Sri Lanka auf schmalem Grat zwischen Indien und China | ABC-Z
Wie steht es um die Beziehungen ihrer beider Länder? Um diese Frage zu klären, traf der Präsident Sri Lankas, Anura Kumara Dissanayake, am Montag in Neu-Delhi mit dem indischen Premier Narendra Modi und Präsidentin Droupadi Murmu zusammen. Ziel der Gespräche war, die Beziehungen zwischen den beiden Nachbarländern zu stärken.
Die wirtschaftliche Unterstützung Indiens sei entscheidend für ein künftiges wohlhabendes Sri Lanka, sagte Dissanayake. Der Inselstaat hat gerade erst die schlimmste Wirtschaftskrise seit seiner Unabhängigkeit im Jahr 1948 überstanden.
“Unsere Gespräche konzentrierten sich auf die Stärkung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Indien und Sri Lanka, die Verbesserung der Investitionsmöglichkeiten, die Förderung der regionalen Sicherheit sowie von Schlüsselsektoren wie Tourismus und Energie”, erklärte Anura Kumara Dissanayake, in der Bevölkerung kurz AKD genannt, nach dem Gespräch.
Am Montag gab Modi bekannt, dass Indien plane, die Kraftwerke Sri Lankas mit Flüssigerdgas zu versorgen und die Stromnetze beider Länder miteinander zu verbinden. “Die neuen Verpflichtungen bekräftigen das Engagement für eine Vertiefung der Partnerschaft zwischen unseren beiden Nationen”, so Dissanayake.
Dissanayakes Entscheidung, Indien als strategischen Partner zu priorisieren, sei von der geografischen Nähe der beiden Länder beeinflusst, sagt Srikanth Kondapalli, Experte für Chinastudien an der Jawaharlal Nehru University in Neu-Delhi. Indien hat seit langem enge politische, kulturelle, wirtschaftliche und militärische Beziehungen zu Sri Lanka.
Viele Analysten gehen davon aus, dass die Regierung von AKD angesichts des wachsenden geopolitischen Wettbewerbs zwischen Indien und China zunehmend unter Druck gerät.
“Anders als Nepals Premierminister KP Sharma Oli, der mit der Praxis brach, Indien zum wichtigsten Partner in der Region zu machen, entspricht die Strategie von AKD den Interessen Indiens am Ausbau von Stabilität und demokratischer Regierungsführung”, so Kondapalli im Gespräch mit der DW.
Anfang dieses Monats war der im Juli zum Premierminister ernannte Oli für vier Tage nach Peking gereist, um die Zusammenarbeit im Rahmen der Belt and Road Initiative (BRI) auszubauen.
“Sri Lankas Ausrichtung nach Indien wird auch durch die damals dringend benötigte Unterstützung von fast vier Milliarden Dollar (3,8 Milliarden Euro) beeinflusst, die Indien dem Inselstaat nach dessen schwerer Wirtschaftskrise im Jahr 2022 gewährte”, so Kondapalli. China sei dagegen nicht in der Lage gewesen, zur Rettung des Inselstaat beizutragen.
Pekings aggressive maritime Aktivitäten und mutmaßliche Raubfischerei im Indischen Ozean hätten in Sri Lanka zudem Bedenken geweckt.
Sorgen bereitet auch die Situation im Hafen Hambantota im Süden des Landes. Seit 2017 wird er von Chinesen betrieben. Damals unterzeichneten Sri Lanka und China einen Pachtvertrag über 99 Jahre, nachdem Colombo Schwierigkeiten hatte, die Schulden aus dem Bau des Hafens zurückzuzahlen. “Der Verlust des Hafens von Hambantota für 99 Jahre und die verfassungswidrigen Bestimmungen über Colombos Hafenprojekt an China haben das Land geschwächt.”
Dissanayake habe den Fehler seiner Vorgänger korrigiert, “die China beispiellosen Freiraum gewährten”, so Kondapalli. “Zugleich stellt er die Beziehungen zu Indien neu auf.”
Der Besuch Dissanayakes in Neu Delhi wird daher künftig auch den außenpolitischen Ton des Inselstaates gegenüber China mitbestimmen. Anfang 2025 will Dissanayake nach Peking reisen.
“Sri Lanka hat sich entschieden, ein Gleichgewicht zwischen Indien und China herzustellen”, sagt der ehemalige indische Diplomat Anil Wadhwa der DW. “Seine Regierung wird bestrebt sein, sich als attraktiver und zugleich unparteiischer Partner zu zeigen.” Allerdings dürfte die chinesische Militärpräsenz weiter zunehmen, da mit Radar- und Ultraschallgeräten ausgestattete Schiffe nun regelmäßig Häfen in Sri Lanka ansteuern.”
Die strategische Lage Sri Lankas an wichtigen Seewegen macht es zu einem unverzichtbaren Aktivposten für China, das seine maritimen Interessen sichern und seinen geopolitischen Einfluss stärken möchte. Dissanayake dürfte aber weiterhin versuchen, Indien und China gegeneinander auszuspielen, meint Wadhwa. Offen sei dabei allerdings , wie sich Dissanayake angesichts der chinesisch-indischen Rivalität verhalten und ob er sich für eines der beiden Länder entscheiden wird. “Die Tatsache, dass Dissanayakes bei seiner ersten offiziellen Visite Indien besuchte, ist ein gutes Zeichen und wird dazu beitragen, die festgefahrenen Probleme zu lösen”, so der indische Ex-Diplomat.
Sri Lanka habe dabei nicht vor, auf Distanz zu China zu gehen und sich bei allen wirtschaftlichen Belangen ausschließlich auf Indien zu verlassen, sagt Shanthie Mariet D’Souza, Präsidentin des Think Tanks Mantraya Institute of Strategic Studies.
“Sri Lanka braucht die Unterstützung beider Länder und möchte die Beziehungen zu beiden fördern. Neu-Delhi dürfte auf jeden Fall auf der Zusicherung bestehen, dass Sri Lanka China nicht gestattet, sein Territorium für anti-indische Aktivitäten zu nutzen”, so D’Souza gegenüber der DW. Ein von Hilfsgeldern abhängiges, bereits tief in der chinesischen Schuldenfalle steckendes Sri Lanka, habe jedoch womöglich nicht die volle Kontrolle, um die indischen Bedenken zu zerstreuen.
Vor kurzem äußerte Dissanayake seine Absicht, die Beziehungen sowohl zu China als auch zu Indien zu stärken. Zugleich machte er aber klar, dass Sri Lankas Ressourcen – einschließlich seines Land-, See- und Luftraums – nicht zur Disposition stünden.
Dies zeigte sich etwa, als er sich aus Gründen des Umweltschutzes dagegen aussprach, der indischen Adani Group die Kontrolle über wichtige Wirtschaftssektoren wie die Häfen Sri Lankas und erneuerbare Energien zu überlassen.
“Die Tatsache, dass er nach seiner Indienreise China besucht, unterstreicht, wie stark China in Dissanayakes Vision und Politik verankert ist”, sagte D’Souza. “Er könnte von Peking weniger strenge und neu strukturierte Bedingungen für die Rückzahlung von Krediten verlangen. Tatsache bleibt aber auch, dass Sri Lanka unter Dissanayake weder geneigt noch in der Lage ist, nach einer Alternative zu China zu suchen.”
Aus dem Englischen adaptiert von Kersten Knipp.
Autor: Murali Krishnan
Von Murali Krishnan