Befragung aus dem Frühjahr belegten die Grünen Platz eins, gefolgt von der FDP und der Union. Weitaus unbeliebter unter den Gründern als in der Bevölkerung war mit nur drei Prozent die AfD.

Zuspruch bekommen Reber und Miele unter anderem von Investor Frank Thelen, der jahrelang als Juror bei der Fernsehsendung “Die Höhle der Löwen” tätig war. “Keiner will eine starke AfD, aber aktuell geben uns die Wähler eventuell keine andere Option, ihre demokratischen Stimmen in einer funktionierenden Regierung zusammenzubringen.”

Reber traut Weidel Innenministerium zu

Doch aus der Szene hagelt es auch Kritik. Tech-Investor Philipp Klöckner bezeichnete den Vorschlag von Reber etwa als “Dummheit”. Er hält es für “richtig unangenehm, wie fahrlässig die Leute sagen: Ohne Faschisten geht es halt gerade nicht.” Auch der ehemalige Startup-Beauftragte der Bundesregierung, Thomas Jarzombek, ist empört. In einem Post an X wendete er sich direkt an Reber: “Wie soll bei einem so UNTERSCHIEDLICHEN Wertefundament eine gemeinsame Politik möglich sein?” Die Antwort blieb Reber nicht schuldig: Bei den kritischen Themen wie Außenpolitik solle die CDU “einfach als Mehrheit in den Driver-Seat gehen, dafür darf die AfD bei anderen Dingen mitregieren (zum Beispiel Energiepolitik, Infrastruktur etc.)”. Für Reber wären CDU und AfD “das geringere Übel als absolute Mehrheit AfD. Auch wenn ich mir das nicht wünsche.” Er selber werde CDU wählen.

Im Gespräch mit der “Frankfurter Allgemeinen Zeitung” (FAZ) erzählte Reber, der Zuspruch für die AfD in seinem Freundes- und Bekanntenkreis treibe ihn schon seit einigen Monaten um. Das Bilden von Koalitionen um die AfD herum bezeichnet er als “merkwürdig”. Ginge es nach ihm, sollten die stärkste und die zweitstärkste Partei nach einer Wahl eine Koalition bilden. “Wenn die Grünen zweitstärkste Kraft wären, Schwarz-Grün. Wenn die AfD, dann Schwarz-Blau”, sagt Reber der FAZ. Am ehesten traut er Alice Weidel zu, ein Ministeramt zu übernehmen. “Ich würde Alice Weidel die Innenpolitik anvertrauen. Dann soll sie vier Jahre lang mal zeigen, was sie kann.” Gleichzeitig betont er in dem Gespräch ausdrücklich, dass das nicht sein Wunsch sei. Er hoffe auf Schwarz-Gelb, hält das aber für unwahrscheinlich.

Wenn am Sonntag gewählt würde, könnten die Parteien laut dem RTL/ntv-Trendbarometer mit folgenden Ergebnissen rechnen: CDU/CSU 33 Prozent, AfD 17 Prozent, SPD 16 Prozent, Grüne 11 Prozent, BSW 5 Prozent, FDP 4 Prozent, Linke 3 Prozent. Auf die sonstigen Parteien entfallen zusammen 11 Prozent. Der Anteil der Nichtwählerinnen und Nichtwähler sowie der Unentschlossenen steigt auf 25 Prozent und liegt damit über dem Anteil der Nichtwähler bei der vergangenen Bundestagswahl (23,4 Prozent).

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