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Starnberg: Mit der Seilbahn über den Starnberger See – Starnberg | ABC-Z

In einem Parkdeck am Maxhof-Kreisel bei Pöcking bleibt das Auto stehen. Von dort geht es in der Seilbahn weiter nach Starnberg zum Bahnhof am See. Ohne Ampel, ohne Stau, in luftiger Höhe. Dort heißt es wieder umsteigen: in die S-Bahn nach München oder in eine weitere Seilbahn, die ihre Passagiere über den See zum anderen Ufer schaukelt. So könnte nach Ideen des Architekten Robert Philipp aus Pöcking die Lösung der Verkehrsprobleme in der Kreisstadt aussehen. Spinnerei? Wenn der 64-Jährige in der Frühlingssonne bei einem Cappuccino in einem Café am Ufer davon erzählt, klingt das, als könnte er sich so eine Zukunftsvision durchaus vorstellen. „Wenn jemand darauf anspringt“, wie er hinzufügt.

So verrückt die Idee klingt, ernsthafte Gespräche darüber gab es schon. Philipp hat die für Gondeln und Sessellifte bekannten Firmen Doppelmayr und Leitner in Österreich angeschrieben. Ein Mitarbeiter von Leitner habe die Idee immerhin so ernst genommen, dass er zu Philipp gekommen sei, um sich seine Vorschläge genauer erläutern zu lassen. Das war allerdings auch die Zeit, in der sogar für München eine Seilbahn im Gespräch war, die am Frankfurter Ring vom Oberwiesenfeld bis zur Studentenstadt verlaufen sollte. Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) und die damalige Verkehrsministerin Ilse Aigner stellten das Projekt 2018 vor.

Fast so lange ist es her, dass Philipp seine Idee bei einem Treffen der Grünen im Gasthof „Bayerischer Hof“ erstmals vorgestellt hat. Mit wenig Resonanz, wie er sich erinnert. Aber als nun zur Teilnahme an der Internationalen Bauausstellung (IBA) aufgerufen wurde, lag das Konzept ja schon in der Schublade. Und nun gehört es zu den ausgewählten Projektideen. Andere Ideen sind etwa ein nachhaltiges Zukunftsquartier im Freisinger Bahnhofsareal, eine Hochbahn für Radler in München oder ein Innovationshub für das Bahnhofsumfeld in Fürstenfeldbruck.

Philipp fährt kaum mehr Auto, legt fast alle Strecken mit der S-Bahn oder mit dem Fahrrad zurück. Der Architekt und Energieberater  engagiert sich in der Münchner Initiative „abbrechen abbrechen“, die sich für den Erhalt des Justizzentrums an der Nymphenburger Straße in München einsetzt. Aus Gründen des Klimaschutzes müsse man aufhören, Gebäude einfach abzureißen, fordert diese Initiative. Mit seinem Büro in München entwickelt der Architekt gerade ein zukunftsfähiges Mobilitätskonzept für ein Wohngebiet in Freimann. Nachhaltigkeit ist für ihn beruflich und privat ein wichtiges Thema.

Für den Bahnhof in Starnberg hat der Architekt Robert Philipp ein paar gewagte Ideen entwickelt. (Foto: Nila Thiel)

Was in Starnberg gerade geplant ist, wo sich fast jeden Tag eine Autokolonne durchs Zentrum quält, ist seiner Ansicht nach nicht zukunftsfähig. Ein Tunnel unter der Stadt hindurch, der schon nach jetzigen Berechnungen mehrere hundert Millionen Euro kostet? Und: „Das kann doch nicht sein, dass sogar die Grünen für so einen Tunnel stimmen.“ Um seiner Kritik gegen dieses Projekt Ausdruck zu verleihen, hatte er vor Jahren schon einen etwas ungewöhnlichen Auftritt. Philipp ist in ein Eisbärenkostüm geschlüpft und so verkleidet mit einem Protestschild beim Informationscontainer bei der Tunnelbaustelle aufgetreten.

