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SPD-Generalsekretär Kühnert schlägt nach Schlappe bei Europawahl eine Koalition der Demokraten im EU-Parlament vor | ABC-Z


Europatalk bei Caren Miosga

Kühnert schlägt Koalition der Demokraten im EU-Parlament vor

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Die Ampelkoalition hat bei den Europawahlen eine herbe Schlappe erlitten. Stehen nun vorgezogene Neuwahlen an? Wie sieht die Zukunft Europas aus? Darüber diskutieren bei der Talkshow “Caren Miosga” unter anderen SPD-Generalsekretär Kühnert und CDU-Politiker Spahn.

Was Polit-Talkshows angeht, gehört der Sonntag eigentlich der ARD und Caren Miosga. Nicht an diesem Wahlsonntag. Da hat ntv die Vorsitzenden der großen Parteien zu Gast. Miosga muss sich bei den Öffentlich-Rechtlichen zunächst mit zwei Politikern zufriedengeben: SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert und CDU-Wirtschaftspolitiker Jens Spahn. Kühnert ist es, der am Ende einen richtungweisenden Vorschlag für eine Lösung einer Krise machen wird, die sich im EU-Parlament anbahnen könnte.

“Spiegel”-Journalistin Melanie Amann ist übrigens auch da. Nach einer zwanzigminütigen Unterbrechung durch die “Sportschau” darf Grünen-Urgestein Jürgen Trittin noch etwas sagen und die riesige Klatsche der Grünen bei den Europawahlen erklären. Das fällt ihm nicht leicht: kleine Parteien wie die ÖDP (Ökologisch-Demokratische Partei) oder Volt. Daran lag’s. Schlechte Kritik von Wirtschaftsminister Habeck? Nö. Dennoch sagt Trittin: “Ich glaube, dass die Diskussion darüber nicht einfach wird.”

Verzweifelter Kühnert

Was soll da erst die SPD sagen? Generalsekretär Kevin Kühnert wirkt am Anfang ziemlich verzweifelt. Immerhin haben die Sozialdemokraten ihr schlechtestes Ergebnis bei einer Europawahl eingefahren. Was keiner sagt: Verglichen mit der Bundestagswahl von 2021 bricht die SPD um knapp zehn Prozent ein – und sie liegt hinter der AfD klar auf dem dritten Platz. Doch Melanie Amman spricht eine andere Wahrheit an, die genauso schmerzlich für die SPD ist: Sie erreicht nur halb so viele Prozentpunkte wie die größte Oppositionskraft, die Unionsfraktion.

Klar also, dass Jens Spahn Oberwasser hat. Das nutzt der CDU-Politiker, dem Kühnert recht spät in einem Nebensatz zum Wahlsieg gratuliert, auch weidlich aus. Die Ampelkoalition sei so unbeliebt wie keine Bundesregierung vorher, sagt Spahn – und die Meinungsumfragen geben ihm recht. Als den Hauptschuldigen an der SPD-Misere macht er Bundeskanzler Olaf Scholz aus. Dieser sei groß in den Wahlkampf eingestiegen und habe die Themen gesetzt: äußere, innere und soziale Sicherheit. “Diese Themen wären auch welche, die die Menschen sehr interessieren”, fügt Spahn hinzu, “aber wir sehen ja: Scholz ist gar nicht mehr in der Lage, diese Themen mit sich zu verbinden”. Scholz habe auch die Verbindung zu den Menschen in Deutschland verloren. Spahn: “Das lässt sich nicht mehr retten.” Nun sei es Zeit, diese Regierung zu beenden. “Ich glaube nicht, dass Olaf Scholz nach allem, was war, nach dem, was an Vertrauen verloren gegangen ist, dieses Ding nochmal drehen kann.”

Melanie Amann bringt es dann auf den Punkt: “Die Leute verstehen nicht, warum diese Ampel so weitermacht. Warum schafft sie es nicht, sich zu einigen? Und dann muss man sich schon die Frage stellen: Ist es nicht besser, den Stecker zu ziehen?” Auch Spahn, der dies schon lange verlangt, erneuert an diesem Sonntagabend noch einmal seine Forderung nach Neuwahlen – noch bevor im Nachbarland Frankreich der dortige Präsident Macron die Nationalversammlung auflöst.

