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Wie gelang Trumps Deal zum „ewigen Frieden“ in Nahost? | ABC-Z

Noch muss sich erweisen, ob Donald Trumps Gazaplan den Krieg in dem Küstenstreifen dauerhaft beendet – von dem vom amerikanischen Präsidenten proklamierten „ewigen Frieden“ im Nahen Osten ganz zu schweigen. Die Histori­sierung der Ereignisse der vergan­genen Woche ist aber schon im vollen Gange.

Als Jared Kushner, der Schwiegersohn des Präsidenten, sich am Samstag auf einer Großkundgebung in Tel Aviv an die Menge wandte, sagte er, eines Tages werde er die Geschichte erzählen. „Sie wird euch zum Lachen und zum Weinen bringen.“ Vor ihm hatte der Sondergesandte Steve Witkoff gesprochen. Der habe das „Vier-Buchstaben-Wort“, das F-Wort also, in seiner Rede nicht benutzt, weil er es in den Verhandlungen so häufig gebrauchen musste.

Schon am Donnerstag hatte Außenminister Marco Rubio während einer Kabinettssitzung nach der Einigung auf den Gazaplan davon gesprochen, dass es sehr „intensive“ Verhandlungen gewesen seien. Eines Tages werde vielleicht die ganze Geschichte erzählt werden. Eines sei aber gewiss: Eigentlich sei es eine sehr „menschliche“ Geschichte, auch wenn sie einen geopolitischen Aspekt habe: Ohne Trump wäre es nicht möglich gewesen. Applaus der Kabinettskollegen. Der Präsident klopfte seinem Außenminister dankend auf den Arm.

Bei Netanjahus jüngstem Besuch passierte viel

Tatsächlich habe alles auf Trumps Golfreise im Mai angefangen, sagte Rubio dann. In Saudi-Arabien, Qatar und den Vereinigten Arabischen Emiraten seien Beziehungen aufgebaut worden. Wichtig sei auch das Treffen mit Ver­tretern muslimischer Staaten während der UN-Generaldebatte im September in New York gewesen, wo diese Unterstützung für den Plan signalisierten. Schließlich verwies er auf den jüngsten Besuch Benjamin Netanjahus in Washington.

Dort passierte dreierlei: Der israelische Ministerpräsident musste sich telefonisch bei den Qataris für den Angriff auf die Hamas-Führung in Doha entschuldigen. Washington finalisierte ein Abkommen, mit welchem dem Emirat Sicherheitsgarantien gewährt wurden. Und nach „langen robusten Gesprächen“ stimmte auch Netanjahu dem Gaza-Plan zu, der unter anderem einen Rückzug der Israelis und eine muslimische Schutztruppe vorsieht. Der Ministerpräsident hob mit ernstem Gesichtsausdruck hervor, Trumps Plan stehe mit den israelischen Forderungen im Einklang und verwies auf die geplante Freilassung der Geiseln.

Wie konnte Trump gelingen, woran sein Vorgänger Joe Biden gescheitert war? Die Hamas überzeugte er durch seine Skrupellosigkeit. Hätten sie nicht nachgegeben, hätte der Präsident Netanjahu erlaubt, diese restlos zu ver­nichten. Wie konnte aber der gleiche Trump, der in seiner ersten Amtszeit Netanjahu so ziemlich alles gab, diesen nun derart unter Druck setzen?

Der Ministerpräsident hatte auf die Wiederwahl Trumps gesetzt. Dieser war schließlich nicht nur aus dem Atomabkommen mit Iran ausgestiegen. Er hatte auch die Botschaft nach Jerusalem verlegt und die Annexion der Golanhöhen anerkannt. Zudem waren die – von Kushner – ausgehandelten Abraham-Abkommen letztlich Separatfriedensschlüsse arabischer Staaten mit Israel un­ter Ausblendung des israelisch-palästinensischen Konfliktes.

Trump war bereit, Netanjahu unter Druck zu setzen

Unter Trump I lief alles so, wie Netanjahu sich das vorgestellt hatte. Beim Antrittsbesuch in Washington nach der Rückkehr des Präsidenten ins Weiße Haus schwärmte der Ministerpräsident von dem Republikaner. Diesmal sollte er sich aber verrechnen. Aus allem, was Trump zu diesem und anderen Konflikten gesagt hat, lässt sich schließen, dass es ihm nicht nur um geopolitische, wirtschaftliche und sehr persönliche geschäftliche Interessen geht. Er will schlicht, dass das Sterben aufhört. Das ist es wohl, was Rubio mit der „menschlichen“ Geschichte meinte.

