SpVgg Unterhaching gegen TSV 1860 München: Abnutzungskampf unter Nachbarn – Sport | ABC-Z
Keine 40 Sekunden waren vorbei, da erhob sich Sven Bender das erste Mal von seinem Trainerstuhl. Ein kurzer Zuruf an einen seiner Spieler, eine Handbewegung, dann nahm er wieder Platz. Es war ein besonderer Abend für den Co-Trainer der SpVgg Unterhaching: Weil Chefcoach Marc Unterberger gesperrt war und das Spiel aus dem Fenster von Präsident Manfred Schwabls Büro beobachten musste, rückte Bender im Drittligaderby gegen seinen ehemaligen Verein TSV 1860 München in die Verantwortung. Im Laufe der Partie sollte der frühere Nationalspieler dann immer mehr Zeit im Stehen verbringen.
Am Ende einer vor allem nach der Pause streckenweise hektischen Partie vor 14 250 Zuschauern im ausverkauften Sportpark, darunter Sandro Wagner, der frühere Hachinger Coach und aktuelle Co-Trainer der Nationalmannschaft, stand ein 2:2-Unentschieden. Das hilft keinem von beiden wirklich weiter.
Die Hachinger blieben auch im sechsten Drittligaspiel in Serie sieglos und rutschten auf den vorletzten Tabellenplatz ab. Sechzig konnte nach der Niederlage gegen Wehen Wiesbaden vor der Länderspielpause keine neue Serie starten – zum Leidwesen von Sport-Geschäftsführer Christian Werner: „Wir sind sehr enttäuscht, aber man hat hier zwei Mannschaften gesehen, die viel Mentalität mitbringen.“ Trainer Argirios Giannikis sah es nicht ganz so negativ: „In Summe geht das Ergebnis in Ordnung.“
Im Mittelpunkt standen bei den Löwen ein paar Ehemalige des Gegners: Torwart René Vollath, Verteidiger Raphael Schifferl und Stürmer Patrick Hobsch waren im Sommer von Haching nach Giesing gewechselt, offensichtlich ohne den Segen der Treuesten auf der Südtribüne. Dort wurde kurz nach dem Anpfiff ein entsprechender Schriftzug gezeigt, Motto: Ein gemeinsames Bier nach dem Derby komme nicht infrage (dazu reimten die SpVgg-Anhänger etwas holprig „später“ auf „Verräter“).
Zu Beginn waren Torszenen die Ausnahme, schon bald folgten die ersten Beleidigungen der Gäste durch die Hachinger Fans. Doch die Blauen schimpften nicht etwa zurück, sondern verliehen ihrer Antipathie gegenüber der Exekutive Ausdruck: „Ganz Giesing hasst die Polizei“, war auf einem riesigen Transparent zu lesen. Genau in dem Moment feuerte Ex-Bundesligaspieler Johannes Geis, dessen Verpflichtung die Münchner Vorstädter erst am Freitag bekanntgegeben hatten, einen Freistoß aufs 1860-Tor, den Vollath grandios parierte (16. Minute). Es folgte eine Pyrosalve aus dem Sechziger-Block und eine dreiminütige Unterbrechung.
Aus dieser kamen die Gastgeber besser heraus, doch zwingend waren deren Aktionen nicht. Dafür bissen die Löwen zu: Haching brachte die Kugel nicht aus der Gefahrenzone, Kozukis Flanke köpfelte ausgerechnet Hobsch zum 0:1 ein (33.) – und verzichtete an alter Wirkungsstätte auf einen allzu ausufernden Jubel.
Nach der Pause wird es wild: Haching gleicht zweimal aus, Vollath verhindert den Rückstand für Sechzig
Die Sechziger brachten die Führung locker in die Halbzeitpause – und verspielten sie nur Augenblicke danach. Sebastian Maier kam im Zweikampf mit TSV-Kapitän Jesper Verlaat zu Fall, vor der Ausführung des Elfmeters sah Torwart Vollath Gelb, weil er versuchte, den Schützen Simon Skarlatidis zu irritieren. Der ließ sich nicht beirren und traf zum 1:1.
Das war der Auftakt zu wilden Minuten: Erst war Sechzig wieder dran. Einen schnellen Konter über die linke Seite mit sehenswerter Flanke von Maximilian Wolfram veredelte der auffällige Kozuki mit einem Blattschuss aus 16 Metern, den Hachings junger Torwart Konstantin Heide passieren lassen musste (54.). Doch die Blauen konnten sich keine vier Minuten lang über die neuerliche Führung freuen, dann lenkte Verlaat eine Flanke von Markus Schwabl ins eigene Tor ab – 2:2. Und um ein Haar hätte Tim Knipping das Spiel kurz danach komplett gedreht, seinen Kopfball patschte Vollath gerade noch neben das Tor (61.).
SpVgg-Verteidiger Knipping musste wegen Verdachts auf Nasenbeinbruch raus, prompt erhöhten die Löwen noch einmal den Druck. Heide musste gegen Verlaats Schuss aus 14 Metern eine Glanzparade hinlegen, um das 2:3 zu verhindern (72.), in der Nachspielzeit verfehlte Thore Jacobsen per Distanzschuss knapp die Entscheidung zugunsten der Gäste aus Giesing.
Insbesondere Vollath wurde dann auch nach dem Schlusspfiff noch ordentlich mit Beleidigungen durch die Haching-Fans eingedeckt. Er nahm’s sportlich: „Irgendwie schade, aber auch ein bisschen geil.“ Das hätte auch das Fazit von Hachings Trainer-Stellvertreter Sven Bender sein können. Der Ex-Löwe drückte es etwas anders aus: „Es war ein spezieller Moment“, sagte er. „Es hat Spaß gemacht. Einfach schön, bei so einem Spiel das erste Mal an der Linie zu stehen.“