„Das gibts doch nicht, dass man in diesem Jahrhundert noch in so ein Mammutprojekt investiert und nicht andere Lösungen sucht“, meint er. Zumal er überzeugt ist, dass der Tunnel noch teurer wird und am Ende eine Milliarde kostet. Wenn er denn je gebaut wird.  Seit Philipp  vor acht Jahren von Maisach in ein Häuschen in Pöcking umgezogen ist, geht ihm das im Kopf rum und lässt ihn nicht mehr los. „Das kann doch nicht sein“, wiederholt er beim Gespräch im Café auf der Seepromenade.

Dort flanieren Ausflügler, die Aussicht über den See ist prächtig, ganz im Süden ist die Bergkette der Alpen zu sehen. Der Anblick auf der anderen Seite ist weniger attraktiv: ein Bahnhof ohne Dach und ein Gerüstverhau auf dem Bahnsteig. Der Kiosk unten in der Unterführung ist schon lange geschlossen, schmuddlig sieht es dort aus. Wie ein Sinnbild, welchen Stellenwert der öffentliche Nahverkehr hat.

Vom Maxhof-Kreisel bei Pöcking geht es in der Gondel zum Bahnhof am Starnberger See. (Foto: Illustration: Robert Philipp)

Sein Vorschlag für ein besseres Mobilitätskonzept nennt sich „Connectoren Starnberg“ und ist eine von 83 Projektideen, die auf der IBA-Plattform kurz vorgestellt werden. Für die Fahrt durch die Kreisstadt schlägt Philipp demnach eine Citymaut vor. „Das Autofahren muss richtig unattraktiv werden“, findet er. Stattdessen müsse es ganz andere Möglichkeiten geben. Zum Beispiel so: Im Süden von Starnberg steht ein vierstöckiges Parkdeck. „Staubsauger Maxhof“ nennt er das. Dort werden quasi die Autos von der Straße weg gesaugt und abgestellt, und man steigt um in Gondeln. Etwa zweieinhalb Kilometer misst die Verbindung mit der Seilbahn zum Bahnhof am See, ebenfalls in der Gondel geht es weiter bis Schorn. Von dort aus könnten Expressbusse auf der Autobahn nach München fahren und weiter bis in die Innenstadt zum Zentralen Omnibusbahnhof (ZOB) oder bis zum Hauptbahnhof.

Klingt alles etwas verrückt, passt aber durchaus ins Konzept der IBA: „Neues ausprobieren, Verwegenes denken und bisher Unerreichtes realisieren.“ Die Mobilität in der Metropolregion München ist dort zehn Jahre lang Thema. Das Ganze nennt sich zwar Internationale Bauausstellung, ist aber gar keine Ausstellung, sondern eher eine virtuelle Plattform, auf der nun alle möglichen Ideen vorgestellt werden. Da sind einige Vorschläge dabei, die originell bis verwegen sind: ein Rikscha-Service für Riem etwa, ein Logistiknetzwerk mit Drohnen, das Krankenhäuser mit Medikamenten versorgt, oder „Vertiports“ als Start- und Landeorte für Lufttaxen. Teilnahmeberechtigt sind Kommunen, Unternehmen, Stiftungen, Vereine, Hochschulen und Privatpersonen. Hinter der als GmbH organisierten IBA stehen die Städte München, Augsburg und Ingolstadt, der Landkreis Freising und der Verein „Europäische Metropolregion München“.

Philipps Connectoren haben den ersten Schritt in die Auswahl der Projekte geschafft, die präsentiert werden. Diese sollen nun weiterentwickelt werden, ehe voraussichtlich im Herbst ein Kuratorium sowie der IBA-Aufsichtsrat die „IBA-Kandidaten“ auswählen und daraus wiederum IBA-Projekte, die gefördert werden. Voraussetzung ist, dass die Ideen „neuartige, überraschende, aber auch realisierbare Ansätze zur Lösung wichtiger Zukunftsfragen der Mobilität liefern.“

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