Kultur

Spielfilm „Kino“: Jeden Tag Filmtheater | ABC-Z

„Film im Film“, das gilt spätestens seit Truffauts Spielfilm „Die amerikanische Nacht“ als eigenes Filmgenre. Vergleichsweise wenig beackert ist dagegen „Kino im Kino“. Natürlich gibt es Klassiker wie „Cinema Paradiso“ und „Splendor“ aus Italien. Aber ein Film, der in einem Kino spielt, folgerichtig dort gedreht wurde und im Idealfall dann auch in genau diesem Kino gezeigt wird: Das ist ein Spiegelungseffekt, zu dem auch Ci­ne­as­t*in­nen nicht sofort berühmte Vorbilder einfallen dürften.

In den Genuss so eines seltenen Exemplars kommt, wer sich nun im Hamburger Abaton-Kino den Film „Kino“ ansieht. Gedreht hat ihn Pourya Pour, ansonsten auch Musiker. Der Hamburger arbeitet selbst im Abaton, und sein realer Alltag dort ist die wichtigste Inspiration zu „Kino“ gewesen.

Pour erzählt darin von Lou, die als ungelernte Arbeitskraft angestellt ist. Sie sitzt meist an der Kasse, kontrolliert am Einlass Tickets, säubert nach den Vorstellungen den Saal und springt bei Filmgesprächen auch mal als Moderatorin ein.

„Kino“ zeigt einen Tag in ihrem Leben – aber den gleich mehrmals. Wie sie morgens aufwacht, mit ihrer Mitbewohnerin frühstückt, mit dem Fahrrad von der Peripherie zum Uni-Campus fährt, an den Allende-Platz wo sie ihr Fahrrad vor dem Abaton anschließt. Nach der Arbeit genießt sie ihre Freizeit – oft, indem sie sich einen Film ansieht, klar: im Abaton.

Fußend auf Erfahrung

Dieser Tagesablauf wiederholt sich in identischen Kameraeinstellungen, jedoch mit inhaltlichen Variationen. Diese Episoden, die auf Erlebnissen und Erfahrungen Porya Pours und seiner Kino-Kol­le­g*in­nen basieren, sind es dann auch, die den Film interessant machen: Da geht es um nervige Kinobesucher, um Premierengäste, die sich ­eigens fantasievoll für diesen Anlass kostümiert haben oder um belauschte Gespräche von Besucher*innen.

Auf dieser fast dokumentarischen Ebene ist der Film stimmig, weil Pour hier ganz natürlich erzählen kann. Wie er arbeiten seine sämtlichen Dar­stel­le­r*in­nen im Abaton und spielen im Grunde sich selbst. Ihre ­Dialoge wirken eher improvisiert, als auswendig gelernt, und sie alle bewegen sich in Räumen, die ihnen offensichtlich vertraut sind.

Hauptdarstellerin Luise Overmeyer, die in fast jeder Einstellung zu sehen ist, muss auch sonst kaum schauspielern, tut das aber doch: In kurzen, blutigen und schnell geschnittenen Actionszenen lebt Protagonistin Lou ihre Gewaltfantasien aus und fuchtelt mit einem Messer herum, bis das Kunstblut spritzt. Diese – ebenfalls wiederholte – Sequenz ist ein irritierender Fremdkörper im Film. Das verdeutlicht schon die Farbdramaturgie: Während der Rest von „Kino“ in schwarzweiß gedreht ist, leuchten diese Sequenzen in knalligem Rot.

Als seine Vorbilder nennt Porya Pour die Re­gis­seu­r*in­nen Jim Jarmusch, Ozu Yasujiro und Chantal Akerman. Er erzählt von Menschen, die er kennt, ist eher an genauen Mileuzeichnungen als am Plot interessiert und lässt sich Zeit dafür. Doch wird „Kino“ durch seine vielen Wiederholungen nicht tiefer, nur breiter beziehungsweise länger. Statt in 97 Minuten hätte Pour die Geschichte wohl ebenso eindrucksvoll in einer Stunde erzählen können. Weiß er das sogar selbst und belohnt das Publikum deshalb für seine „Geduld“, so sagt er es selbst, am Schluss mit gleich zwei schönen Höhepunkten?

Der Film

„Kino“. Regie: Pourya Pour, mit Luise Overmeyer, Irma Schuhmann u.a., Deutschland 2025, 97 Minuten.

Premiere: Mi., 2. 7., 20 Uhr, Hamburg, Abaton. Ab Donnerstag in Hamburg auch im 3001 und im Metropolis; später zudem in Lüneburg (Scala) und Hannover (Kino am Raschplatz).

Zum einen ist da eine sehr komische Parodie auf das typische Publikumsgespräch im Kino: Lou steht hilflos mit dem Mikro in der Hand vor der Leinwand, während ein arroganter Filmemacher sich mit einem empörten Kinobesucher über die Qualität des gezeigten Films in die Wolle kriegt. Und zum Finale gibt es dann noch eine viel realistischer inszenierte Gewaltszene, die all jenen aus dem Herzen sprechen dürfte, denen allzu laute Sitz­nach­ba­r*in­nen im Kino ein Ärgernis sind.

„Kino“ entstand auch mit der Unterstützung des Abaton: Pour durfte kostenlos in den Räumen drehen, seine Kol­le­g*In­nen haben ohne Gage mitgespielt. So konnte der Film ohne jede Förderung an acht Drehtagen mit einem Budget von gerade mal 2.000 Euro produziert werden. Auch ohne jedes Alpenglüh’n: Für all jene, die in Kinos arbeiten, ist „Kino“ ein Heimatfilm. Und für die, die viel Zeit dort verbringen irgendwie auch..

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