Das Völkerrecht ist dabei nicht Trumps Leitfaden. Das bewies er durch anfängliche Umsiedlungspläne, von de­nen er später abzubringen war. Das zeigte sich auch im Ukrainekrieg, in dem er Kiew zwischenzeitlich nötigen wollte, Gebiete an den Aggressor abzutreten. Trump will als „Friedenspräsident“ in die Geschichte eingehen. Dazu war er bereit, Netanjahu unter Druck zu setzen.

Nachdem er entgegen seiner ursprüng­lichen Absicht in den israelisch-iranischen Zwölf-Tage-Krieg durch das Bombardement der Atomanlagen einge­griffen hatte, nötigte er den Israeli, den Krieg gegen das Regime in Teheran zu beenden. Mit dem Gazaplan, den Witkoff im September vorlegte, ging er nach der Verletzung der qatarischen Souveränität durch Israel auf die arabischen Staaten zu. Netanjahu musste nachgeben – mit Trump konnte er es sich nicht verscherzen.

Der Ansatz des Präsidenten in der Nahostpolitik ist gewiss unkonventionell. Ohne Präzedenz ist er aber nicht. Auch andere republikanische Präsidenten haben Israel, Amerikas Aktivposten in der Region, schon unter Druck gesetzt. Früher galten die Demokraten als natürlicher Partner der Israelis, auch weil ein Großteil der amerikanischen Juden regelmäßig für die Partei stimmte.

Republikanern wurde wegen ihrer Bindung an die amerikanische Ölindustrie stets unterstellt, arabische Interessen stärker zu berücksichtigen. Heute ist Amerika aber nicht mehr vom arabischen Öl abhängig. Zudem sind die Evangelikalen, welche weit mehr als die amerikanischen Juden die politische Rechte in Israel unterstützen, längst ei­ne wichtige Wählerbasis der Republikaner. Die Konstellation hat sich verändert.

George W. Bush war im Begriff einzulenken

So wollte George W. Bush sich nach seinem Amtsantritt 2001 aus dem Nahen Osten zunächst heraushalten. Sein Vorgänger Bill Clinton war in Camp David mit dem Versuch gescheitert, auf der Basis des Oslo-Prozesses ein Friedensabkommen zwischen Israelis und Palästinensern auszuhandeln. Kurz danach brach die zweite Intifada aus. Bush weigerte sich zunächst, den damaligen Ministerpräsidenten Ariel Scharon, der militärisch gegen den Aufstand der Paläs­tinenser vorging, zu mäßigen. Seine Äu­ße­rung, die Israelis würden sich nicht dem Terror beugen, wurde in der arabischen Welt als einseitige Parteinahme für den jüdischen Staat gewertet. Kronprinz Abdallah stellte die amerikanisch-saudischen Sonderbeziehungen (Öl ge­gen Sicherheit) infrage.

Bush war im Begriff einzulenken. Er signalisierte die Bereitschaft, sich öffentlich für eine Zwei-Staaten-Lösung auszusprechen. Dann kam der 11. September 2001, und die Welt war eine andere. Saudi-Arabien, das Herkunftsland der meisten Attentäter, stand unter enormen Druck. Erst später, als Bush für den geplanten Krieg gegen das Regime von Saddam Hussein im Irak arabische Verbündete suchte, war er bereit, auf Scharon einzuwirken. Letztlich zog sich Israel aus dem 1967 besetzten Gazastreifen zurück.

Bush folgte damit einer Politik, die schon sein Vater betrieben hatte. Auch George H. W. Bush hatte im Gegenzug für die Unterstützung wichtiger arabischer Staaten für den ersten Golfkrieg versprochen, sich hernach für eine gerechte Lösung für die Palästinenser einzusetzen. Tatsächlich nötigte er Ministerpräsident Jitzhak Schamir, 1991 an der Madrider Friedenskonferenz teilzunehmen. Auch stellte er amerikanische Kreditbürgschaften für ein Bauprogramm infrage, das Wohnraum für die aus der Sowjetunion kommenden Juden schaffen sollte. So wollte er verhindern, dass die Gelder für den Siedlungsbau im Westjordanland genutzt wurden. Die Konferenz von Madrid mündete letztlich im Oslo-Prozess, der den Nahostkonflikt so nah wie nie einer Lösung zuführte.

Das alles ist „water under the bridge“, wie die Amerikaner sagen, also Schnee von gestern. Heute träumt Trump von ei­nem „ewigen Frieden“ im Nahen Osten. Ein palästinensischer Staat findet in seinem Gazaplan nur sehr vage Erwähnung.

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