SpVgg Unterhaching: Visionär auf einem sinkenden Schiff – Sport | ABC-Z

In Unterhaching haben sie schon seit Längerem ein Problem mit einem nahegelegenen Profiverein: Fans des TSV 1860 München haben in der Vorstadtgemeinde Stromkästen und vieles mehr weiß und blau angemalt. Ein paar Fans der SpVgg Unterhaching wollten sich das nicht bieten lassen, sie setzten ihre eigenen Duftmarken und übermalten vielerorts den weißen Teil mit Rot. Ein kleiner Heimsieg also, auch wenn offenbar viele Anwohner genervt sind und die Gemeinde die Sachbeschädigungen verurteilt. Doch die Rivalität könnte sich bald verflüchtigen. Die Frage ist nämlich, wie viel Spielvereinigung bald noch in Unterhaching stecken wird.
Sportlich war das, was die Vorstädter auswärts beim SV Sandhausen boten, recht ansehnlich. Unter Trainer Heiko Herrlich lautet die Vorgabe: nicht spielen wie ein Absteiger. So ließ sich seine Mannschaft auf einen bisweilen sehr offenen Schlagabtausch ein, der mit noch mehr Toren auf beiden Seiten hätte enden können. Der Endstand von 2:2 allerdings erhöht die Wahrscheinlichkeit weiter, dass die Hachinger kommende Saison in der Regionalliga spielen werden. Die beiden Spieler Leander Popp (12.) und Fabio Torsiello (56.), die Ende Januar noch verpflichtet wurden, schossen die Tore, die Mannschaft ist in der jetzigen Form wettbewerbsfähig.
Doch der oft gerühmte Hachinger Weg führt wohl unweigerlich in kleinere Gassen. Nach allem, was aus dem Umfeld des Vereins zu hören ist, sind die Geldsorgen so enorm, dass die Finanzierung einer weiteren Drittliga-Saison ohnehin sehr fraglich erscheint. Am vergangenen Donnerstag lud Präsident Manfred Schwabl in die hauseigene Gaststätte ein, um Rede und Antwort zu stehen wegen der jüngsten Vorkommnisse. Dabei erwähnte er, dass zahlreiche Leistungsträger auch Verträge für die Regionalliga hätten; er erklärte aber auch, dass er mit Spielern wie Johannes Geis, Simon Skarlatidis, Manuel Stiefler oder auch seinem Sohn Markus darüber reden möchte, „ob sie noch Bock haben, den Angriff zu starten“. Gleich wieder angreifen, das sei nach einem möglichen Abstieg eigentlich der typische Haching-Reflex, so der 58-Jährige. Aber die Vernunft scheint darauf zu pochen, solche Reflexe zu unterdrücken.
Schwabl sieht sich als Verfechter einer wünschenswerten Bodenständigkeit im Fußball, und während er diese immer wieder vorlebt, zerbricht der personell unterbesetzte Verein an den Anforderungen des Profibetriebs. Ein angefordertes, neues Sicherheitskonzept war nicht rechtzeitig fertig geworden, deshalb sperrte die Gemeinde für die Heimpartie gegen Hansa Rostock – ein sogenanntes Risikospiel – das Stadion. Schwabl sagt, man müsse seine Hausaufgaben schon machen, und nimmt das auf seine Kappe. Zugleich lässt er aber durchscheinen, dass er nicht verstehe, „warum es ein 600-Seiten-Konzept braucht“, um für Sicherheit zu sorgen. Es hätten auch „rein formelle Dinge“ gefehlt, betont der Präsident. Also gehe es nicht darum, dass beispielsweise Geld für Ordner fehlt. Relevant sei vielmehr, dass aufgrund der allgemein erhöhten Terrorgefahr rund ums Stadion ein Verkehrskonzept entwickelt werden soll, in dem Krankenwagen gesichert freie Fahrt haben.
Schwabl sagt: „Bei uns ist außer beim Cottbus-Spiel (Aufstiegsspiel im Sommer 2023, d. Red.) nie was passiert.“ Er kann den geforderten Aufwand deshalb nicht nachvollziehen, weil es in Unterhaching immer so familiär zugehe. Trotz der aktuellen Diskussionen ist wohl gesichert, dass Haching die Saison zu Ende spielen wird. Bezüglich der Rostock-Absage kommentierte Schwabl am Rande des Sandhausen-Spiels: „Es sieht nach einer Neuansetzung aus.“ Vorerst wurde schon einmal die Partie am Dienstagabend gegen den SC Verl mithilfe einer Einzelfallgenehmigung gesichert.
Ob er schon einmal an Rücktritt gedacht habe, wird Schwabl gefragt. Der frühere Profi verweist auf seine Hemdsärmel, die hochgekrempelt sind. „Viele sagen: sinkendes Schiff, aber ich habe immer noch die Vision im Kopf.“ Völlig unabhängig von der Ligazugehörigkeit will er auch weiter der Gemeinde den Sportpark abkaufen, denn ein eigenes Stadion „ist das Fundament, um in dieser Branche tätig zu sein“. Die Frist für ein Kaufangebot läuft allerdings am 30. Juni ab. Und was fehlt, ist noch die Finanzierung, also irgendeine Form von Unterstützung durch externe Investoren.
Mitte Juli soll dann in diesem eigenen Stadion auch die 100-Jahr-Feier des Vereins steigen. Doch die Planungen, sofern sie schon angekurbelt waren, sind ins Stocken geraten. Eigentlich wollte Schwabl ein Freundschaftsspiel gegen den FC Bayern ausrichten. Das geht aber nicht, weil die Bayern zu dieser Zeit bei der Klub-WM in den USA sind. „Da geht es jetzt nicht mehr um Millionen, sondern um Milliarden“, sagt Schwabl und lässt sich ein Nulldreier-Weißbier kommen. Die Kluft zwischen Profi- und Amateurfußball, sie ist an der Münchner Stadtgrenze so aufgerissen wie nirgendwo anders.