Wirtschaft

Splitter von der Buchmesse in Frankfurt, Tag 1 | ABC-Z

„Bertolt Brecht oder Thomas Mann?“, lautet eine Entscheidungsfrage in Halle 4.1 an der Bühne für Literatur und Übersetzung des „Zentrum Wort“. Der Kulturstaatsminister Wolfram Weimer würde stets den bürgerlichen Mann vorziehen. Dass dies keine Wahl zwischen einem politischen und unpolitischen Schriftsteller ist, darüber sind sich der Minister, die Schriftstellerin Nora Bossong und der frisch gewählte Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Sebastian Guggolz, einig.

Als Persona non grata nach dem Krieg, so lautet Guggolz’ These, konnte Mann nur über den Weg des Unpolitischen in den Kanon zurückgeführt werden. Als Kämpfer der Demokratie werde er nun rehabilitiert. Der Widerstand gegen eine erodierende Gesellschaft müsse, nein werde, so sieht es Wolfram Weimer, aus der breiten Mitte des Bürgertums kommen. Dafür sei Mann eine gute geistige Quelle. Und fügt hinzu: „Den Rechtspopulisten, denen gehört er nicht!“ röhn.

Von den Streitkräften der Kultur

Auf der Buchmesse, die sich als Ort kultivierten Austauschs definiert, fallen zwei Männer in Tarnuniformen auf. Noch dazu, wenn sie Standpersonal sind und die Besucher über „cultural forces“ informieren – kulturelle Streitkräfte. Wir sind am Länderstand der Ukraine, zu dessen Eröffnung sich allerlei Prominenz versammelt: Kulturstaatsminister Wolfram Weimer, der ukrainische Botschafter Oleksij Makejew, Börsenverbands-Sprecherin Karin Schmidt-Friderichs, Börsenvereins-Geschäftsführer Peter Kraus vom Cleff, Goethe-Instituts-Vorstandssprecher Johannes Ebert.

Zu Beginn gibt es eine Schweige­minute für die im Krieg getöteten Ukrainer. Sie endet nach 15 Sekunden – trotzdem eine produktive Verstörung im Gebrodel der Halle 4.1. „Filling in“ lautet das Standmotto: Lücken schließen – die von den Toten hinterlassenen und die in den Programmen deutscher Verlage. Dort sollten mehr ukrainische Bücher einrücken. Als kultivierte Form der Rekrutierung. apl.

Europas Bücher

Keine großen Bewegungen auf dem europäischen Buchmarkt, so lassen sich die Zahlen resümieren, die der Europäische Verlegerverband wie gewohnt zum Messeauftakt präsentierte. Das Jahr 2024 brachte einen weiteren leichten Umsatzzuwachs um 2,2 Prozent, der sich wie gehabt höheren Preisen verdankt, und mit knapp 25 Milliarden Euro ist die Buchbranche weiterhin der umsatzstärkste kulturindus­trielle Sektor. Rechnet man die Inflation ein, sieht die Sache freilich gleich eher bedenklich aus: Da hat man seit dem Jahr 2007 (Finanzkrise) gut sieben Milliarden ein­gebüßt.

In allen Formaten wurden mehr als 2,5 Milliarden Titel verkauft, Print blieb dabei mit etwa 83 Prozent das weitaus stärkste Segment. Verkäufe in Buchhandlungen nahmen weiter modest zu. Der Vergleich mit 2019 (vor Covid) zeigt, dass einige nationale Märkte sich gut über der Inflationsrate halten konnten. Aber Deutschland, weiterhin beim Umsatz auf Platz eins, gehört nicht dazu. hmay.

Eine Jutetasche mit Augen

Dass man auf der Buchmesse permanent von wildfremden Menschen angesprochen wird, gehört dazu. Normalerweise kriegt man dann einen Zettel in die Hand, den man höflich mitnimmt und bald wieder entsorgt. Das moderne Äquivalent dieser Zettel ist die Website, die sich öffnet, wenn man nur bereit ist, das Handy über einen QR-Code zu halten.

Auf dieser Messe steht auf dem Platz zwischen den Hallen nicht mehr das gewohnte Lesezelt, dafür neben anderen Ständen auch einer mit einem Glücksrad. Mitspielen kann, wer einen QR-Code öffnet und einen Social-Media-Kanal abonniert.

Beim Drehen bringt Platz drei eine Jutetasche ein, darin buchbezogene Werbung, zwei Lesezeichen und ein Kugelschreiber. Mit dem könnte man versuchen, Gucklöcher in die Tasche zu stechen und sich den Beutel dann über den Kopf zu ziehen, um Nichtansprechbarkeit zu signalisieren. Obwohl das vielleicht zu früh wäre: Nebenan, bei Herder, kann man einen roten E-Roller gewinnen. spre

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