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SPD-Wahlkampf setzt auf QR-Codes: Scholz verteidigt sein “Fritze” – und jeder darf ihn “Olaf” duzen | ABC-Z

Bundeskanzler Olaf Scholz hat jetzt ein Wahlprogramm für seine nächste Regierungszeit, so er sie denn bekommt. Bei der Vorstellung der SPD-Vorschläge zur Bundestagswahl geht es viel um Vornamen, insbesondere den richtigen von Friedrich Merz. Der SPD-Wahlkampf soll digital wie nie werden.

Der oberste Knopf des weißen Hemdes ist wieder offen: Olaf Scholz ist im Wahlkampfmodus. Da gibt er sich weniger zugeknöpft, so war das schon bei der erfolgreichen Bundestagswahlkampagne 2021. Ansonsten sind die Vorzeichen gänzlich andere: Scholz tritt als Chef einer gescheiterten Regierung an; als Kanzler, dem der Bundestag das Misstrauen ausgesprochen hat. Doch als er am Tag darauf zusammen mit der SPD-Spitze im Willy-Brandt-Haus Programm und Kampagne seiner Partei vorstellt, ist Scholz auffallend gelassen: Locker parliert er mit den Journalisten, die rechte Hand mitunter in der Hosentasche, die linke am Mikrofon. Auch die Debatte um seinen jüngsten Aufreger scheint ihm zu gefallen.

“Fritze Merz erzählt gern Tünkram”, hatte Scholz am Abend der Vertrauensfrage live im ZDF gesagt. Es war die Replik des Kanzlers auf die Rede des Unionskanzlerkandidaten im Bundestag, in der Merz von einer Sitzung der EU-Staats- und Regierungschefs behauptet hatte, Scholz habe Deutschland durch “peinliches” Schweigen “blamiert”. Wird Scholz seinen Konkurrenten um das Kanzleramt nun öfter so bezeichnen? “Ich finde immer ganz überraschend, dass Leute eigenwillige Dinge sagen, die nicht ganz stimmen und dann verwundert sind, dass man etwas salopp darauf hinweist”, erkärt sich Scholz im Willy-Brandt-Haus. “Und genau das war meine Absicht gestern.”

SPD will das Duell

Und was, bitte, ist “Tünkram”?, wollen die Journalisten wissen? “Das ist einfach, wenn man frei erfundenes Zeug zusammenredet”, erklärt Scholz und erinnert an die von Merz im Bundestagsplenum berichtete Anekdote. “Aber vielleicht unterbleibt das ja auch, mit unwahren Behauptungen weiter durch den Wahlkampf zu ziehen”, bietet Scholz an. Das jedenfalls sei sein “Vorschlag”. Angesichts der zwischen Merz und Scholz oft widerstreitenden Wahrnehmungen, was Realität ist und was nicht, könnte sich die Formulierung vom “Fritze” und dem “Tünkram” noch das eine oder andere Mal im Wahlkampf wiederfinden.

Tatsächlich war der nach Umfragen aussichtsreiche Merz den Amtsinhaber im Bundestag hart angegangen. Beide schonen einander nicht, haben sie auch in der Vergangenheit selten. Der SPD scheint die jüngste Eskalation zupasszukommen. Seit Wochen arbeitet sie hart daran, den Bundestagswahlkampf in der öffentlichen Wahrnehmung auf die Frage ‘Scholz oder Merz?’ zu reduzieren – in der Erwartung, noch breite Zweifel an der Eignung von Merz zum Bundeskanzler streuen zu können.

Und wenn das nicht gelingt? Egal, Scholz wird ohnehin nicht irgendwas unter einem Kanzler Merz. Das hat Scholz kategorisch ausgeschlossen. Und: FDP-Chef Christian Lindner ist übrigens vom Haken: “Systematische Destabilisierung durch die FDP: Ich denke, das Thema können wir hinter uns lassen”, sagt die SPD-Vorsitzende Saskia Esken. Scholz hat seinen vormaligen Finanzminister in den letzten Wochen immer wieder scharf angegriffen. Jetzt will er sich ganz dem “Fritze” widmen.

“Viele duzen mich”

Mit Blick auf das eigene Wahlprogramm zeigt man sich bei der SPD zuversichtlich, neben Merz’ vermeintlicher Unfähigkeit, auch inhaltliche Argumente für die Sozialdemokraten zu haben. “Mehr für dich. Besser für Deutschland”, lautet der Wahlkampfslogan. Dass die Partei alle 59 Millionen Wahlberechtigten im Land duzt, sei Teil der direkten Ansprache, erklärt SPD-Generalsekretär Matthias Miersch. “Viele duzen mich, rufen mir über die Straße zu ‘Olaf!”‘ und ich unterhalte mich dann auch mit ihnen”, berichtet Scholz. Den Kanzler zurückzuduzen, ist also kein Problem.