In Deutschland läuft das anders, hierzulande könnte der Kanzler die Vertrauensfrage stellen. Ob das eine Option sei, will Caren Miosga von Kevin Kühnert wissen. “Das würde ja bedeuten, der Kanzler hat das Vertrauen im Parlament nicht mehr”, führt Kühnert aus. Das habe er aber noch, wie die zahlreichen Gesetze bewiesen, die in jeder Sitzungswoche im Bundestag beschlossen würden. Aber das Volk habe das Vertrauen verloren, unterbricht Spahn. Nun reagiert Kühnert ein wenig bockig: “Wenn wir jetzt dazu übergehen, nur weil ihr in der Position seid, das aus einem Moment der Stärke kommentieren zu können, haben wir irgendwann Verhältnisse wie in Israel oder anderen Ländern, wo jährlich gewählt wird.” Nein, Scholz werde keine Vertrauensfrage stellen, nur weil einmal eine Umfrage schlecht sei. Und nur, weil ein Kanzler weg wäre, bedeute das nicht, dass für Fragen der Haushaltspolitik oder dem Ende des Krieges in der Ukraine Mehrheiten da wären. Interessant an dieser Diskussion ist, was nicht gesagt wird: Einen Misstrauensantrag gegen Scholz wollen die Unionsparteien auch nicht stellen.

Die Wahl von der Leyens

Mit ihrer schlechten Politik seien die Ampelparteien Mitschuld an dem Wahlerfolg der AfD, analysiert Spahn während der Sendung. Natürlich weist Kühnert das mit einer gewissen Berechtigung zurück. In Wahrheit sind in vielen europäischen Ländern rechte Parteien auf dem Vormarsch, in einigen stellen sie sogar die Regierung. In Italien zum Beispiel. Für Aufregung hatte vor Kurzem die Aussage von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyens von der CDU gesorgt: Sie könne sich vorstellen, sich von der Partei der italienischen Präsidentin Meloni wählen zu lassen. Dabei handelt es sich um eine profaschistische Partei, die einen “Austausch des italienischen Volkes” durch Migranten befürchtet und ein neues, undemokratisches Wahlrecht einführen will.

“Wir suchen diese Zusammenarbeit gar nicht”, sagt Spahn. “Wir wollen eine Mehrheit in der demokratischen Mitte, und die ist dann zu schaffen, wenn zum Beispiel die deutschen Grünen und die deutschen Sozialdemokraten, die ja auch in Brüssel in ihren Fraktionen eine führende Rolle haben, sehr klar sagen: Wir unterstützen die Wahlsiegerin Ursula von der Leyen. Ich habe diese Aussage heute Abend leider noch nicht gehört.”

Die wird Spahn auch von Kühnert an diesem Abend so nicht hören. Aber der SPD-Generalsekretär macht ein Angebot: “Im EU-Parlament sitzen Parteifamilien, und nach allem, was ich sehe, haben Konservative, Sozialdemokraten und Liberale zusammen eine Mehrheit. Wenn wir die Grünen noch dazu nehmen, sind wir über hundert Stimmen überm Durst.” Natürlich könne man nicht einfach eine Kommissionspräsidentin ohne Bedingungen wählen, sagt Kühnert. “Sie muss ein politisches Arbeitsprogramm vorlegen: Was will sie tun? Wie will sie den Klimaschutz voranbringen und die Wirtschaft? Wie will sie soziale Sicherheit und den Frieden voranbringen? Das alles muss sie darlegen.” Auch die Sozialdemokraten würden als zweitstärkste Kraft in Europa Forderungen stellen.

“Demokraten müssen eine Haltung haben”, so Kühnert. “Wenn wir in Parlamenten sitzen, in denen die demokratischen Kräfte eine Mehrheit haben, dann muss am Anfang der Diskussion eine klare Aussage stehen: Die Mehrheiten machen wir unter uns aus, und die Rechten lassen wir rechts außen liegen. Ich finde, das kann man von jedem Demokraten erwarten.”

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