DHL-Versand in die USA: Entwirrt sich endlich das Paket-Chaos? | ABC-Z

Der Paketversand von Deutschland in die USA über das Postnetz könnte bald wieder starten. „Wir sind zuversichtlich, dass wir den Warenversand für Geschäftskunden zeitnah wieder anbieten können“, teilte ein Sprecher der Post, die zum Bonner DHL-Konzern gehört, auf Anfrage mit. Die Deutsche Post hatte vor rund zwei Wochen, ähnlich wie viele Postgesellschaften auf der Welt, diesen Service temporär eingestellt – doch das könnte sich bald ändern. „Erste Testsendungen sind bereits verschickt worden“, sagte der Post-Sprecher. „Die notwendigen Prozess- und Produktanpassungen verlaufen bisher vielversprechend.“
Geschäftskunden von DHL können Pakete in die Vereinigten Staaten derzeit nur mit dem relativ teuren kommerziellen DHL-Express-Versand verschicken. Privatkunden sind vergleichsweise wenig betroffen, weil sie Pakete mit einem Warenwert von weniger als 100 Dollar (rund 86 Euro) weiterhin als Geschenke in die USA senden können. Übersteigt der Warenwert diese Summe, müssen allerdings auch sie derzeit auf den kostspieligen kommerziellen Versand ausweichen.
Grund für die Einschränkungen ist Unklarheit, wie mit neuen Zollregeln von US-Präsident Donald Trump umzugehen ist. Konkret geht es um ein Präsidentendekret (Executive Order), in dessen Folge die sogenannte De-minimis-Ausnahmeregelung vom 29. August an ausgesetzt wurde. Konnten Pakete im Wert von weniger als 800 Dollar (rund 685 Euro) bis dahin in der Regel zollfrei in die USA eingeführt werden, gelten nun aufgrund des Dekrets die generellen Zollvorschriften. Das bedeutet im Fall von Sendungen aus EU-Ländern mindestens 15 Prozent.
Viele offene Fragen
Hierbei gab es aber vor allem zu Beginn viele offene Fragen hinsichtlich der konkreten Abwicklung dieser Zölle. Zum Beispiel: Wie genau wird der Zoll eigentlich erhoben? Welche Daten müssen die Zollbehörden erhalten? Nach dem Willen der amerikanischen Seite soll künftig eine dritte Instanz („third party“) damit beauftragt werden, die Zölle zu berechnen und abzuführen – wobei zunächst unklar blieb, wer diese dritte Instanz genau sein soll. In der Branche ist nun zu hören, dass sich mittlerweile in den USA solcherlei Drittinstanzen in Stellung bringen würden.
Auch für manche Onlinemarktplätze und Händler, die in die USA liefern, ist Trumps Zollreform eine enorme Belastung. Der britische Textilhändler Wool Warehouse etwa stellte am 20. August den DHL -Versand in die Vereinigten Staaten und einen Tag später den kompletten US-Versand ein. Das Unternehmen glaube nicht daran, „dass viele Leute bereit sind, eine zusätzliche Gebühr von 50 Prozent zu zahlen“, schrieb der Händler damals auf seiner Website. Dort beklagt er sich zudem, wie schwer es sei, die amerikanischen Regeln zu verstehen: „Wenn DHL es nicht hinbekommt, welche Chance haben dann kleinere, unabhängige Unternehmen?“ Der neueste Eintrag auf der Wool-Warehouse-Internetseite klingt allerdings wieder etwas hoffnungsvoller. Der Händler schreibt dort, dass die britische Royal Mail eine Lösung anbiete, die es erlaube, den US-Versand „in wenigen Wochen“ wieder aufnehmen zu können.
Auch vonseiten des US-Marktplatzes Ebay war zuletzt zu hören, dass sich die Abschaffung der 800-Dollar-Freigrenze negativ auf den Umsatz auswirken könnte. Kleinunternehmer und Soloselbständige rund um die Welt sind auf der Verkaufsplattform aktiv. Für deutsche Händler gibt der Bundesverband für E-Commerce und Versandhandel Deutschland (BEVH) jedoch Entwarnung: Die meisten von ihnen hätten Tochtergesellschaften in den USA, seien also nicht direkt von den Hürden für Direktimporte betroffen, sagt ein BEVH-Sprecher. Aber: Generell schaden höhere Zölle dem Onlinehandel.
