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Standort Deutschland dominiert die Handballwelt | ABC-Z

Fachmann für kulturelle Unterschiede ist Michael Wiederer schon lange. Menschen aus 25 Nationen arbeiten am Stammsitz der Europäischen Handball-Föderation (EHF) in Wien. Er selbst reist als deren Präsident regelmäßig durch Europa und staunt – wie jüngst auf den Färöer Inseln, als 3000 Menschen das Spiel gegen die Ukraine in einer neuen Halle besuchten, aber weder Polizisten noch Ordner anwesend waren, um für Sicherheit zu sorgen.

Manchmal ist Wiederer, 69, auch überrascht, wie erfolgreich sich neue Produkte aus Wien entwickeln. Im European Cup, dem dritten Europapokal, messen sich gerade die Klubs aus Skopje und Athen; 8000 Fans beim Hinspiel, 7000 Menschen in der ausverkauften mazedonischen Arena eine Woche später: Was an betriebsamen nationalen und europäischen Sportwochenenden wie diesem unter dem Radar läuft, ist für das Publikum an Ort und Stelle ein unvergessliches Spektakel.

Hamburg und Köln richten die Endrunden aus

Das gilt auch eine Stufe höher in der European League. Seit die Endrunde in Hamburg läuft (im zweiten Jahr), ist diese deutsche Domäne deutlich aufgewertet. Wiederer wollte unbedingt, dass der frühere EHF-Cup nicht mehr jedes Jahr als Wanderzirkus ausgespielt wird, sondern eine Heimat findet. Hamburg ist es geworden und soll es bleiben. Mit dem Rahmen und dem gesamten Setup bewegt sich der Unterhaltungswert unabhängig von der Partie deutlich über einem herkömmlichen Bundesligaspiel.

Aber droht mit den Austragungsorten Hamburg und Köln (im 17. Jahr Champions League), mit fünf von acht teilnehmenden Teams aus Deutschland nicht eine zu arge Dominanz? Wiederer sieht keine deutsche Hegemonie – und blickt durch die europäische Brille. „Es ist für uns kein Thema, wer wo teilnimmt. Beide Orte sind hervorragend erreichbar und haben treues Publikum“, sagt der Österreicher, „die deutschen Fans schauen auch zu, wenn ihre Teams ausgeschieden sind oder gar nicht dabei waren. In Köln bleiben 20.000 Leute bis zum Schluss. Außerdem wollen alle Klubs von uns eine neutrale Halle.“

Publikumsmagnet: Deutsche Teams wie der SC Magdeburg in der Champions League locken zahlreiche Fans anEPA

In den vergangenen zehn Endspielen in Köln habe es Teams aus sieben verschiedenen Ländern gegeben. Mitte Juni werden sich dort Berlin, Magdeburg, Nantes und Barcelona messen. „Natürlich ist die deutsche Liga in der Breite an der Spitze sehr stark“, sagt Wiederer, „weil es eine Massierung von internationalen Spitzenspielern in den deutschen Mannschaften gibt. Die Bundesliga hat vorgemacht, wie der Weg des Handballs aus der Turnhalle heraus erfolgen muss.“ Solle man sie dafür nun mit einer strikteren Kontingentierung bestrafen?

Von einer Art „Nachhilfe“ oder Anschubfinanzierung kleinerer Ligen aus Töpfen der EHF hält Wiederer wenig. Die nationalen Interessen, Sprachen, Kulturen seien sehr unterschiedlich. Vielfalt solle nicht eingehegt werden: „Uns nutzen, eins, zwei, drei Märkte allein gar nichts“, sagt Wiederer, „wir brauchen ganz Europa.“ Eher sieht er eine niveauhebende Lösung in regionalen, grenzüberschreitenden Ligen wie im Baltikum, in Südosteuropa (Seha-League) oder den Benelux-Ländern: „Das ist aber nicht unsere Aufgabe als EHF.“

Heimat der Endrunde in der European League geworden: Die Hamburger Barclays Arena
Heimat der Endrunde in der European League geworden: Die Hamburger Barclays Arenadpa

Dabei bringt er noch einen anderen Aspekt aus – in Belgrad beispielsweise wäre die notwendige Arena (22.000 Plätze) verfügbar. Doch könnten die Menschen dort weniger tief in die Tasche greifen, um Tickets zu bezahlen. Seinem Verband geht es neben der Entwicklung und dem Wettbewerb natürlich um gesunde Finanzen. Auch sei fraglich, wie viele Handballtouristen nach Belgrad reisen würden; in Köln machen die deutschen Fans nur noch 50 Prozent aus, anfangs (2009) waren es 80 Prozent. Dort erwirtschaftet die EHF ein „deutliches Plus“. Im Norden nicht: „Wir sparen in Hamburg nicht. Wir brauchen solche showcases“, sagt Wiederer.

Handball als Nummer eins bei der GenZ – in Mazedonien

Dass die großen amerikanischen Ligen Europa zunehmend als Markt entdecken, lässt ihn kalt: „Ich spüre keine Belastung durch diese USA-Aktivitäten“. Er sieht ein zahlungskräftiges Publikum, dass dem Handball als Teil der Unterhaltungsindustrie treu bleibe und darüber hinaus ein Teilzeit-Publikum, dass es durch Großereignisse wie Köln abzuholen gelte – was auch gelinge.

Auch hier steuert er bewusst die Meta-Ebene an, wenn er sagt, dass in Mazedonien Handball die Nummer eins auch bei der GenZ sei, sich Handball hierzulande aber traditionell mit viel mehr Konkurrenz messen müsse und eher die Älteren zuschauten. Deswegen sei die amerikanische Bedrohung eher ein Thema für die Handballbundesliga (HBL) als für die EHF – worauf HBL-Geschäftsführer Frank Bohmann gern hinweist und deutschen Klubs einen Wachstums- und Modernisierungskurs verordnet hat.

Wenn die neue Wiener Arena 2029 fertig ist, könnte ein mitteleuropäischer Standort für große Handball-Ereignisse entstehen. Eine moderne Halle, großer Sport mit Spannung und Emotionen, dazu ein attraktiver Rahmen in einer Metropole, die auch zum abendlichen Ausgehen taugt – solch ein Paket reize die europäischen Handballfans. Ob irgendwann in Wien oder derzeit in Köln und Hamburg.

Flensburg-Handewitt gewinnt European League

Die SG Flensburg-Handewitt hat abermals die European League gewonnen. Das Team um Nationalmannschaftskapitän Johannes Golla bezwang Montpellier HB im Finale von Hamburg mit 32:25 (19:13) und wiederholte damit den Triumph aus dem Vorjahr.

Den dritten Platz sicherte sich der THW Kiel durch ein 37:31 (18:18) gegen die MT Melsungen. 

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