Starnberg: Lebenshilfe erweitert ihr Wohnheim für Menschen mit Behinderungen – Starnberg | ABC-Z

Die 68-jährige Frau an dem kleinen Schreibtisch beugt sich konzentriert über ein Büchlein und malt mit sichtlicher Freude mit einem dicken Buntstift Buchstaben. Vor ihr steht ein rosafarbenes Federmäppchen, rechts neben ihr liegen verstreut eine Handvoll Scrabble-Spielsteine. Für Buchstaben, Worte, Namen hat Babsi, wie sie alle hier nennen, ein Faible, dafür kann sie sich regelrecht begeistern. Ihren Alltag könnte sie ohne Unterstützung nicht gut bewältigen, sie braucht Betreuung und Anleitung; darum lebt sie schon seit Jahren im Wohnheim der Lebenshilfe in Starnberg. Und wenn nicht alles täuscht, dann fühlt sie sich dort sehr wohl.
Ihr Schreibtisch steht in ihrem eigenen Zimmer. Das ist neu. Die Lebenshilfe hat ihr Haus an der Hanfelder Straße um einen zweistöckigen Anbau erweitert, Teile des Altbaus modernisiert und einen neuen Innenhof geschaffen. Dies sei ein Zeichen gegen einen bundesweiten Trend, wie die Berater von Drees & Sommer mitteilen, die den Bau von der Planung bis zur Fertigstellung begleitet und gesteuert haben. In vielen Regionen Deutschlands und damit auch in Bayern gehe demnach die Zahl der stationären Wohnplätze zurück. Gründe für diese Entwicklung seien der Fachkräftemangel und neue Personalvorgaben. In dem ausgebauten Wohnheim jedoch stünden nun 26 Plätze zur Verfügung; acht davon sind neu. Im gesamten Landkreis Starnberg habe die Lebenshilfe vier Häuser mit insgesamt 83 Plätzen.
„Erst habe ich gedacht, das wird alles gar nicht mehr fertig“, erzählt Babsi lachend über die Bauarbeiten. Mittlerweile ist auch der lauschige Innenhof mit Brunnen fertig, und der Übergang von Alt- zu Neubau ist kaum zu erkennen. In der nach fünfjähriger Planungs- und Bauphase fertiggestellten Erweiterung ist auf den beiden Etagen Platz für jeweils eine Wohngemeinschaft mit vier Personen; allen steht ein privates Zimmer zur Verfügung, das sie nach ihren eigenen Vorstellungen einrichten dürfen. Jeweils zwei Bewohner teilen sich ein Bad.
Jede Wohngemeinschaft verfügt außerdem über einen gemeinsamen Wohn- und Aufenthaltsraum sowie eine komplett eingerichtete Küche. Im Obergeschoss steht ein massiver Holztisch mit acht Stühlen im Wohnzimmer, in der Ecke gibt es ein gemütliches Sofa. Auf einem Schrank stehen zwei Vasen und eine Uhr sowie ein Bilderrahmen mit Postkarten, und an der Wand hängt ein riesiger Flachbildschirm. Hier könnte sich auch die ganze WG zu einem gemütlichen Fernsehabend oder zur Übertragung eines Fußballspiels versammeln. Bisher sind die Zimmer auf dieser Etage allerdings noch leer.

Belegt sind die Räume im Erdgeschoss. Die erste Bewohnerin ist im Februar gekommen. Wenn Mitte November der vierte einzieht, dann ist das erste Quartett komplett. Für die meisten von ihnen sei der Einzug mit mehr Eigenständigkeit verbunden, beobachtet Brigitte Gabriel, die als Gruppenleiterin für den neuen Wohnbereich zuständig ist. Und sie vergleicht das durchaus mit Studenten, die zum ersten Mal von daheim weg sind und sich nun selbst um alltägliche Dinge wie Wäsche waschen, kochen oder Einkäufe kümmern müssen. In einem geschützten Rahmen können dies auch die Bewohner bei der Lebenshilfe lernen. Manche von ihnen haben zuvor noch zu Hause bei den Eltern gelebt.
Es sind Details, die ganz wichtige Bestandteile der neuen Eigenständigkeit sein können. Ein Haustürschlüssel zum Beispiel. Heimleiterin Stefanie Fella hat das bei den Bewohnern beobachtet, „wie toll das ist, endlich einen eigenen Schlüssel zu haben für das Haus, in dem ich wohne“. Nicht mehr klingeln müssen, nicht mehr angewiesen sein auf jemanden, der die Türe aufsperrt, ein separater Eingang. „Die lieben das, diese Selbständigkeit“, weiß auch Gabriel. Tagsüber arbeiten die meisten in Machtlfing in den Isar-Würm-Lech-Werkstätten, während Senioren wie Babsi und Birgit in ihrem Zuhause bleiben.
Im Anbau gibt es auch eine „Trainingswohnung“, wie es in einer Mitteilung der Lebenshilfe heißt; sie ist mit Küche und Bad, Wohn- und Schlafzimmer ausgestattet. Dort können Menschen mit Behinderung selbständiges Wohnen üben; mit dem Ziel, irgendwann alleine und mit wenig Unterstützung zurechtzukommen. Wenn es Schwierigkeiten gibt, wenn jemand Hilfe braucht, wenn Fragen auftauchen, sind jederzeit Mitarbeiterinnen in der Nähe. Bisher ist auch diese Wohnung allerdings noch nicht belegt.

Genauso wie die Mitarbeiterwohnung, die im Zuge der Erweiterung und der Sanierung von alten Gebäudeteilen entstand. Die ist sehr wertvoll für eine Einrichtung wie die Lebenshilfe. Die Räume allein sind es ja nicht, die notwendig sind, um Betreuungsangebote auszuweiten. Oft fehlt das zusätzlich benötigte Personal, das sicherlich leichter zu gewinnen ist, wenn eine bezahlbare Wohnung zur Verfügung steht. Erst in der vergangenen Woche hat Leiterin Fella eine weitere Fachkraft eingestellt. „Damit sind wir komplett“, sagt sie, um aber sogleich zu betonen: „Personal brauchen wir immer.“
Die Lebenshilfe im Landkreis Starnberg betreut Menschen mit Behinderungen in allen Altersstufen. Entsprechend gibt es verschiedene Angebote, vom Lernen über das Arbeiten bis zum Wohnen. Dazu zählen auch Kindergärten und Krippen für Kinder mit und ohne Behinderung, die Franziskus-Schule, eine heilpädagogische Tagesstätte und diverse ambulante Angebote. Insgesamt sind es etwa 350 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die 900 Kinder, Jugendliche und Erwachsene in 17 Einrichtungen und Diensten betreuen.




