Das “Mehr für dich” kommt in gleich mehreren Ausformungen: Die SPD fordert Entlastungen für 95 Prozent aller Steuerzahler. Hinzu kommen kostenfreies Mittagessen an Kitas und Schulen für alle Familien, eine Deckelung des Eigenbeitrags zu den Pflegekosten, eine Deckelung des Strompreises sowie eine um zwei Prozentpunkte gesenkte Mehrwertsteuer auf Lebensmittel, die dann bei 5 Prozent läge. Wer zum Mindestlohn arbeitet, soll ebenfalls deutlich mehr haben: Auf 15 Euro soll der Mindestlohn steigen, wenn es nach Scholz geht. Frisch gebackene Eltern sollen zudem länger als bisher Elterngeld in Anspruch nehmen können.

Eine “moderate” Reform der Schuldenbremse

Finanzieren will die SPD dies auf mehreren Wegen. Einmal sollen sehr hohe Einkommen und Vermögen stärker zur Finanzierung des Gemeinwesens herangezogen werden. Scholz erinnert daran, dass selbst die Schweiz eine Vermögenssteuer habe. Und, so die Botschaft, die Schweiz steht ja nun wirklich nicht unter Sozialismusverdacht. Die Superreichen leben sogar ausgesprochen gern dort. Ferner will Scholz die Zahl der Berufstätigen in Deutschland erhöhen, wobei er vor allem an die Frauen denkt, die wegen fehlender Kinderbetreuungsangebote weniger arbeiten. Aber auch Fachkräfte aus dem Ausland sollen verstärkt den Weg nach Deutschland finden.

Dritte Säule ist eine “moderate” Reform der Schuldenbremse, wie Scholz formuliert. Sie soll Wachstum finanzieren, indem der Staat mit mehr Geld Innovation in der Wirtschaft, den Erhalt des Industriestandorts und die Ertüchtigung der Infrastruktur anschieben kann. “Aber die wird nicht einen substanziellen Beitrag zur Lösung aller Fragen bedeuten”, relativiert Scholz.

Immer wieder erinnert Scholz daran, dass Deutschland einerseits weiterhin mindestens Verteidigungsausgaben in Höhe von zwei Prozent der Wirtschaftsleistung tätigen will, andererseits aber 2028 das Sondervermögen zur Ertüchtigung der Bundeswehr nicht mehr greift. Dann müssen jährlich zusätzlich 30 Milliarden Euro aus dem laufenden Haushalt gestemmt werden. Wie genau das in Zukunft zusammengehen soll, bleibt unklar. Irgendwie muss es halt klappen mit dem Anschub der Wirtschaft und daraus resultierenden höheren Steuereinnahmen. Vielleicht kann ja auch die Wirtschaft helfen: 100 Milliarden Euro will die SPD in einen Infrastrukturfonds stecken, an dem sich dann auch privates Kapital beteiligen können soll.

Einmal scannen, bitte!

Der Betrag liegt knapp unter den 113 Milliarden Euro, die der Bund allein im vergangenen Jahr zur Finanzierung der Renten zuschießen musste. Doch bei den Renten dürfe keinesfalls gespart werden, warnt Scholz. Die SPD dringt darauf, dass die am 1. Juli auslaufende Garantie des Rentenniveaus verlängert wird. Andernfalls drohten den Menschen faktisch Rentenkürzungen. Doch die weiter steigenden Ausgaben für immer mehr Rentner bedeuten, dass der Bundeszuschuss aus Steuermitteln und die Rentenabgaben der Berufstätigen mittelfristig deutlich steigen müssen. Scholz will das durch eine wachsende arbeitende Bevölkerung ausgleichen, siehe Frauen und ausländische Fachkräfte.

Die Menschen müssen sich in den kommenden Wochen selbst schlaumachen, welches Angebot ihnen am sinnvollsten erscheint. Die SPD will dabei den “digitalsten Wahlkampf in der Geschichte der SPD führen”, wie Miersch stolz verkündet. Damit geht die Partei mit der Zeit, die zwangsläufig digital wie nie ist. Auf den Wahlplakaten stehen riesige QR-Codes – also Bilder, die Handykameras als Link zu bestimmten Websites erkennen. Das ist gewagt: Werden die Menschen wirklich mit Ihren Handys vor Wahlplakaten stehen und diese Codes scannen?

Sicherheitshalber macht es die SPD nebenher auch ganz klassisch. Mit Haustürwahlkampf, Rathaus-Diskussionen und Auftritten des Kanzlers auf Marktplätzen. Er habe sogar mehrere Mäntel, um der Kälte im Winterwahlkampf zu trotzen, sagt Scholz. Sie dürfen aber auch einfach “Olaf” zu ihm sagen.

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