Kurzzeitiger Einbruch des globalen Postverkehrs
DHL testet nun die Wiederaufnahme des Versands über den sogenannten „Postal Delivery Duty Paid“-Service (PDDP). Dabei müssen Geschäftskunden in Deutschland die gesamten Einfuhrabgaben für ihre Empfänger übernehmen. Wer etwas per PDDP versendet, muss bestimmte Daten übermitteln, zum Beispiel den Warenwert. DHL berechnet die genauen Zölle und führt sie ab beziehungsweise beauftragt Dienstleister damit. Die Kosten dafür stellt DHL den Auftraggebern in Deutschland in Rechnung, was den Versand über PDDP verglichen mit dem Postversand vor Trumps Zolländerung deutlich teurer machen dürfte.
Nicht nur die Deutsche Post hatte vom 29. August an den Versand von Paketen über das Postnetz pausiert, auch Postgesellschaften in zahlreichen weiteren Ländern reagierten so. Insgesamt 88 Postdienstleister stoppten nach der Einführung der neuen Vorschriften ihren Service in Richtung USA ganz oder teilweise. Der internationale Postverkehr ging laut Weltpostverein in Bern um 81 Prozent zurück. Kein Wunder: Bisher gab es riesige Mengen kleiner Pakete, die unter der alten Regulierung unkompliziert in die USA versendet wurden. Nach Angaben der amerikanischen Zollbehörde waren es 2024 knapp vier Millionen Pakete am Tag aus der ganzen Welt. US-Präsident Trump sagt, er wolle mit der Änderung verhindern, dass Drogen ins Land kämen.
Branchenkenner sehen die Abschaffung der Zollfreiheit für kleine Pakete vor allem als einen Versuch der US-Regierung an, Einnahmen zu generieren, und als Schritt gegen chinesische Billigversender wie Temu und Shein. Für diese gehörte es lange zum Hauptgeschäftsmodell, Bestellungen direkt an die Empfänger zu senden. Zunächst – von diesem Frühjahr an – galt die Abschaffung der 800-Dollar-Freigrenze tatsächlich nur für Waren aus China – was die US-Umsätze von Temu und Shein stark belastete. Zwischenzeitlich stellte Temu den Direktversand in die USA komplett ein.
Die erwartete, noch stärkere Paketflut nach Europa blieb laut BEVH aber aus. Zwar haben Temu und Shein ihre Werbeausgaben in Europa zwischenzeitlich deutlich erhöht und konnten auch in Deutschland ihren Umsatz steigern. Aber dem Verbandssprecher zufolge gibt es keine Beweise, dass dieses Wachstum in Europa auf die zunächst nur für China geltende Aussetzung der De-minimis-Regel zurückging.
Mittlerweile liefert Temu wieder direkt in die USA und erhöhte dort die Werbeausgaben. Außerdem versucht der umstrittene Onlinemarktplatz mit Rabatten gegenüber Shein aufzuholen. Der Preis von mindestens zwei Dutzend der meistverkauften Produkte von Temu fiel Anfang September im Vergleich zu Ende April im Durchschnitt um 18 Prozent, wie die Nachrichtenagentur Bloomberg unter Berufung auf eigene Beobachtungen schreibt. Im April galt noch die alte De-minimis-Regelung. Der Preisnachlass mancher Artikel beträgt laut Bloomberg sogar 60 Prozent.
Aus der Sicht des BEVH wären wirtschaftsfreundlichere Marktbedingungen innerhalb der EU der beste Weg, um mit der US-Zollreform klarzukommen: „Die meisten deutschen Händler liefern in europäische Länder, die EU muss daher ihre Hausaufgaben erledigen und Hürden im Binnenmarkt abbauen“, fordert der Verbandssprecher.